Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines ivorischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  W 2 K 18.31738

Datum:
27.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5830
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3d, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

In den aktuellsten Erkenntnismitteln sind keine Aussagen darüber enthalten, dass die ivorische Polizei nicht Willens oder in der Lage wäre, Zivilpersonen zu schützen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2019 verhandelt und entschieden werden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden waren (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 9. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der entsprechenden Begründung im Bescheid vom 9. August 2018 hinsichtlich der Versagung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gemäß Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig sind, oder die gemäß Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht.
Der Kläger behauptet, vom Eigentümer eines Autos, das durch einen Brand, der dem Kläger zugerechnet werde, zerstört worden sei, haftbar gemacht zu werden. Er sei mit dem Tode bedroht, weil er den Schadenersatz nicht habe zahlen können. Selbst wenn man dieses Vorbringen als wahr unterstellt, folgt daraus nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehlt an einem flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3b AsylG. Die behauptete Verfolgung knüpft weder an die Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.
1.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Weder die Vollstreckung noch die Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Für eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung liegen ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
Schon die vom Kläger vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist nicht glaubhaft. An der allgemeinen Glaubwürdigkeit des Klägers muss gezweifelt werden, da er bei seiner Einreise in das Bundesgebiet einen völlig anderen Namen und ein anderes Geburtsdatum angegeben hat. Dafür konnte er in der mündlichen Verhandlung keine plausible Erklärung geben. Die Angabe, das er zum damaligen Zeitpunkt zu gestresst gewesen sei, kann nicht überzeugen. Zudem kann nicht nachvollzogen werden, dass angeblich der Eigentümer des verbrannten Autos den Kläger im gesamten Gebiet der Elfenbeinküste verfolgt habe. Dazu hätte er erhebliche finanzielle Mittel und einen logistischen Aufwand betreiben müssen, der außer Verhältnis zum erstrebten Erfolg gestanden wäre. Diesem Mann musste klar gewesen sein, dass der Kläger die verlangte Schadenersatzsumme niemals aufbringen konnte. Es ist unwahrscheinlich, dass er dennoch einen solchen Aufwand geleistet hat.
Aber selbst wenn der Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Verfolgungsgeschichte als wahr unterstellt würde, könnte dies zu keiner Schutzgewährung führen.
Soweit der Kläger vorträgt, er befürchte bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste von dem Besitzer des verbrannten Autos weiterhin verfolgt zu werden, kann dies keinen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen. Diesbezüglich könnte er in seinem Heimatland den Schutz der ivorischen Sicherheitsbehörden in Anspruch nehmen. Denn ein Ausländer ist nicht subsidiär schutzberechtigt, wenn er im Heimatland wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor der Bedrohung finden kann, § 4 Abs. 3, § 3e Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3d Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass er sich nicht an die ivorische Polizei wenden könne. In den Erkenntnismittel sind weder Aussagen darüber auffindbar, dass die ivorische Polizei bei ihren polizeilichen Ermittlungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit menschenrechtswidrig vorgehen würde, noch sind auch in den aktuellsten Erkenntnismitteln Aussagen darüber enthalten, dass die ivorische Polizei nicht Willens oder in der Lage wäre, die Zivilpersonen zu schützen (vgl.: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d‘ Ivoire, vom Januar 2018; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Elfenbeinküste, Gesamtaktualisierung am 30.3.2018; Bertelsmann Stiftung 2018: Country Report – Côte d’Ivoire; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat; Human Rights Watch: World Report 2018 vom 18.1.2018). Es wird nur erwähnt, dass die Sicherheitskräfte zeitweise daran scheitern, gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren, insbesondere während interkommunaler Auseinandersetzungen über Grundbesitz. Von der Versagung von Schutz bei individueller konkreter Bedrohung wird allerdings nicht gesprochen. So ist es nicht ausreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr eine menschenrechtswidrige Behandlung durch die ivorische Polizei drohen oder ihm Schutz versagt werden würde.
Darüber hinaus scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes auch wegen des Vorrangs der internen Fluchtalternative aus. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn für ihn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die ivorischen Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Sie haben dort, zumindest als junger gesunder Mann, grundsätzlich die Möglichkeit, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Beim Kläger sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die dem widersprechen würden, so dass er in anderen Landesteilen von den Nachstellungen des ehemaligen Autobesitzers sicher wäre. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Mann dem Kläger nach seiner Rückkehr ausfindig machen könnte und ihn auch in den entlegenen Landesteilen verfolgen würde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 – juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG scheidet aus.
Der Kläger ist ein gesunder junger Mann, der in der Lage ist, in seinem Heimatland auch ohne familiäre Unterstützung ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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