Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines staatenlosen Palästinensers aus den Autonomiegebieten

Aktenzeichen  M 17 K 17.38250

Datum:
6.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Schutzsuchende muss die tatsächlichen Grundlagen für eine Schutzgewährung, insbesondere ein Verfolgungsschicksal und eine (noch) anhaltende Gefährdungssituation darlegen und seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung unter Angaben genauer Einzelheiten und in sich stimmig schildern. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. In den Palästinensischen Autonomiegebieten ist die humanitäre Lage nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. (Rn. 52 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für arbeitsfähige, gesunde junge Männer besteht in den Palästinensischen Autonomiegebieten keine extreme Gefahrenlage. (Rn. 54 – 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen war. Denn in der form- und fristgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 31. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Er hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung eines subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Auch ein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das dreißig-monatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden.
Zur Begründung wird auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend hierzu wird ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
1.1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe werden in § 3b AsylG einer näheren Begriffsbestimmung zugeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (ebenso wie bei der des subsidiären Schutzes, s.u.) in Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK („real risk“) der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen, wie er vormals auch in Art. 2 Buchst. c) RL 2004/83/EG enthalten war und nunmehr in Art. 2 Buchst. d) RL 2011/95/EU in der Umschreibung „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ zu Grunde liegt (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 – 10 C 7.11 – juris). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – juris).
Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gem. Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. Vorgeschädigten wird in Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU (sowohl für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz als auch für die Gewährung subsidiären Schutzes) eine tatsächliche (aber im Einzelfall widerlegbare) Vermutung normiert, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden, sofern ein innerer Zusammenhang zwischen der erlittenen Verfolgung bzw. dem erlittenen Schaden und der befürchteten Verfolgung bzw. dem befürchteten Schaden besteht. Dadurch wird der Vorverfolgte / Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (BVerwG, U.v. 07.09.2010 – 10 C 11.09 – juris; BVerwG, U.v. 27.04.2010 – 10 C 5.09 – juris).
1.2. Diese Anforderungen zugrunde gelegt, kann dem Vorbringen des Klägers weder mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnommen werden, dass er zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren in den Palästinensischen Autonomiegebieten aus asylrelevanten Gründen verfolgt worden ist, noch dass er bei einer Rückkehr in die Palästinensischen Autonomiegebiete mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von diesen verfolgt werden würde.
1.2.1. Der Kläger selbst hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Juli 2016 zu seinen Asylgründen laut Niederschrift vorgetragen, dass die wirtschaftlichen Umstände im Gazastreifen sehr schlecht gewesen seien und er vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sei. Er sei häufig von Mitgliedern der Hamas angesprochen worden, ob er für sie arbeiten möchte. Er sei geflüchtet, um das alles hinter sich zu lassen. Der Kampf um die Macht zwischen Hamas und Fatah würde das Leben für die Bevölkerung noch schwieriger machen. Im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion würde er befragt werden, warum er das Land verlassen habe. Er würde vernommen werden, und sie würden wieder von ihm fordern, sich ihnen anzuschließen.
Weder die allgemein schwierige wirtschaftliche Situation in den Palästinensischen Autonomiegebieten noch der pauschale Hinweis auf die dort angespannte Sicherheitslage oder die Aufforderung von Mitgliedern der Hamas, für sie zu arbeiten, begründen aber eine Verfolgung. Nach seinem eigenen Vortrag während seiner Anhörung vor dem Bundesamt befindet sich der Kläger daher nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
Unterstellt, der Gazastreifen ist – obwohl ein neuer Palästinenserstaat noch nicht entstanden ist – als autonomes staatsfreies, jedoch „staatsähnliches“ Gebiet anzusehen, in dem die Hamas das Gewaltmonopol besitzt und in dem der Hamas asylerhebliche Verfolgungsfähigkeit hinsichtlich der in ihrem Gebiet aufhältigen Bevölkerung beizumessen ist (vgl. dazu VG Hannover, U.v. 11.01.2011 – 7 A 4031710; OVG Nds, U.v. 26.01.2012 – 11 LB 97/11 – juris), so führt auch dies vorliegend nicht zu einem Flüchtlingsanspruch des Klägers, da die in der Anhörung vor dem Bundesamt geschilderte Bedrohungssituation der Hamas schon nicht die Intensität von Verfolgungshandlungen nach § 3a AsylG erreicht.
So gab der Kläger während der seiner Anhörung vor dem Bundesamt laut Niederschrift vom 26. Juli 2016 an, von Mitglieder der Hamas oft angesprochen worden zu sein, ob er für sie arbeiten möchte. Er sei geflüchtet, um das alles hinter sich zu lassen. Die Frage, ob ihm einmal etwas zugestoßen, er angegriffen oder bedroht worden sei, beantwortete der Kläger mit „Nein“. Die Behörden würden ihnen oft das Leben sehr „schwierig“ machen.
Damit sind aus dem Vortrag des Klägers keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass zum Zeitpunkt seiner Ausreise eine unmittelbar drohende Verfolgung im Herkunftsland bestanden hat. Eine Gefährdung, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Kläger für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell habe rechnen müssen, lag nicht vor (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 24.08 -juris.). Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt keine konkreten Umstände benannt, die eine derart verdichtete Bedrohungslage beachtlich wahrscheinlich erscheinen ließen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, politisch aktiv gewesen zu sein und sich gegen die Hamas engagiert oder öffentlich Kritik gegen sie geäußert zu haben. Eine unmittelbar drohende Verfolgung bei seiner Ausreise kann dem Kläger daher insgesamt nicht geglaubt werden. Vielmehr ist es naheliegend, dass er ausreiste, weil er keine wirtschaftliche Zukunftsperspektive für sich sah. Dies reicht für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus.
1.2.2. Sein nunmehriger Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er sei durch Mitglieder der Hamas bedroht und entführt worden, ist genauso wenig glaubhaft wie sein Vorbringen, er werde von den Angehörigen seiner Freundin wegen seines außerehelichen Geschlechtsverkehrs verfolgt und mit dem Tode bedroht.
Es ist Sache des jeweiligen Schutzsuchenden darzulegen, dass in seinem Falle die tatsächlichen Grundlagen für eine Schutzgewährung, insbesondere also ein Verfolgungsschicksal und eine (noch) anhaltende Gefährdungssituation gegeben sind. Eine Glaubhaftmachung derjenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, erfordert insoweit einen substantiierten, im Wesentlichen widerspruchsfreien und nicht wechselnden Tatsachenvortrag, der geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, und der auch mit den objektiven Umständen in Einklang zu bringen ist. Der Asylsuchende hat seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig zu schildern (BVerwG, B.v. 10.5.1994 – 9 C 434.93 – NVwZ 1994, 1123 f., B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – InfAuslR 1990, 38 ff.; OVG NW, B.v. 22.6.1982 – 18 A 10375/81).
Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nach erlittenen Verfolgungsmaßnahmen ein derartiges Ereignis, bei dem sie sich in erheblicher Lebensgefahr befunden hätte und das sich deshalb ihrer Erinnerung hätte einprägen müssen, nicht angegeben, was dafür spricht, dass ein solches Ereignis auch tatsächlich nicht stattgefunden hat.
Zudem konnte der Kläger nicht plausibel und glaubhaft darlegen, aus welchen Gründen er die vermeintliche Verfolgung durch Mitglieder der Hamas und die Bedrohung durch die Familienangehöriger seiner Freundin nicht bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen hat.
Soweit er ausführte, dass er sich einem sehr starken psychischen Druck ausgesetzt gesehen und keinen Mut und keine Kraft mehr gehabt habe, sein vollständiges Verfolgungsschicksal zu schildern, als er an die Situation in seinem Heimatland gedacht habe, ist dies nicht glaubhaft.
Dem Kläger wurde ausweislich der Niederschrift zu Beginn seiner Anhörung vor dem Bundesamt die Bedeutung der Anhörung erläutert. Er gab auch an, sich gesundheitlich in der Lage zu fühlen, die Anhörung durchzuführen. Zudem verneinte er die am Ende der Anhörung gestellte Frage, ob er dem Asylantrag noch etwas hinzuzufügen habe. Auch ärztliche Atteste oder Bescheinigungen, die eine psychische Belastung des Klägers bescheinigen würden, legte er nicht vor. In der mündlichen Verhandlung gab er ferner an, sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Dass er sich aufgrund eines sehr starken psychischen Drucks nicht in der Lage gesehen habe, sein vollständiges Verfolgungsschicksal zu schildern, ist auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnen hat, nicht glaubhaft. Dort machte er während seiner informatorischen Anhörung einen ruhigen, gefassten und abgeklärten Eindruck. Auch der protokollierte Inhalt der Antworten bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt, wonach er ein Leben in seinem Heimatland überwiegend zwar als schwierig, aber ohne persönlichen Angriff oder Bedrohung schilderte, lassen den Vortrag des Klägers, er habe keinen Mut und keine Kraft mehr gehabt, sein persönliches Verfolgungsschicksal zu schildern, nicht als nachvollziehbar erscheinen. Zudem ist auch nicht plausibel, dass der Kläger in seiner mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. Juli 2017 übersandten Stellungnahme mit keinem Wort die angeblichen Entführungen durch die Mitglieder der Hamas erwähnte, obwohl er im Rahmen seines schriftlichen Vortrags der psychischen Belastung einer Anhörungssituation nicht ausgesetzt war in diesem Zusammenhang auch weitere vermeintliche Bedrohungen, z.B. durch die Familie seiner Freundin, vortragen konnte.
Auch wenn es zutreffen sollte, dass es bei der Anhörung beim Bundesamt gewisse Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gegeben habe, vermag dies nicht die völlig veränderten Angaben des Klägers zu seinen Ausreisemotiven aus dem Gazastreifen im gerichtlichen Verfahren zu erklären. Es ist für das Gericht schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass die im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Umstände der Bedrohung des Klägers sich so zugetragen haben und der Kläger dies in keiner Weise in der Anhörung bei dem Bundesamt eingebracht hat.
Der klägerische Vortrag ist aber auch in wesentlichen Passagen widersprüchlich und damit auch deshalb nicht glaubhaft.
Bereits die Schilderung des zeitlichen Ablaufs der Bedrohungsszenarien, die den Kläger zur Ausreise aus dem Gazastreifen veranlasst haben soll, ist widersprüchlich. Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst mitteilte, dass sich der letzte Angriff der Mitglieder der Hamas auf den Kläger ca. zwei Monate vor seiner Ausreise ereignet haben soll, schilderte er später, dass er in den letzten fünf Monaten vor seiner Ausreise unbehelligt bei einem Freund in Gaza-Stadt habe untertauchen können. Dort hätten ihn weder die Familie der Freundin noch die Mitglieder der Hamas, die ihm nachgestellt hätten, gefunden. Zudem ist nicht plausibel, wie der Kläger trotz verbundener Augen erkannt haben will, dass er von seinen vermeintlichen Entführern zu deren Büro gebracht worden sei. Später vermutete er, dass er in einem Trainingslager untergebracht gewesen sei, da er Stimmen und militärische Parolen gehört habe.
Widersprüchlich sind zudem die klägerischen Angaben über die Funktionen der Angehörigen seiner Freundin. Während der Kläger in seiner Stellungnahme, die mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29. Juni 2017 dem Gericht übersandt wurde, erklärte, die Angehörigen seiner Freundin seien Mitglieder der Hamas-Fraktion gewesen, trug er in der mündlichen Verhandlung vor, dass der Vater seiner Freundin Kontakt zu vielen hochrangigen Hamas-Angehörigen in ihrem Stadtteil gehabt habe. Auf Nachfrage seiner Bevollmächtigten bestätigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass die Angehörigen nicht selbst Mitglieder der Hamas gewesen seien.
In Gesamtschau des Sachvortrags und dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vermochte es der Kläger damit nicht glaubhaft darzulegen, dass er vor seiner Ausreise aus Palästinensischen Autonomiegebieten einer Verfolgung oder Gefahren durch Mitglieder der Hamas oder Angehöriger der Familie seiner Freundin ausgesetzt war und ihm im Fall der Rückkehr aus eben diesen Gründen Schaden droht.
1.2.3. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass für den Kläger im Hinblick auf seine individuellen Umstände gemäß § 3e Abs. 1 AsylG, Art. 8 Abs. 1 QualRL eine sogenannte interne Schutzalternative innerhalb des Palästinensischen Autonomiegebiets (z.B. Gaza-Stadt oder im Westjordanland) besteht. So führte er selbst in der mündlichen Verhandlung aus, dass er in den letzten fünf Monaten vor seiner Ausreise unbehelligt bei einem Freund in Gaza-Stadt habe untertauchen können. Dort habe ihn weder die Familie der Freundin noch die Mitglieder der Hamas, die ihm nachgestellt hätten gefunden. Die Gefahr, dass der Kläger bei einer Rückkehr an einem anderen Ort im Gazastreifen oder im Westjordanland aufgespürt werden könnte, ist damit nicht beachtlich wahrscheinlich. Dem Kläger ist es auch zumutbar, sich in Gaza-Stadt, wo Freunde des Klägers wohnen, oder Westjordanland niederzulassen.
2. Das Bundesamt hat im Hinblick darauf auch zu Recht die Zuerkennung subsidiä-ren Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.1. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht, hat dieser nicht glaubhaft vorgebracht (vgl. unter 1.).
2.2. Auch besteht für den Kläger als Zivilperson keine ernsthafte und individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
2.1. Ein internationaler Konflikt liegt gemäß den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 vor, wenn an ihm zwei oder mehr Staaten beteiligt sind, die gegeneinander Waffengewalt einsetzen. Von einem innerstaatlichen Konflikt ist nach den o.g. völkerrechtlichen Regelungen die Rede, wenn nicht zwei Staaten gegeneinander, sondern ein Staat auf seinem Staatsgebiet kämpft, etwa weil sein Gewaltmonopol bedroht wird und er im Innern um Souveränität ringt. Allerdings ist die Schwelle eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erst ab einer gewissen Intensität erreicht. Nicht erfasst sind nach dem Zusatzprotokoll II innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen (BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07, NVwZ 2008, 1241/1244; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 -NVwZ 2011, 56/58).
Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht in den Palästinensischen Autonomiegebieten jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr).
Die insoweit vorrangig in Betracht kommenden Auseinandersetzungen zwischen der den Gazastreifen dominierenden Hamas sowie gemäßigteren Palästinensischen Organisationen, insbesondere der Fatah sind jedenfalls im Gazastreifen nach Ab-schluss des Versöhnungsabkommens (vgl. dazu etwa, FR v. 14.5.2011, SZ v. 29.4.2011, ICG v. 20.7.2011 sowie „Die Zeit (online)“ v. 25.11.2011) weitgehend eingestellt (so bereits OVG Nds, U.v. 26.1.2012 – 11 LB 97/11 – juris); im Juni 2014 einigten sich Fatah, Hamas und weitere Palästinensische Fraktionen auf eine nationale Einheitsregierung aus parteiungebundenen Ministern (VG Düsseldorf, U.v. 12.4.2016 – 17 K 5235/15.A – juris; FAZ v. 8.12.2015; amnesty international report 2015 Palästina, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/pa-laestina). Angesichts der fort dauernden Annäherung zwischen Hamas und Fatah ist insoweit jedenfalls auch keine Verschlechterung der Lage absehbar.
Ob die nach dem Ende der Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Operation Protective Edge) am 26. August 2014 latent fortbestehenden, in ihrem Ausmaß nunmehr schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel, und der Hamas als faktische Machthaber im Gazastreifen die Anforderungen eines internationalen Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (bzw. des Art. 15 c Qualifikationsrichtlinie/Art. 1 Nrn. 3 und 4 ZP I) erfüllen, kann offenbleiben. Jedenfalls fehlt es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an der zusätzlich erforderlichen Gefahrendichte.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf eine individuelle Gefahr für den Kläger. Zwar kann sich eine von einem – hier unterstellten internationalen – bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell in der Person eines Ausländers verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG erfüllen, also für ihn eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG darstellen. Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Kläger von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z.B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Kläger als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte -etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10C 13/10 – juris Rn. 18, m. w. N., sowie U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – juris Rn. 33). In jedem Fall setzt § 4 Abs. 1 AsylG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr aber voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Hieran mangelt es vorliegend. Dass er als Taxifahrer einer besonderen Verfolgung ausgesetzt sein werde, ist weder ersichtlich noch wurde dies vom Kläger selbst vorgetragen.
Fehlen daher individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, so kann ausnahmsweise für ihn gleichwohl eine außergewöhnliche Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dazu ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – a. a. O., Rn. 33, sowie U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris, Leitsatz 1b). Zur Feststellung einer solchen Ausnahmesituation ist wiederum ebenso wie für die Folgen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits (BVerwG, B.v. 02.01.2012 – 10 B 43/11 – juris Rn. 4) und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Zahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich, die auch die medizinische Versorgungslage einschließt. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – a. a. O., Rn. 33, m. w. N.). Die Lage in den Palästinensischen Autonomiegebieten ist insbesondere auch durch die laufend aktualisierten Angaben der dort tätigen Unterorganisationen der Vereinten Nationen, insbesondere der OCHAoPT, sowie des „Palestinian Center for Human Rights“ außerordentlich gut dokumentiert, umfasst etwa eine einzelfallbezogene Analyse von Todes- und Verletzungsfällen, so dass weder ein nennenswertes Dunkelzifferrisiko noch die Problematik besteht, nicht verlässlich zwischen der Gewaltanwendung gegenüber Kombattanten und Zivilisten unterscheiden zu können oder sog. Kollateralschäden einschließlich erheblicher psychischer Verletzungen in Folge des – unterstellten – bewaffneten Konflikts zu übersehen. Danach liegt – wie folgend im Einzelnen dargelegt wird – im Gazastreifen nicht die erforderliche Gefahrendichte vor (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 17.11.2011, a. a. O., Rn. 16, m. w. N.: ein Verhältnis von 1: 800 reicht nicht annähernd aus, U.v. 17.11.2011 – 1 0 C 11/10 – Rn. 20 f., zu einem Verhältnis von 1: 1.000).
Nach den dem Gericht vorliegenden Zahlen (OCHAoPT, Protection of Civilians Weekly Report, zuletzt: 30. Mai bis 12. Juni 2017; www.ochaopt.org) sind die Todesfälle von Palästinensern durch israelische Streitkräfte im Gazastreifen bedingt durch die unbefristete Waffenruhe am 26. August 2014 bereits im Jahr 2015 erheblich zurückgegangen. 2014 waren im Gazastreifen insgesamt noch 2.256 Todesfälle, davon (allein im Zeitraum vom Juli bis August) 1.492 Zivilisten zu verzeichnen gewesen; für das Jahr 2015 wird von 25 Todesfällen, für das Jahr 2016 von 8 Todesfällen und im Jahr 2017 (bis 12. Juni) von 2 Todesfällen berichtet. Die Zahl der Verletzten betrug 2014 im Gazastreifen 11.097 Personen, im Jahr 2015 1.375 Personen, im Jahr 2016 178 Personen und im Jahr 2017 (bis 12. Juni) 26 Personen.
Eine gravierende Verschlechterung der Lage zeichnet sich nicht ab. Insbesondere ist nicht konkret abzusehen, dass israelische Truppen in einer Großoperation erneut -wie zuletzt vom Juli bis August 2014 – den Gazastreifen angreifen oder ihn gar besetzen werden; dass eine solche Verschärfung der Lage nicht gänzlich auszuschließen ist, reicht hingegen nicht aus. Setzt man die Zahlen für das Jahr 2016 und 2017 (hochgerechnet für das gesamte Jahr) ins Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung von etwa 1,8 – 1,9 Millionen im Gazastreifen und berücksichtigt man weiterhin, dass die Gefahr, Opfer von israelischen (Gegen) Angriffen zu werden, außerhalb der unmittelbaren Grenznähe und militärisch genutzter Ziele angesichts der geringen Größe des Gazastreifens zwar nicht ausgeschlossen, aber doch geringer ist, so fehlt es bei einem Verhältnis von deutlich weniger als 0,1% im Jahr auseinandersetzungsbedingt getöteten oder verletzten Zivilisten ersichtlich an der erforderlichen Dichte der willkürlichen Übergriffe für jeden dort Lebenden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung bedarf. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens – wie hier – weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermöge sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken. Zudem sei die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich (U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 23; 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 7 m.w.N.).
2.3. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor.
Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und dem nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16f.).
2.3.1. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit. Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
In den Palästinensischen Autonomiegebieten ist die allgemeine bzw. humanitäre Lage aber nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. Für das Vorliegen eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG wurde nichts vorgetragen und ist auch in Bezug auf den Kläger als arbeitsfähigen, gesunden jungen Mann unter den in den Palästinensischen Autonomiegebieten derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen nichts ersichtlich (vgl. zur Reichweite der Schutznorm des § 60 Abs. 5 AufenthG BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 und die darin zit. obergerichtliche Rspr.).
2.3.2. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor.
Die allgemeine Gefahr in den Palästinensischen Autonomiegebieten hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssten nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Wei se ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Ausreise in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann, der Ausländer somit gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – juris Rn. 15).
Arbeitsfähige, gesunde junge Männer sind auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass für alleinstehende männliche Staatsangehörige keine extreme Gefahrenlage besteht. Im Hinblick auf eine mögliche Eigenexistenzsicherung hat der Kläger die hierfür erforderliche Leistungsfähigkeit eines gesunden jungen Mannes. Die Chancen des Klägers im Verdrängungskampf um die knappen Arbeitsmarktressourcen sind zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt als nicht aussichtslos im Vergleich bei der derzeitigen Konkurrenzsituation einzuschätzen. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kläger ein Existenzminimum selbst erwirtschaften kann.
So gab er an, die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und anschließend an der Universität das Studienfach „Schöne Künste“ studiert zu haben. Danach habe er seinen Lebensunterhalt mit Taxifahren verdient. Zudem leben nach eigenen Angaben des Klägers seine Eltern und seine sieben Geschwister im Heimatland. Es ist mithin davon auszugehen, dass er auf das soziale Netz seiner Familie bzw. Großfamilie in den Palästinensischen Autonomiegebieten zurückgreifen kann. Auch die Klägerbevollmächtigte erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass es dem Kläger in seinem Heimatland wirtschaftlich nicht schlecht gegangen sei. Dies zeige sich dadurch, dass er studiert habe, taxigefahren sei und auch die Ausreise in Höhe von 6.000 $ mittels Freunden und Familie habe organisieren können. Daraus folge, dass der Kläger nicht aus allein wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sei.
Nach alledem ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland in der Lage wäre, jedenfalls durch Gelegenheitsjobs in den Palästinensischen Autonomiegebieten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Somit kann von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ausgegangen werden.
3. Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig.
4. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Nr. 5 des Bescheids vom 31. März 2017 keinen rechtlichen Bedenken. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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