Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage (Irak, Yeziden)

Aktenzeichen  M 4 K 19.34309

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37343
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 26 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Alleine aufgrund der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden sind in der Provinz Ninawa keine Verfolgungsmaßnahmen (mehr) zu befürchten. (Rn. 28 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestehen keine stichhaltige Gründe für die Annahme, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak bzw. die Provinz Ninawa allein durch ihre dortige Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, auch wenn sie der jezidischen Glaubensgemeinschaft angehört. (Rn. 53 – 62) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört (§ 84 Abs. 1 VwGO).
I. Die Klage ist abzuweisen. Die Kläger haben keinen Anspruch, die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, sie als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG anzuerkennen, ihnen den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen bzw. zu ihren Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Der Bescheid des Bundesamts vom 22. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach der Vorschrift des § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Verfolgung wegen eines der in ihr benannten Merkmale kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unterbleibt gemäß § 3e AsylG, wenn die Möglichkeit internen Schutzes besteht.
Dabei ist für die Feststellung, ob eine Verfolgung im Verständnis von §§ 3 ff. AsylG vorliegt, die RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, insbesondere deren Art. 4 Abs. 4 ergänzend heranzuziehen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG). Nach Art. 4 Abs. 4 der vorgenannten Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird.
Dies zugrunde legend steht den Klägern kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zu. Die Kläger befinden sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftslandes. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 77 Abs. 2 AsylG vollinhaltlich auf die entsprechenden Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 2019 verwiesen. Im Ergebnis zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass sich auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers eine begründete Verfolgungsfurcht im Verständnis von § 3 Abs. 1 AsylG nicht feststellen lässt. Die Kläger haben ihre Klage im gerichtlichen Verfahren nicht begründet.
Nach diesen Maßgaben ist eine flüchtlingsrelevante Verfolgung der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ist nicht beachtlich wahrscheinlich.
1.1. Die Kläger sind nicht vorverfolgt ausgereist.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus dem Irak im Mai 2019 in einer ausweglosen Lage befunden haben, weil sie in ihrem Herkunftsland Rechtsverletzungen von flüchtlingsrechtlich relevanter Intensität durch den Islamischen Staat ausgesetzt gewesen wären bzw. ihnen solche absehbar bevorgestanden hätten, sind ihrem Vorbringen schon nicht zu entnehmen.
1.1.1. Ein individuelles Verfolgungsschicksal haben die Kläger nicht geschildert. Sie haben sich vielmehr allgemein auf eine Verfolgung der Yeziden durch den Islamischen Staat und eine diesbezügliche Furcht berufen.
1.1.2. Allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden mussten die Kläger vor ihrer Ausreise aus dem Irak keine Verfolgungsmaßnahmen befürchten.
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in eine nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Eine solche Gefahr kann auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Erforderlich ist eine alle Gruppenmitglieder erfassende gruppengerichtete Verfolgung, die – abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms – eine bestimmte Verfolgungsdichte voraussetzt, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich erhebliche Merkmale treffen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11.08 – juris; OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris).
Nach diesen Maßstäben ist nicht anzunehmen, dass die Kläger im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus dem Irak im Mai 2019 als yezidische Religionsangehörige von einer Gruppenverfolgung durch den Islamischen Staat betroffen waren.
Zwar hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass Yeziden in ihren traditionellen Siedlungsgebieten des Nordirak seit Sommer 2014 durch den Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat systematischer Verfolgung allein wegen ihres Glaubens ausgesetzt waren, vor der sie weder hinreichenden Schutz von Seiten des irakischen Staates noch seitens schutzbereiter Organisationen erhalten konnten. Im Rahmen der gezielten Verfolgung von yezidischen Glaubenszugehörigen durch den Islamischen Staat wurden zwischen 30.000 und 40.000 Yeziden aus ihrem Stammland um … vertrieben. Tausende Yeziden wurden im Rahmen des Vormarsches des Islamischen Staates in ihren Dörfern in der Provinz … getötet oder gefangengenommen. Es kam zu Zwangskonversion, Massenvertreibungen und -hinrichtungen sowie Verschleppungen und sexueller Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder (vgl. zu Vorstehendem, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12.2.2018).
Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Yeziden seit Übernahme der territorialen Herrschaft des Islamischen Staates in weiten Teilen der Provinz … im Sommer 2014 maßgeblichen Umstände haben sich indes seitdem grundlegend geändert. Der Islamische Staat hat sein Herrschaftsgebiet zwischenzeitlich im gesamten Irak nahezu vollständig eingebüßt. Die von ihm kontrollierten Gebiete wurden nach und nach durch irakische Sicherheitskräfte und kurdische Peschmerga befreit. Ende 2017 hat der Islamische Staat das letzte Stück irakischen Territoriums verloren. Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich seitdem verbessert (Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak v. 2.3.2020, 12.1.2019, v. 18.2.2016, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak v. 17.3.2020, sowie Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Irak, Jesiden in der Provinz Ninawa, vom 11.2.2019).
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass mit dem territorialen Sieg über den Islamischen Staat nicht sämtliche Anhänger aus dessen ehemaligem Herrschaftsgebiet verschwunden sind und der Islamische Staat im Irak trotz seiner territorialen Zurückdrängung auch weiterhin aktiv ist, fehlt diesem doch mit der Rückeroberung der von ihm besetzten Gebiete eine quasi-staatliche Macht im Sinne des § 3c Nr. 2 AsylG, die Grundlage der von ihm ausgehenden systematischen Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Andersgläubigen und -denkenden war (im Ergebnis ebenso OVG Münster, U. v. 12.10.2021 – 9 A 549/18.A – juris; U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris; OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2021 – 9 LB 129/19 – juris).
Seit dem Verlust seiner territorialen Herrschaftsmacht ist der Islamische Staat zu einer asymmetrischen Kampfführung übergegangen und verübt aus dem Untergrund heraus landesweit Anschläge, die zu Toten und Verletzten führen. Den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen lassen sich indes keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass diese Anschläge gezielt die yezidischen Glaubensangehörigen treffen sollen. Die terroristischen Angriffe des Islamischen Staates richten sich vielmehr vor allem gegen Regierungsziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, v. 17.3.2020 und v. 3.3.2021; ebenso OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris, wonach sich der Kampf des Islamischen Staates derzeit schwerpunktmäßig gegen Sicherheitskräfte richte und weniger gegen Zivilpersonen, und dass die Provinz … aktuell kein Hauptziel von Anschlägen sei, sondern vom Islamischen Staat vielmehr als „Nachschubroute“ genutzt werde).
1.2. Bei einer Rückkehr in den Irak müssen die Kläger eine systematische Verfolgung als Yeziden durch den Islamischen Staat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten. Eine individuell befürchtete Verfolgung haben sie nicht geltend gemacht.
Es ist für die Kammer nicht zu erkennen, dass der Islamische Staat in absehbarer Zeit zu einer (erneuten) Gruppenverfolgung der Yeziden in der Lage wäre. Zwar gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der inzwischen strukturell veränderte Islamische Staat wieder an Stärke gewinnt und seinen Machtbereich ausweitet (vgl. dazu etwa EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Sicherheitslage, Oktober 2020).
Um dem zu begegnen und ein Wiedererstarken des Islamischen Staates zu verhindern, führen indes die irakischen Sicherheitskräfte, zum Teil mit Unterstützung durch die internationale Koalition, nach wie vor Militäroperationen gegen den Islamischen Staat durch. Zudem kämpfen auch andere bewaffnete Gruppen, insbesondere die Volksmobilisierungseinheiten, in der Provinz … gegen den Islamischen Staat. Um die Lage weiterhin zu stabilisieren, sind in Umsetzung des Abkommens zwischen der kurdischen Regionalregierung und der irakischen Zentralregierung zur Normalisierung der Lage im Distrikt … in der Provinz … außerdem bereits im November 2020 mindestens drei Brigaden der irakischen Sicherheitskräfte in diesem Distrikt stationiert worden (vgl. zu Vorstehendem EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Sicherheitslage, v. Oktober 2020).
Angesichts dieser erkennbaren Bemühungen, die Sicherheitslage in der Region zu verbessern, ist nicht davon auszugehen, dass der Islamische Staat zeitnah in der Lage wäre, in der Provinz … als der Herkunftsregion der Kläger erneut eine Machtstruktur zu errichten, die es ihm ermöglichen würde, yezidische Glaubenszugehörige mit systematischen Verfolgungsmaßnahmen zu überziehen (vgl. ebenso OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2021 – 9 LB 129/19 – juris; OVG Münster, U.v. 1.05.2021 – 9 A 570/20.A -, wonach selbst bei Annahme einer Vorverfolgung stichhaltige Gründe gegen eine (erneute) Gruppenverfolgungssituation der Yeziden sprächen).
1.3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf abgeleiteten Familienflüchtlingsschutz gemäß § 26 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 AsylG.
1.3.1. Abgeleiteter Familienflüchtlingsschutz von ihrer in Deutschland als Flüchtling anerkannten Mutter gemäß § 26 Abs. 2, Abs. 5 AsylG steht den Klägern nicht zu. Ein Anspruch scheitert an § 26 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 AsylG. Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts wird verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
1.3.2. Die Kläger können auch keinen Flüchtlingsschutz von ihrem im Deutschland als Flüchtling anerkannten minderjährigen Bruder A. gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 AsylG ableiten, weil sie den Asylantrag nicht unverzüglich nach ihrer Einreise i.S.v. § 26 Abs. 3 Satz 2, Satz 1 Nr. 4 AsylG gestellt haben.
Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts wird verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine längere Frist rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Eltern diese Frist aus ihren jeweiligen Asylverfahren bekannt war bzw. gewesen sein musste.
Auch die Überlegungen von Blechinger, dass im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG für einen schriftlichen Asylantrag mit der Folge, dass die Verpflichtung, sich in einer Aufnahmeeinrichtung aufzuhalten, die Regelungen über die länderübergreifende Verteilung, die landesinterne Umverteilung und die Pflicht, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu leben, für den Asylantragsteller nicht gelten, bei einer Einreise des Ehegatten mit einem Visum zum Familiennachzug u.U. eine andere Betrachtung gerechtfertigt sein könnte (vgl. BeckOK MigR/Blechinger, 9. Ed. 1.5.2021, AsylG § 26 Rn. 34 ff, 40), rechtfertigen vorliegend keine andere Betrachtung. Denn die Kläger konnten als Minderjährige, deren gesetzlicher Vertreter nicht zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung ist, gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG ohnehin einen schriftlichen Asylantrag mit den genannten Vorteilen stellen, ohne erst einen Verlängerungsantrag bei der Ausländerbehörde auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von sechs Monaten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG) stellen zu müssen.
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts wird in vollem Umfang verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
3. Auch der hilfsweise Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bleibt ohne Erfolg.
Ein Ausländer ist nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG als subsidiär Schutzberechtigter anzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
3.1. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Irak als ernsthafter Schaden die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen würde, bestehen nicht.
3.2. Ebenso wenig hat die Kammer einen greifbaren Anhalt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die beachtliche Furcht vor einem ernsthaften Schaden wegen der beachtlichen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ergibt sich weder aus der yezidischen Glaubenszugehörigkeit der Kläger noch aus der schlechten humanitären Bedingungen in ihrer Herkunftsregion.
3.2.1. Insbesondere müssen die Kläger nicht allein aufgrund ihrer yezidischen Glaubenszugehörigkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten, da, wie dargelegt, nicht (mehr) von einer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz … auszugehen ist.
3.2.2. Ein ernsthafter Schaden im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht den Klägern aber auch nicht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in ihrer Herkunftsregion, weil es an einem Akteur im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG fehlt, von dem zielgerichtet eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ausgehen würde. Schlechte humanitäre Bedingungen, die nicht auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführen sind, können nicht zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, sondern allenfalls zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK führen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 juris; OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris; OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2021 – 9 LB 129/19 – juris).
Dass die schlechte humanitäre Lage in … auf Handlungen oder Unterlassungen des irakischen Staates zurückzuführen wäre, ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen indes nicht anzunehmen. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der irakische Staat den Wiederaufbau in der Provinz … bewusst verhindern oder verzögern würde, um die dortigen prekären Lebensbedingungen aufrechtzuerhalten. Vielmehr ist der schleppende Wiederaufbau in dieser Provinz maßgeblich auf die allgemein schwierige wirtschaftliche Lage im Irak, fehlende finanzielle Mittel sowie die instabilen politischen Verhältnisse in der Region zurückzuführen (ebenso OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A. – juris; OVG Lüneburg, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris).
Es bestehen nach den Erkenntnissen des Gerichts auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die gegenwärtige schlechte humanitäre Lage in der Provinz … maßgeblich vom Islamischen Staat als quasi-staatlicher Akteur im Sinne von § 3 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 2 AsylG zu verantworten wäre und diese Lage von ihm auch zielgerichtet weiter aufrechterhalten würde (ebenso OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A. – juris; OVG Lüneburg, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris).
3.3. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vor.
Dabei kann die Frage, ob im Irak oder zumindest in der Herkunftsprovinz der Kläger …, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, dahinstehen. Denn selbst für diesen Fall käme subsidiärer Schutz für die Kläger insoweit nur in Betracht, wenn der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hätte, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die von dem bewaffneten Konflikt betroffene Region allein durch ihre dortige Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – juris, v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris; ferner EuGH, U.v. 17.2.2009, C-465/07, InfAuslR 2009, 138).
Ein solch hoher Gefahrengrad lässt sich jedoch ungeachtet dessen, dass die Sicherheitslage im gesamten Irak volatil bleibt und es insbesondere auch in der Provinz … als der Herkunftsregion der Kläger weiterhin zu schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem Islamischen Staat und irakischen Sicherheitskräften kommt, von denen auch Zivilisten betroffen sind, vorliegend nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen (vgl. für die gesamte Provinz …: EASO, Country Guidance: Iraq – Common analysis and guidance note, Januar 2021, S. 149; im Ergebnis für den Distrikt Tel Kef, aus dem die Kläger stammen, ebenso: OVG Münster, U.v. 12.10.2021 – 9 A 549/18.A – juris Rn. 132; OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2021 – 9 LB – juris Rn. 123 ff.).
Zur Bestimmung der erforderlichen Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung bedarf es zunächst einer annäherungsweise quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos, auf deren Grundlage eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des schutzsuchenden Ausländers zu erfolgen hat. Der „quantitative“ Ansatz für die Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos zielt dabei nicht auf einen auf alle Konfliktlagen anzuwendenden „Gefahrenwert“ im Sinne einer zwingend zu beachtenden mathematisch-statistischen Mindestschwelle, sondern lässt durch das Erfordernis einer abschließenden Gesamtbetrachtung ausreichend Raum für qualitative Wertungen (BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – juris; ferner EuGH, U.v. 10.6.2021, C-901/19 – juris, wonach die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts nicht voraussetze, dass das Verhältnis der Zahl der Opfer in dem betreffenden Gebiet zur Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets eine bestimmte Schwelle erreiche, vielmehr eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere derjenigen, die die Situation des Herkunftslands des Schutzsuchenden kennzeichnen, erforderlich sei).
Ausgehend von diesem Maßstab ist zunächst festzustellen, dass nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen über die Jahre 2016 bis 2020 ein Rückgang der zivilen Opferzahlen aufgrund bewaffneter Auseinandersetzungen in der Provinz … zu verzeichnen ist. Den UNAMI-Daten über zivile Opfer im Zeitraum von 2014 bis 2018 zufolge waren dort 2016 insgesamt 2.791, 2017 insgesamt 2.611, 2018 hingegen lediglich noch 182 zivile Opfer zu verzeichnen. Im Jahr 2019 wurden von UNAMI insgesamt 174 und im Zeitraum von Januar bis Juli 2020 47 zivile Opfer im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten erfasst (vgl. zu den entsprechenden Zahlen der zivilen Opfer in der Provinz …, EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Irak: Sicherheitslage, Oktober 2020 und März 2019).
Ungeachtet dieses doch deutlichen Rückgangs an zivilen Opfern in der Provinz … in den Jahren 2018 bis 2020 ist die Zahl der zivilen Opfer in den zurückliegenden Jahren insgesamt zu gering, um die Annahme als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, dass der Grad willkürlicher Gewalt in der Provinz … ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben ausgesetzt wäre (vgl. dazu u.a. VG Gelsenkirchen, U.v. 4.3.2020 – 15a K 5013/18.A – juris, BayVGH, B.v. 16.10.2019 – 5 ZB 19.33239 – juris).
Dass aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der Provinz … eine andere Beurteilung veranlasst wäre, ist weder dargetan noch ansonsten erkennbar.
Auch liegen im Fall der Kläger keine besonderen individuellen Umstände vor, die bei ihnen auf eine größere persönliche Gefährdung schließen lassen würden als in der Provinz … allgemein üblich.
Ersichtlich gehören die Kläger nicht zu einer der im Irak besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppe wie etwa Journalisten, Blogger, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Staatsanwälte oder Mitarbeiter des Sicherheitsapparates.
Zudem sind die Kläger auch nicht allein wegen ihrer yezidischen Glaubenszugehörigkeit von willkürlicher Gewalt stärker betroffen als die sonstige Zivilbevölkerung in der Provinz … Nach der Verdrängung des Islamischen Staates aus der Region … bestehen keine Anhaltspunkte mehr für die Annahme, dass Yeziden gegenwärtig über die allgemein konfliktbedingte Gewalt hinaus zusätzlichen gezielten Gewaltakten durch den Islamischen Staat ausgesetzt wären (s.o.).
4. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines von den Klägern weiter hilfsweise geltend gemachten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht erfüllt.
4.1. Es ergibt sich für die Kläger kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, weil ihnen im Irak keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben würden, sind in Bezug auf den Kläger indes nicht feststellbar. Insbesondere droht dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Irak keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
4.1.1. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die Unzulässigkeit einer Abschiebung wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründet, geht dessen sachlicher Regelungsbereich nicht über denjenigen von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hinaus. Daher scheidet bei der Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – wie vorliegend – regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris).
4.1.2. Allerdings können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung, die nicht auf einen verantwortlichen Akteur im Sinne von § 3c AsylG zurückzuführen sind, in ganz außergewöhnlichen Fällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
Dies ist dann der Fall, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür ein Mindestmaß an Schwere aufweisen. Das insoweit für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere kann erreicht sein, wenn der Ausländer im Falle seiner Rückkehr seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Der Ausländer muss sich in einer Situation extremer materieller Not befinden, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.2.2021 – 1 C 4.20 – juris unter Hinweis auf EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 und C-163/17 juris; OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris).
Diese hohen Anforderungen sieht das Gericht im Fall der Kläger nicht als erfüllt an. Bei der gebotenen individuellen Betrachtung, für die davon auszugehen ist, dass die minderjährigen Kläger im Familienverbund mit ihren Eltern abgeschoben werden (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris), steht vielmehr zu erwarten, dass die Kläger im Falle einer Abschiebung ihre elementarsten Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft werden befriedigen können.
Nach den der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnissen kann der irakische Staat die Grundversorgung der Bevölkerung zwar nicht durchgehend und auch nicht in allen Landesteilen gewährleisten. Dabei ist die Versorgungslage in den angestammten Siedlungsgebieten der Yeziden, insbesondere auch in der Provinz … als der Herkunftsregion der Kläger, besonders prekär. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist unzureichend. Staatliche Lebensmittelgutscheine sind in den befreiten Gebieten nur eingeschränkt verfügbar. Es gibt kein fließendes Trinkwasser und keine geregelte Stromversorgung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Jesiden in der Provinz Ninawa, v. 11.2.2019; ACCORD, Lage in Mosul bzw. Provinz Ninawa: Sicherheitslage, v. 6.2.2019; ferner Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, v. 12.1.2019).
Die schwierige wirtschaftliche Situation und angespannte Versorgungslage insbesondere in der Region … begründen im Fall der Kläger dennoch nicht die Annahme eines ganz außergewöhnlichen Falles mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, der im Falle ihrer Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde. Insoweit ist nämlich zum einen maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich bei den Klägern nicht um Binnenflüchtlinge handelt, denen eine Rückkehr in ihren Heimatort nicht oder nur unter erheblichen Erschwernissen möglich wäre. Vielmehr war es den Klägern trotz der allgemein schwierigen Lebensumstände im Irak möglich, bis zu ihrer Ausreise im Mai 2019 in ihrem von dem Vormarsch des Islamischen Staates in der Provinz … ersichtlich verschont gebliebenen Heimatdorf gemeinsam mit weiteren Geschwistern in ihrem Elternhaus zu leben und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass sich die Kläger bei einer heutigen Rückkehr in einer existenzbedrohenden Situation wiederfinden würden, ist nicht anzunehmen. Zunächst ist davon auszugehen, dass sie nur im Familienverband mit ihren Eltern abgeschoben werden würden, die auch bisher nicht nur in der Lage waren, den Lebensunterhalt für die vielköpfige Familie zu sichern, sondern es auch bewerkstelligen konnten, bislang sieben ihrer elf Kinder und sich selbst die Ausreise nach Deutschland, teilweise mit Hilfe von Schleppern, teilweise auf dem Luftweg, zu finanzieren. Abgesehen davon befinden sich vier weitere Geschwister der Kläger noch im Irak und können die Kläger ggf. unterstützen, wie sie es bereits nach der Ausreise der Eltern der Kläger im Irak getan haben. Abgesehen davon haben die Kläger im Bundesgebiet einen Onkel und eine volljährige verheiratete Schwester, die sie ebenfalls finanziell im Irak unterstützen können. Darüber hinaus können sie für die Übergangszeit im Falle einer freiwilligen Rückkehr in den Irak bei Vorliegen der Voraussetzungen die Rückkehrhilfen des REAG/GARP-Programms sowie des Starthilfe-Plus-Programms in Anspruch nehmen, die ihnen eine Rückkehr erheblich vereinfachen dürften (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, v. 22.1.2021).
Dass es den Klägern bei diesen Gegebenheiten nicht gelingen sollte, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen und zumindest ihr Existenzminimum zu sichern, steht daher nicht zu erwarten.
3.2. Ein Abschiebungsverbot folgt auch nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine solche allgemeine Gefahrenlage, der die Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ebenso wie die Bevölkerung ihres Heimatlandes insgesamt oder zumindest einzelne Bevölkerungsteile ausgesetzt wären, kann nur dann ein zwingendes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, wenn es den Klägern mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbaren Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten wäre, in den Irak abgeschoben zu werden. Dies wäre der Fall, wenn die Kläger im Irak aufgrund der dortigen Existenzbedingungen einer Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wären, dass sie bei einer Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris, U.v. 8.9.2012 – 10 C 14.10 – juris).
Dass den Klägern für den Fall ihrer Abschiebung in den Irak aufgrund der dortigen Sicherheits- oder Versorgungslage keine derart extreme Gefährdungslage droht, ergibt sich indes bereits aus den obigen Darlegungen.
Die Klage war somit abzuweisen.
II. Die Kläger tragen als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben