Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage mangels Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals

Aktenzeichen  W 3 K 17.32115

Datum:
29.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25050
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Äthiopische Staatsangehörige, die Mitglied einer von der äthiopischen Regierung als terroristische Vereinigung eingestuften Organisation oder einer solchen Organisation nahestehenden Exilorganisation sind, und die ein Mindestmaß an exilpolitischer Tätigkeit aufweisen, sind bei einer Rückkehr nach Äthiopien auch dann einer ernstzunehmenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt, wenn sie sich nicht als tatsächlich ernstzunehmende Regimegegner, sondern lediglich als bloße Mitläufer erweisen.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I, S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I. S. 2780) zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) – QRL – (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 – II S. 685, 953) – EMRK – keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). In § 3b Abs. 1 AsylG werden die in § 3 Abs. 1 AsylG verwendeten Begriffe Rasse, Religion, Nationalität, Gruppe und politische Überzeugung näher definiert. Gemäß § 3c AsylG kann eine Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder unter bestimmten Voraussetzungen von nichtstaatlichen Akteuren. Demgegenüber kann gemäß § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geboten werden, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung nicht nur vorübergehender Art zu bieten. Auf dieser Grundlage wird gemäß § 3e AsylG dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Der Schutzsuchende muss sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U.v. 13.7.2015 – B 3 K 14.30344 – juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe der Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11; VGH Kassel, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – beide juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen (vgl. VG München, U.v. 31.3.2014 – M 25 K 13.31344 – juris). Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person (VG München, U.v. 20.12.2012 – M 15 K 12.30068 – juris). Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Grundsätzlich kann Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG nur derjenige beanspruchen, der bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu erwarten hat. Ein solcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 9 ZB 17.30027; VGH BW, U.v. 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – jeweils juris m.w.N.). Ist ein Schutzsuchender vorverfolgt ausgereist, ist dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Schutzsuchende erneut vor solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 QRL). Diese Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – NVwZ 2011, 51 (53)).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erfüllt das Vorbringen des Klägers nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts nicht vorverfolgt aus Äthiopien ausgereist. Ihm kommen daher die oben genannten Privilegien aus Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht aufgrund folgender Erwägungen:
Der Kläger trug im Rahmen der mündlichen Verhandlung – neben seinem Vortrag im behördlichen Verfahren – im Wesentlichen vor, er habe während seines Schulbesuchs der OLF geholfen und sei deshalb für 2 Jahre suspendiert worden. Am 30. April 2014 habe es eine große Demonstration in Robe gegeben, dort habe der Kläger teilgenommen. Am folgenden Tag sei er ins Gefängnis gekommen. Bei einer Durchsuchung seiner Taschen habe man Quittungen gefunden, auf denen ein Stempel sowie die Flagge der OLF zu sehen gewesen sei. Er sei geschlagen und schließlich krank geworden. Im Rahmen einer Zwangsarbeit habe er vorgegeben, zur Toilette zu müssen. Er sei auf den Knien gelaufen und habe sich versteckt. Er sei nach Saye gelaufen, dort hätten ihm Leute geholfen. Er habe die Telefonnummer seines Onkels auswendig gewusst und diesen angerufen. Der Onkel habe dem Kläger dann gesagt, er müsse das Land verlassen, eine andere Lösung sehe er nicht.
Das Gericht kann dem Kläger seinen Vortrag sowohl in Bezug auf sein Engagement für die OLF während seiner Schulzeit als auch in Bezug auf die Verhaftung und auf die Misshandlungen während des angeblichen Gefängnisaufenthaltes nicht glauben. Dies ergibt sich daraus, dass die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung oberflächlich und ohne die Nennung konkreter Details dargelegt wurden. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger einen tatsächlich selbst erlebten Sachverhalt schilderte.
Soweit der Kläger erklärte, bereits als Schüler die OLF unterstützt zu haben, konnte er auf Nachfrage des Gerichtes und der Beklagtenbevollmächtigten nicht darlegen, wie es zu dieser Unterstützung gekommen sein soll und wie der Kläger die OLF konkret als Schüler unterstützt haben will. Auch auf mehrmalige Nachfrage gab der Kläger lediglich allgemein an, für die Oromo zu kämpfen. Es gebe einen Vorsitzenden, der heiße U* … J* … Auf Frage, wie der Kontakt zu diesem Mann entstanden sei, gab der Kläger lediglich an, ihn getroffen zu haben und ihm gesagt zu haben, sie würden mit Geld helfen, aber nicht kämpfen. Auf weitere Nachfrage trug der Kläger vor, schon geholfen zu haben, als er angefangen habe, auf die Schule zu gehen. Auf Frage der Beklagtenbevollmächtigten, welche Ideen für den Kläger bei der Hilfe wichtig gewesen sein, trug dieser lediglich vor, Informationen weiterzugeben. Auch auf weitere Nachfragen konnte der Kläger zu keinem Zeitpunkt darlegen, welche konkreten Informationen er weitergegeben und über welche konkreten Fragestellungen er sich mit anderen ausgetauscht haben will. Aufgrund dieses Vortrags wird für das Gericht deutlich, dass der Kläger die OLF nicht in der von ihm behaupteten Art und Weise während seiner Schulzeit unterstützt hat. Es gelang ihm insbesondere nicht, darzulegen, wie und wann seine Unterstützung konkret angefangen haben soll.
Auch in Bezug auf die vom Kläger vorgetragene Teilnahme an einer Demonstration in Robe wird anhand des klägerischen Vortrages ersichtlich, dass der Kläger nicht an dieser Veranstaltung teilgenommen hat. Er trug auf konkrete Nachfragen nur einen allgemeinen Sachverhalt vor und konnte zu keinem Zeitpunkt darlegen, wie er der Polizei als Einzelperson aufgefallen sein will. Insbesondere wird nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Polizei den Kläger am nächsten Morgen aufgesucht und festgenommen haben will. Der Kläger hat keinen Sachverhalt dargelegt, bei dem er auf der Demonstration den Sicherheitskräften aufgefallen sein könnte.
Letztlich hat der Kläger auch den Aufenthalt im Gefängnis und die damit in Zusammenhang stehenden Misshandlungen nur oberflächlich und detailarm geschildert. Er legte nicht dar, wie die konkreten Handlungen im Gefängnis abgelaufen sein sollen; vielmehr schilderte er ohne die Nennung persönlicher Eindrücke und Erlebnisse pauschal, mit Strom und Metall geschlagen worden zu sein. Da auch der übrige Vortrag des Klägers in Bezug auf den Sachverhalt vor seiner Ausreise aus Äthiopien äußerst knapp und detailarm geschildert wurde, kann das Gericht dem Kläger diesbezüglich insgesamt keinen Glauben schenken.
Ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich auch nicht aufgrund einer etwaigen exilpolitischen Tätigkeit.
Das Verwaltungsgericht Würzburg geht in seiner nunmehrigen Rechtsprechung davon aus, dass äthiopische Staatsangehörige, die Mitglied einer von der äthiopischen Regierung als terroristische Vereinigung eingestuften Organisation oder einer solchen Organisation nahe stehenden Exilorganisation sind, und die ein Mindestmaß an exilpolitischer Tätigkeit aufweisen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien auch dann einer ernstzunehmenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind, wenn sie sich nicht als tatsächlich ernstzunehmende Regimegegner erweisen, sondern lediglich als bloße Mitläufer (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 – juris).
Auch unter Berücksichtigung dieses Maßstabes erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 3 AsylG nicht. Der Kläger hat eine Mitgliedschaft bei der TBOJ und ein Mindestmaß exilpolitischer Tätigkeit nicht nachweisen können. Entsprechende Dokumente hat er nicht vorgelegt, sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung ist unglaubhaft.
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, exilpolitisch tätig zu sein und an Demonstrationen teilzunehmen. Auf konkrete Nachfrage des Gerichts gab er an, am 6. April 2017 in Frankfurt bei einer Demonstration und im Jahr 2016 in Berlin bei einer Demonstration gewesen zu sein. Erst auf mehrmalige Nachfrage teilte der Kläger mit, Mitglied bei der TBOJ zu sein. Auch die weiteren Angaben bezüglich dieser angeblichen Mitgliedschaft legte der Kläger jeweils erst auf konkrete Nachfrage in der mündlichen Verhandlung dar. Bezüglich seines Beitritts als Mitglied bei der TBOJ gab er an, in Nürnberg beim Vorstand dieser Organisation angerufen zu haben. Er konnte jedoch weder den Namen dieser Person angeben noch konkret darlegen, seit wann er Mitglied bei der TBOJ ist. Aus diesem Grund konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Kläger tatsächlich Mitglied dieser Organisation ist. Es wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass der Kläger konkrete Namen seiner Ansprechpartner nennen kann bzw. konkret darlegen kann, wann er wieviel Beitrag gezahlt hat.
Die Bilder, die der Kläger dem Gericht auf seinem Smartphone zeigte, genügen für den Nachweis der Mitgliedschaft bei der TBOJ nicht. Dort war der Kläger bei einer öffentlichen Versammlung mit einer Flagge der OLF zu sehen. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Kläger Mitglied dieser Organisation, der ein Mindestmaß an exilpolitischer Aktivität aufweist, ist.
Da das Gericht dem Kläger seine Angaben bezüglich eines Beitritts bei der TBOJ aufgrund der oben genannten Gründe nicht glauben kann und der Kläger einen anderen Nachweis nicht erbracht hat, hat er keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund exilpolitischer Gründe.
Kann der Schutzsuchende kein Bleiberecht auf der Grundlage von § 3 AsylG finden, ist subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG zu prüfen. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.
Als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe. Hier müssen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutzsuchende konkret wegen einer Straftat gesucht wird, derentwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann. Derartiges ist im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden. Der Vortrag des Klägers bezüglich seiner Verhaftung und Misshandlung in Äthiopien ist unglaubhaft.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür geltend gemacht werden, dass der Schutzsuchende im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Hierbei sind ein besonderer Schweregrad und ein Element der Menschenwürdeverletzung erforderlich, um die Behandlung als unmenschlich im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren.
Auch an dieser Stelle kann auf die Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden. Andere Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bestehen nicht.
Als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Diese Regelung umfasst subsidiären Schutz in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten, nicht dagegen aber aus anderen Gründen wie z.B. krankheitsbezogenen Abschiebungshindernissen oder allgemeinen wirtschaftlichen Notlagen im Herkunftsland, die nicht auf einem bewaffneten Konflikt beruhen. Es ist nicht erkennbar, dass im Herkunftsland des Klägers ein derartiger internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorhanden wäre.
Kann der Schutzsuchende auf der Ebene des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht erfolgreich sein, sind hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 AufenthG zu prüfen.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Diese Norm bezieht sich dabei nur auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 15. Edition Stand: 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 36). Vorliegend ist nicht erkennbar, welches – nicht bereits bei der vorrangigen Prüfung zu berücksichtigende – Recht der EMRK im vorliegenden Fall ein Abschiebungshindernis begründen soll.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Aus gesundheitlichen Gründen liegt eine erheblich konkrete Gefahr nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung verschlechtern würden, vor (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
Auch ein derartiges Abschiebungsverbot ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat insbesondere zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, an einer Krankheit zu leiden.
Aus diesen Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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