Verwaltungsrecht

Erfolglose, auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufentG beschränkte Klage

Aktenzeichen  Au 4 K 17.34013

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1-3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Schlafstörungen, Alpträume, niedergeschlagene Stimmungen und Stimmungsschwankungen sind nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen gem. § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufentG. Vielmehr hat das Bundesamt zu Recht den Asylfolgeantrag des Klägers als unzulässig sowie eine Änderung des Bescheids vom 19. März 2013 abgelehnt. Der streitgegenständliche Bescheid vom 21. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Zutreffend ist das Bundesamt davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gem. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht gegeben sind. Insbesondere ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten nicht, dass sich die Sachlage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Ebenso wenig rechtfertigen diese ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne.
Nach dem vom Kläger – erst – in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigung der Frau Dr. … vom 18. Juli 2017 konnte der Kläger durch die Behandlung (Psychotherapie) soweit stabilisiert werden, dass er im Wesentlichen seinen Alltag ohne große Probleme meistert, wenngleich sich an seinen Schlafstörungen und Albträumen wie auch weiterhin auftretenden niedergeschlagenen Stimmungen und Stimmungsschwankungen wenig geändert hat. Da es gem. § 77 Abs. 1 AsylG auf die Sachlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt, ist diese Bescheinigung maßgeblich zu berücksichtigen; überdies ist sie sogar vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids erstellt worden. Von der in der Klagebegründung genannten (starken) Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei Abschiebung des Klägers und einer Gefahr der Suizidalität des Klägers ist in dieser aktuellsten Bescheinigung nicht die Rede. Zwar wird die von der Notwendigkeit einer weiteren Therapie bei einem spezialisierten Traumatherapeuten genannt; dies ändert aber nichts daran, dass die Beeinträchtigungen des Klägers allein noch mit Schlafstörungen, Alpträumen, niedergeschlagenen Stimmungen und Stimmungsschwankungen beschrieben werden. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen gem. § 60 Abs. 7 AufenthG sind damit bei weitem nicht erfüllt, liegt eine solche Gefahr doch nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden vor (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016, BGBl I, S. 390). Auch nach dem Willen des Gesetzgebers kann eine solche schwerwiegende Erkrankung in Fällen von – hier vom Kläger geltend gemachter – PTBS regelmäßig nicht angenommen werden. In diesen Fällen ist die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer – nach der aktuellsten vom Kläger vorgelegten Bescheinigung nicht erkennbaren – wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 18). Insofern ist es durch die nach Abschluss des Erstverfahrens erfolgte Neufassung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu einer Änderung der Rechtslage zu Gunsten, sondern zu Lasten des Klägers gekommen; dementsprechend wäre für eine Änderung der Sachlage zu Gunsten des Klägers erforderlich, dass Atteste vorgelegt werden, die gerade im Hinblick auf die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verschärfung der Rechtslage bei geltend gemachter PTBS Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Ausnahmefall eines Abschiebungsverbots vorliegen soll. Dies ist aber insbesondere angesichts des aktuellsten von Kläger vorgelegten Attests nicht der Fall.
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass es wegen der vom Kläger zwischenzeitlich, über mehr als zweieinhalb Jahre durchlaufenen Psychotherapie nicht zu einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung seines Gesundheitszustandes gekommen ist, sich also die Sachlage – in Bezug auf ein Abschiebungsverbot – nicht zu seinen Gunsten, sondern zu seinen Lasten geändert hat. Dies lässt sich der ärztlichen Bescheinigung vom 18. Juli 2017 entnehmen, wonach der Kläger durch die Behandlung „stabilisiert“ werden konnte. Zwar ist dort, wie ausgeführt, ebenfalls von der Notwendigkeit einer weiteren Therapie die Rede; gleichwohl lässt sich – was bei einer solchen Therapie durch eine Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie auch höchst ungewöhnlich wäre – der Bescheinigung nichts dazu entnehmen, dass der Gesundheitszustand des Klägers gleich geblieben wäre oder sich – wie für § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderlich – trotz der Therapie sogar verschlechtert hätte. Die Therapie bei Dr. … ist offenbar deshalb durchgeführt worden, nachdem der Kläger im Erstverfahren Bescheinigungen vorgelegt hatte, die eine ambulante Psychotherapie (…-Klinikum vom 28.3.2012) eine psychotherapeutische Intervention (Dr. … vom 28.5.2013) für erforderlich gehalten haben (vgl. Stellungnahme Dr. … vom 24.10.2014 zur Begründung des Therapiebedarfs, welche u.a. die vom Kläger im Erstverfahren eingereichten Stellungnahmen und Berichte aufführt, Bl. 81 ff. der Bundesamtsakte). Auch vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, weshalb trotz durchgeführter Therapie im Vergleich zum Erstverfahren eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten sein soll. Eine Änderung der Sachlage ist allenfalls insoweit eingetreten, als beim Kläger der Kläger im Zeitpunkt des Erstverfahrens eine Psychotherapie für notwendig erachtet worden war, er eine solche aber noch nicht durchlaufen hatte; nunmehr ist – über einen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren – eine solche Psychotherapie durchgeführt worden. Dies stellt aber keine Änderung der Sachlage zu Gunsten eines Abschiebungsverbots dar.
Selbst wenn man von keiner Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers ausgehen wollte, ergäbe sich jedenfalls keine Verschlechterung und damit ebenfalls keine Änderung der Sachlage zu Gunsten des vom Kläger begehrten Abschiebungsverbots. Aus der aktuellsten Bescheinigung der Frau Dr. … lässt sich zu Gunsten des klägerischen Begehrens allenfalls herauslesen sich, dass sich bei seinen dort genannten Beschwerden bzw. Beeinträchtigungen (Schlafstörungen, Albträume, niedergeschlagene Stimmungen, Stimmungsschwankungen) „wenig geändert“ hat. Eine Anschlusstherapie wird für erforderlich gehalten. Damit entspricht die Situation bestenfalls derjenigen, wie sie sich aus den im Erstverfahren vorgelegten Bescheinigungen des Klägers ergibt, zumal sich der Kläger bereits in jenem Verfahren auf das Vorliegen einer PTBS berufen hat.
Auch wenn im Übrigen die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte aktuellste Bescheinigung nicht – wie allerdings geboten – berücksichtigt wurde, ergibt sich aus den von ihm im Folgeverfahren vorgelegten Bescheinigungen keine Änderung der Sachlage zu seinen Gunsten. Diese stammen im Wesentlichen von Frau Dr., bei der sich der Kläger seit September 2014 in Psychotherapie befand. Diese Therapie ist – wie ausgeführt – Folge der vom Kläger im Erstverfahren vorgelegten Bescheinigungen und muss in Bezug auf den Gesundheitszustand des Klägers als Verbesserung gesehen werden. Daneben hat Frau Dr. … gerade auch in ihren ausführlichen Stellungnahmen vom 24. Oktober 2014 und vom 12. Dezember 2016 auf bereits vom Kläger in Erstverfahren vorgelegte Bescheinigungen verwiesen (…-Klinikum vom 28.3.2012; Herr … vom 30.4.2014; Herr Dr. … vom 28.5.2013, Frau … vom 4.6.2013). Inwieweit sich im Verhältnis zu diesen Bescheinigungen eine Verschlechterung des Gesundheitszustands bzw. der gesundheitlichen Situation des Klägers oder überhaupt neue Erkenntnisse ergeben, ist den Bescheinigungen von Frau Dr. … nicht zu entnehmen. Vielmehr sind die Bescheinigungen von Frau Dr. … als Fortschreibung, ggfs. als Vertiefung der Erkenntnisse zu werten, die bereits im Erstverfahren vorlagen. Aus dem ebenfalls vom Kläger vorgelegten Schreiben des Herrn Dr. … vom 19. August 2014 (Bl. 77 f. der Bundesamtsakte) ergibt sich überdies nur der „Verdacht“ auf eine PTBS; die Anamnese sei auf Grund von Verständigungsschwierigkeiten nur mit Mühe zu erheben gewesen. Insoweit ergibt sich aus den klägerseits vorgelegten Bescheinigungen weder in Bezug auf die Diagnose noch in Bezug auf die Verlässlichkeit der tatsächlichen Grundlagen nicht einmal ein stimmiges Bild.
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht im Urteil zum Erstverfahren (Au 4 K 13.30091) ausgeführt, dass es aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Überzeugung gewinnen konnte, dass trotz der vorgelegten Stellungnahmen und Atteste davon auszugehen ist, dass der Kläger an einer PTBS leidet, die an Ereignisse in Sierra Leone anknüpft (Rn. 29 ff.). Es hat in diesem Zusammenhang dargetan, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit der Verfolgungsgeschichte Bestünden; es sei daher der Auffassung, dass der Kläger jedenfalls nicht an einer PTBS leide, die an traumatische Ereignisse in Sierra Leone anknüpft und dort die für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nötige erhebliche und konkrete Gefährdung besteht. Der Vortrag des Klägers bezüglich der vor seiner Ausreise aus Sierra Leone erlebten Ereignisse sei aufgrund erheblicher Ungereimtheiten und Widersprüche unglaubhaft. Eine kritische Hinterfragung der klägerischen Schilderungen habe in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen nicht stattgefunden, ebenso keine Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte des Klägers, der nach Ende des Bürgerkriegs noch 10 Jahre in Sierra-Leone ohne gravierende Beeinträchtigungen gelebt haben will (Rn. 34).
Diese Mängel werden durch die vom Kläger im Folgeverfahren vorgelegten Bescheinigungen nicht ausgeräumt. Nach wie vor werden offenbar unbesehen die Schilderungen des Klägers zu Grunde gelegt. Einzig das Schreiben von Frau Dr. … vom 25. Juni 2015 (Bl. 42 f. der Bundesamtsakte) enthält knappe Ausführungen zur vom Patienten geschilderten Vorgeschichte. Auch insoweit wird jedoch offenbar allein auf Angaben des Klägers abgestellt, ohne dass, wie vom Gericht beanstandet, eine Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte des Klägers stattgefunden hat, insbesondere mit dem Umstand dass der Kläger nach Ende des Bürgerkriegs noch 10 Jahre in Sierra-Leone ohne gravierende Beeinträchtigungen gelebt haben will. Vielmehr ist das Schreiben ärztlicherseits mit den Worten eingeleitet worden, dass der Kläger damit im Asylverfahren gerne unterstützt werden sollte; insoweit kann jedenfalls bei diesem Schreiben nicht davon ausgegangen werden, dass es mit der gebotenen Neutralität verfasst worden ist. Bezeichnenderweise ist, wie erwähnt, in einem anderen vom Kläger vorgelegten ärztlichen Schreiben nur von einem Verdacht auf PTBS die Rede. In diesem Schreiben wurde auf Verständigungsschwierigkeiten hingewiesen, so dass die Anamnese nur mit Mühe zu erheben gewesen sei. Weshalb dann in dem genannten Schreiben von Frau Dr. … ohne weiteres die klägerische Schilderung als zutreffend unterstellt werden konnte, erschließt sich nicht.
Daneben ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. … vom 12. Dezember 2016 (Bl. 69 ff. der Bundesamtsakte), dass die „tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist“, unter anderem auf den vom Kläger im Erstverfahren vorgelegten Stellungnahmen beruhen; auch bezüglich der „Methode der Tatsachenerhebung“ wird in der Sache („Aktenstudium“) auf diese Stellungnahmen verwiesen. Nachdem diese Stellungnahmen in Bezug auf eine zielstaatsbezogene PTBS vom Verwaltungsgericht jedoch bereits im Erstverfahren – auch in einer Gesamtschau – als unzureichend gewertet wurden (Rn. 32 ff. des Urteils vom 4.7.2013), wirkt dieser Mangel auf die im Folgeverfahren vom Kläger vorgelegten, auf diesen Stellungnahmen beruhenden ärztlichen Aussagen fort. Diese sind daher auch deshalb nicht geeignet, eine Änderung der Sachlage zu Gunsten des Klägers gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Bezug auf das vom Kläger begehrte Abschiebungsverbot zu begründen. Vielmehr lässt sich gerade den Ausführungen von Frau Dr. … vom 12. Dezember 2016 entnehmen, dass die Symptome des Klägers vorrangig auf eine mögliche Abschiebung an sich sowie die unsichere Zukunftsperspektive zurückzuführen sind (vgl. unter 1c, 1d, 2a der Bescheinigung). Wie bereits im Urteil zum Erstverfahren ausgeführt (Rn. 40) sind derartige Umstände nicht geeignet, das erforderliche zielstaatsbezogene Abschiebungshindernis zu begründen. Vielmehr ist auch aus diesen, gegenüber dem Ausgangsverfahren nicht veränderten Gründen davon auszugehen, dass die erforderliche Änderung der Sachlage nicht vorliegt.
Die vom Kläger ferner in der mündlichen Verhandlung angeführte Fraktur (dazu Arztbrief vom 30.10.2017) stellt ersichtlich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar, zumal ausweislich des Arztbriefs das Klinikum bei gutem Wohlbefinden verlassen hat.
Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und nimmt hierauf Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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