Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde gegen erneute Androhung eines Zwangsgeldes

Aktenzeichen  1 CE 21.1186

Datum:
9.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16377
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayVwZVG Art. 21, Art. 21a S. 1, Art. 36 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

Die Klärung von Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung ist abgeschnitten, wenn diese bestandkräftig geworden ist. Es bedarf auch keiner Klärung, ob Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch gemäß Art. 21 VwZVG geltend gemacht werden können (Anschluss an BayVerfGH BeckRS 2007, 23711). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 S 21.633 2021-03-30 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 30. März 2021 werden die Anträge abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen.
III. Unter Abänderung von Ziff. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 30. März 2021 wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 4.750 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.375 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Fälligstellung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. Juli 2020 ordnete das Landratsamt die Beseitigung eines Bauzauns mit Werbeanlage auf den Grundstücken FlNrn. … und …, Gemarkung P. …, an und drohte für den Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro an (Ziffern V. und VII. des Bescheids). Zu Verdeutlichung war dem Bescheid ein Lageplan des zu beseitigenden Bauzauns beigefügt. Zugleich wurde der Antragsteller verpflichtet, eine auf dem Grundstück FlNr. … befindliche Bauruine und einen ungesicherten Schacht mit einem Bauzaun zu sichern (Ziffer XI. des Bescheids). Bei einer Ortsbesichtigung am 9. November 2020 wurde festgestellt, dass im Bereich der Brücke zwar die Werbeanlage am Bauzaun beseitigt worden war, nicht jedoch der Bauzaun selbst. Weiter wurde festgestellt, dass bis auf den Brückenbereich der beanstandete Bauzaun verlegt bzw. versetzt worden war und nur noch die Bauruine umzäumt. Der neue Verlauf des Bauzauns wurde auf dem beigefügten Lageplan skizziert und mit Fotos dokumentiert. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 stellte der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld fällig und drohte mit Bescheid vom selben Tag für den Fall, dass der Beseitigungsanordnung nicht bis zum 29. Januar 2021 nachgekommen werde, ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 7.000 Euro an.
Der Antragsteller erhob Klage gegen die Fälligstellung des Zwangsgelds und weitere Androhung und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 30. März 2020 hat das Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Antragsgegners angeordnet, die Beitreibung des angedrohten und fällig gestellten Zwangsgelds bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu unterlassen. Weiter wurde die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der erneuten Zwangsgeldandrohung angeordnet. Der Antragsteller sei nach summarischer Prüfung der Verpflichtung zur Beseitigung des Bauzauns nachgekommen.
Mit der Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, dass das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei. Der Antragsteller sei seiner Verpflichtung nur teilweise, aber nicht vollständig nachgekommen, weil sich im Bereich der Zufahrtsbrücke auf dem Grundstück FlNr. … nach Ablauf der mit Bescheid vom 15. Dezember 2020 gesetzten Erfüllungsfrist nach wie vor ein Bauzaun befindet.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und führt ergänzend aus, dass der zum Bestandteil der Beseitigungsanordnung gemachte Lageplan des zu beseitigenden Bauzauns nur bei der Einfahrt zur Brücke eine Einzäunung aufzeige, nicht jedoch auf der Brücke selber. Etwaige Ungenauigkeiten könnten nicht zu seinen Lasten gehen.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen aus den von dem Antragsgegner dargelegten Gründen nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits daran scheitert, dass der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, da er jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach Aktenlage kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller seine Verpflichtung zur Beseitigung des Bauzauns gemäß Ziffer V des Bescheids vom 14. Juli 2020 vollständig und nicht nur teilweise erfüllt hat. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids war der Antragsteller zur Beseitigung des Bauzauns auf dem Grundstück FlNr. … und damit auch im Bereich der Brücke verpflichtet. Dort wurde der Bauzaun nach dem vorliegenden Bericht über die Ortseinsicht vom 9. November 2020 einschließlich der Fotodokumentation (Foto 4) bis heute nicht entfernt (s. Kontrollbericht über die weitere Ortseinsicht am 7. April 2021). Die vom Verwaltungsgericht in den Blick genommene Skizze auf Seite 65 der Behördenakte verhält sich dazu nicht, sondern stellt lediglich dar, wie der Antragsteller die Absicherung der Bauruine auf dem Grundstück FlNr. … vorgenommen hat. Soweit der Antragsteller geltend macht, der Bescheid sei unbestimmt, da der zum Bestandteil der Beseitigungsanordnung gemachte Lageplan des zu beseitigenden Bauzauns nur bei der Einfahrt zur Brücke eine Einzäunung aufzeige, nicht jedoch auf der Brücke selber, kann dem nicht gefolgt werden. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1990 – 8 C 69.87 – BayVBl 1991, 251; BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 18), so dass sie ihr Verhalten daran ausrichten können (vgl. OVG NW, B.v. 23.11.2020 – 10 A 2316/20 – juris Rn. 6). Maßgebend ist dabei der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen. Es reicht aus, wenn sich der Regelungsgehalt aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 36). Gemessen an diesen Maßstäben ist die Anordnung in Ziffer V. des Bescheids einschließlich des beigefügten Lageplans hinreichend bestimmt. Denn die auf dem Lageplan rot gefasste Umrandung umfasst ersichtlich das Grundstück FlNr. … und damit auch die Zufahrt zu den Grundstücken des Antragstellers. Dass die Flurnummer – im Gegensatz zu den anderen Grundstücken – nicht aufgeführt ist, ist unschädlich und allein dem Maßstab des Lageplans geschuldet. Hinzu kommt, dass das Brückengrundstück ausdrücklich in Ziffer V. des Bescheids aufgeführt ist. Damit ist der Umfang der Beseitigungsanordnung klar und unmissverständlich. Von einem objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet ist die Beseitigung des Bauzauns nur dahingehend zu verstehen, dass der errichtete Bauzaun vollständig und damit auch im Bereich der Brücke zu beseitigen ist.
Die Einwände des Antragstellers, die Absperrung der Brücke sei erforderlich, weil diese nicht mehr standfest sei und eine Absturzsicherung fehle, greifen nicht durch. Sie richten sich gegen die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Grundverwaltungsakts und können im Rahmen des hier gewählten Verfahrens nicht geltend gemacht werden. Dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei dem Fälligstellen des angedrohten Zwangsgeldes und der erneuten Zwangsgeldandrohung regelmäßig nicht geprüft wird, ist auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtschutzes unbedenklich. Der Antragsteller hat sich die Klärung seiner Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung abgeschnitten, indem er die Beseitigungsanordnung bestandkräftig werden ließ. Es bedarf auch keiner Klärung, ob der Antragsteller Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch gemäß Art. 21 VwZVG geltend machen kann (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46).
Ausweislich der vorstehenden Ausführungen wird auch die Klage des Antragstellers gegen die erneute (isolierte) Zwangsgeldandrohung voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die vorausgegangene sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung (Art. 21a Satz 1 VwZVG) erfolglos geblieben ist. Eine erneute Androhung war daher rechtmäßig (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs für die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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