Verwaltungsrecht

Erfolglose Einwendungen gegen eine periodische dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  AN 1 K 19.00376

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40000
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 54, Art. 61 Abs. 1 S. 4
GG Art. 3 Abs. 1
BGB § 242
SGB IX § 178 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Wendet ein Beamter sich erst vier Jahre nach Eröffnung einer periodischen Beurteilung mit einem Widerspruch gegen diese, so begründet dies das Vorliegen eines die Verwirkung auslösenden Zeit- und Umstandsmoments. (Rn. 88) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus einer im Einwendungsverfahren unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung resultiert jedenfalls dann nicht die Rechtswidrigkeit einerBeurteilung, wenn die Schwerbehindertenvertretung bereits im Vorfeld von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf die Auswirkungen der Behinderungen des zu Beurteilenden aufmerksam zu machen. (Rn. 108) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Beurteilung ist allein maßgeblich der tatsächlich im Beurteilungszeitraum vorhandene Leistungsstand, so dass unterbliebene Hinweise auf festgestellte Leistungsverschlechterungen ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung bleiben. (Rn. 111) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Besorgnis der Befangenheit eines Beurteilers ist nicht die subjektive Sicht des Beurteilten maßgeblich,sondern die Voreingenommenheit, die aus der Sicht eines objektiven Dritten festzustellen ist. (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.
Die Klage gegen die periodische Beurteilung 2014 ist unzulässig, da der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
Die Verwirkung, eine Ausprägung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts unter Berücksichtigung des beim Verpflichteten oder bei einem Dritten daraus erwachsenden Vertrauens als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Seit der Entstehung des Rechts und der Möglichkeit seiner Geltendmachung muss längere Zeit verstrichen sein (Zeitmoment) und der Berechtigte muss unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment). Erst hierdurch wird die Situation geschaffen, auf die ein Beteiligter – entweder der Dienstherr oder ein begünstigter Dritter – vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (Vertrauensmoment). Zeit-, Umstands- und Vertrauensmoment sind nicht präzise voneinander zu trennen. Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände (BVerwG, B.v. 15.1.2020 – 2 B 38.19 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 3 ZB 19.1003 – juris Rn. 10 f.).
Hinsichtlich des Zeitmoments kann § 58 Abs. 2 VwGO eine zeitliche Orientierung bieten, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (OVG NW, B.v. 31.7.2019 – 6 B 714/19 – juris Rn. 16). Nach anderer Auffassung, ist von einer Verwirkung in der Regel jedenfalls dann auszugehen, wenn bei einem Beurteilungsrhythmus von – wie hier im vorliegenden Fall – drei Jahren der Kläger hiergegen drei Jahre lang keine rechtlichen Schritte unternommen hat (VGH BW, B.v. 4.6.2009 – 4 S 213/09 – juris Rn. 17).
In seinem Urteil vom 30. August 2018 (2 C 10/17 – juris Rn. 35) lässt es das Bundesverwaltungsgerichts damit bewenden, dass die dortige Beigeladene in einem Konkurrentenstreitverfahren nach einem Zeitraum von einem Jahr ab ihrer Ernennung auf deren Bestand vertrauen durfte (kritisch zum Vertrauensmoment bei Beförderungen: Stuttmann in NVwZ 2018, 187). Das Vertrauensmoment folgt einem gewissen Automatismus allein aufgrund des Zeitablaufs (so auch BayVGH, B.v. 25.11.2019 – 3 CE 19.1926 – juris Rn. 8), der in der Regel eine Verschlechterung der Beweislage nach sich zieht, und dem Umstandsmoment. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei auf das Untätigbleiben des Berechtigten, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens es rechtfertigen können, die Anrufung eines Gerichts nach langer Zeit als unzulässig anzusehen (BVerfG, B.v. 26.1.1972 – 2 BvR 255/67 – juris Rn. 19).
Dem Kläger wurde die streitgegenständliche periodische Beurteilung 2014 am 9. Oktober 2014 eröffnet. Hiergegen erhob er mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 Einwendungen, über die in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat mittels Schreiben vom 30. Januar 2015 entschieden wurde, wobei die Einwendungen als unbegründet zurückgewiesen wurden. Nach Aktenlage erfolgte danach zunächst keine weitere Reaktion mehr durch den Kläger. Insbesondere setzte sich der Kläger weder weitergehend mit der periodischen Beurteilung 2014 noch mit dem Schreiben vom 30. Januar 2015 im Rahmen seines Einwendungsschreibens vom 15. März 2018 gegen die periodische Beurteilung 2017 auseinander.
Erst mit einem Fax vom 10. Oktober 2018 legte der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen die periodische Beurteilung 2014 ein.
Der Kläger hat sich erst vier Jahre nach Eröffnung der periodischen Beurteilung 2014 mit einem Widerspruch gegen diese gewandt. Dies begründet aus Sicht der Kammer das Vorliegen eines Zeit- und Umstandsmoments (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 26.8.2020 – 2 K 1163/19 – juris Rn. 22 f.). Insbesondere bei dienstlichen Beurteilungen ist zu berücksichtigen, dass diese Grundlage für Beförderungsentscheidungen sind und daher sowohl seitens des Beamten als auch des Dienstherrn ein Interesse daran besteht, dass insbesondere für Auswahlverfahren feststeht, ob eine Beurteilung einem etwaigen Leistungsvergleich zugrunde gelegt werden kann. Insbesondere wenn seit Eröffnung der Beurteilung ein Zeitraum von vier Jahren vergangen ist und sogar zwischenzeitlich die sich anschließende periodische Beurteilung eröffnet wurde, so wird man unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls grundsätzlich davon ausgehen können, dass Zeit- und Umstandsmoment vorliegen. Aufgrund der Untätigkeit des Klägers wurde für den Beklagten auch ein Vertrauensmoment geschaffen, zumal der Kläger selbst nach Eröffnung der periodischen Beurteilung 2017 und Zurückweisung seiner Einwendungen zunächst weiterhin untätig blieb und keinen Widerspruch bezüglich der periodischen Beurteilung 2014 einlegte.
Selbst wenn der Kläger sich seinen Vorgesetzten gegenüber als unzufrieden mit der periodischen Beurteilung 2014 gezeigt haben sollte, so würde dies nichts an der Auffassung der Kammer ändern, da der Kläger es unterlassen hat, weitere Schritte gegen das Schreiben vom 30. Januar 2015, mit dem die Einwendungen des Klägers zurückgewiesen wurden, zu ergreifen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 3 ZB 19.1003 – juris). Gründe, die ihn an einer entsprechenden, zeitlich angemessenen Reaktion gehindert haben, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Beklagte hat auch in seinem Widerspruchsbescheid auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs hingewiesen, weshalb – ohne zu prüfen, ob eine solche in der Sache überhaupt möglich ist – auch eine Heilung durch Sachentscheidung nicht in Betracht kommt, so dass die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen war.
Hinsichtlich der periodischen Beurteilung 2017 ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Die periodische Beurteilung 2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung).
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Aufhebung der dienstlichen Beurteilung, verbunden mit dem Ausspruch, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung).
Dienstliche Beurteilungen sind – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BVerfG, B.v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99 – juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 18.6.2009 – 2 B 64/08 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242 – juris Rn. 6).
Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (Art. 54 ff. LlbG) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich gegenüber dieser der gesetzlichen Regelung immanenten Beurteilungsermächtigung darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfange nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – juris; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 11.4.2016 – 6 ZB 15.2029 – juris Rn. 5).
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob diese – den Dienstherrn gegenüber dem Beamten vermittels Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob sie selbst mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen des Leistungslaufbahngesetzes über die dienstliche Beurteilung, und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 2 A 7/07 – juris Rn. 11; U.v. 21.3.2007 – 2 C 2/06 – juris Rn. 7; U.v. 19.12.2002 – 2 C 31/01 – juris Rn. 17).
Innerhalb des durch die gesetzlichen Vorschriften gezogenen Rahmens steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er verwertbare Aussagen zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im Einzelnen sein Gesamturteil stützen will. Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – juris Rn. 20).
Vorliegend ist auf die zum Beurteilungsstichtag (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2020 – 3 ZB 18.1137 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14, juris Rn. 40) gültigen Beurteilungsrichtlinien (Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 16. Mai 2014, Az. 22 – P 1150 – 019 – 17 821/14, FMBl. S. 91); nachfolgend: BeurtR) sowie die allgemein für die dienstliche Beurteilung von Beamten des Freistaats Bayern geltenden Bestimmungen der Art. 54 ff. LlbG und des Abschnitts 3 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR) abzustellen. Eine weitere Konkretisierung durch sog. Initialschreiben, speziell für den streitgegenständlichen Beurteilungszeitraum, erfolgte nicht.
Hiervon ausgehend hält die angefochtene dienstliche Beurteilung der verwaltungsgerichtlichen Prüfung stand. Sie begegnet weder in verfahrensrechtlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken noch ist sie unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig.
Auch steht sie im Einklang mit der oben bezeichneten Beurteilungsrichtlinie, deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht der Kläger selbst nicht in Frage stellt.
Die angefochtene Beurteilung ist formell rechtmäßig.
Sie wurde durch den zuständigen Beurteiler erstellt (Art. 60 Abs. 1 Satz 1 LlbG) und der Beurteilungszeitraum entspricht den Vorgaben der Nr. 2.1.2.4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 2 sowie Nr. 2.1 und 2.2 BeurtR.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen des Einwendungsverfahrens nicht beteiligt wurde. Bei der periodischen Beurteilung 2017 waren die bis zum 31. Mai 2019 wirksamen Teilhaberichtlinien – Inklusion behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern – (TeilR – insbesondere Nr. 9; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 19.11.2012, Az. PE – P 1132 – 002 – 33 316/12 – FMBl. S.605, StAnz. Nr.51/52) zu beachten.
Der Kläger wurde auf die Beteiligungsmöglichkeit der Schwerbehindertenvertretung in der „Erklärung zu periodischen Beurteilungen“ vom 18. April 2017 hingewiesen, Nr. 9.6 Abs. 1 Satz 1 TeilR. Eine Ablehnung der Beteiligung ist nicht erfolgt, da der entsprechende Passus in der „Erklärung zu periodischen Beurteilungen“ vom 18. April 2017 durchgestrichen wurde.
Die Schwerbehindertenvertretung wurde frühzeitig vor Erstellung der Beurteilung über das Anstehen der Beurteilung informiert und hat den Beurteilenden über Wesen und Ausmaß der Behinderung des Klägers unterrichtet, Nr. 9.6 Abs. 2 Satz 1 bis 3 TeilR. Eine Stellungnahme wurde nach Aktenlage jedoch nicht abgegeben.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Nr. 9.6 Abs. 2 Satz 5 TeilR vor, wonach diese Stellungnahme der vorgesetzten Dienstbehörde im Rahmen des Art. 61 Abs. 1 Satz 4 LlbG mit vorzulegen ist, wenn schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte Einwendungen gegen die Beurteilung erheben und die Schwerbehindertenvertretung eine Stellungnahme abgegeben hat oder sie zu den Einwendungen Stellung genommen hat.
Aus der Formulierung „zu den Einwendungen Stellung genommen hat“ könnte geschlossen werden, dass nach Erhebung von Einwendungen erneut eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu erfolgen hat. Eine solche ist jedoch nicht erfolgt. Letztlich führt dies jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung, da Nr. 9.6 Abs. 2 Satz 4 TeilR bestimmt, dass seitens der Schwerbehindertenvertretung kein Anspruch besteht, auf die Beurteilung Einfluss zu nehmen. Bereits dies spricht dagegen, dass aus einer unterbliebenen Beteiligung die Rechtswidrigkeit der Beurteilung resultiert, zumal die Schwerbehindertenvertretung bereits im Vorfeld von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf die Auswirkungen der Behinderungen des Klägers aufmerksam zu machen und sich somit auch bei einer erneuten Beteiligung keine weitergehenden Erkenntnisse ergeben hätten. So hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 19) entschieden, dass diesbezüglich kein formaler Fehler zu erkennen ist.
Auch bei einer unterstellten Anwendbarkeit von § 178 Abs. 2 SGB IX, die vorliegend jedoch nicht gegeben ist, da eine dienstliche Beurteilung keine „Entscheidung“ nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX darstellt (noch zu § 25 SchwbG: BayVGH, B.v. 8.5.1990 – 3 B 89.01494 – juris Rn. 9), würde sich hieran nichts ändern, da ein Vergleich von dessen Satz 2 und 3 zeigt, dass lediglich eine Kündigung bei unterbliebener Beteiligung unwirksam ist. Eine individualrechtliche Unwirksamkeit bei anderen Maßnahmen, wie einer dienstlichen Beurteilung, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.
Die dienstliche Beurteilung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der Kläger im Beurteilungszeitraum nicht auf mögliche Leistungsdefizite hingewiesen worden ist.
Für die Beurteilung ist allein maßgeblich der tatsächlich im Beurteilungszeitraum vorhandene Leistungsstand, so dass unterbliebene Hinweise auf festgestellt Leistungsverschlechterungen ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung bleiben (BVerwG, U.v. 13.11.1997 – 2 A 1/97 – juris Rn. 19). Es gibt keinen Rechtssatz dahingehend, dass eine dienstliche Beurteilung nicht schlechter als eine vormalige Regelbeurteilung ausfallen darf, selbst wenn der beurteilte Beamte den Nachweis führt, dass er von Vorgesetzten nicht, nicht frühzeitig oder nicht nachdrücklich genug diesbezüglich gewarnt worden sei (VG München, U.v. 22.7.2015 – M 21 K 14.3868 – juris Rn. 42 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 17.4.1986 – 2 C 28/83 – juris, BVerwG, U.v. 13.11.1997 – 2 A 1/97 – juris, BVerwG U.v. 11.11.1999 – 2 A 6/98 – juris). Im Übrigen ist auch irrelevant, dass der Kläger in der letzten Beurteilung mit einem Gesamturteil von 11 Punkten bewertet wurde, da es nicht auf den Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2020 und die dort gezeigten Leistungen ankommt.
Eine Pflicht zur Begründung der Absenkung der Bewertung der Einzelmerkmale „Geistige Beweglichkeit“ und „zielorientiertes Verhandlungsgeschick“ folgte auch nicht aus Abschnitt 3, Nr. 6.2.3 Satz 2 ff. VV-BeamtR, der hier mangels spezielleren Regelungen anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung sind verbale Hinweise oder Erläuterungen vorzunehmen, wenn in der dienstlichen Beurteilung eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der letzten periodischen Beurteilung um mindestens drei Punkte vorliegt. Da vorliegend jedoch lediglich eine Herabstufung um einen Punkt erfolgte, war eine weitergehende Begründung entbehrlich, wobei der Beklagte die Herabstufung nachvollziehbar darlegte.
Die angefochtene dienstliche Beurteilung erweist sich auch nicht wegen Besorgnis der Befangenheit des Beurteilers als fehlerhaft.
Der Bevollmächtigte des Klägers stützt seine Bedenken, der Beurteiler habe den Kläger nicht objektiv beurteilt, darauf, dass Frau … nach Information über die Schwerbehinderung des Klägers alleine um den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb besorgt war, jedoch nicht weiter auf die Schwerbehinderung des Klägers eingegangen sei.
Eine dienstliche Beurteilung kann fehlerhaft sein, wenn ein befangener oder voreingenommener Vorgesetzter beurteilt oder sich der Hilfe von befangenen oder voreingenommenen Fachvorgesetzten bedient hat (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 3 ZB 16.1813 – juris Rn. 13; Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2015, S. 215; Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 6. Aufl. 2016, S. 233 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 26.2.2004 – 2 B 41/03 – juris; HessVGH, B.v. 15.2.2013 – 1 B 1191/12 – juris Rn. 41). Entscheidend ist aber nicht die aus der subjektiven Sicht des Beurteilten begründete Besorgnis der Befangenheit des Beurteilers, sondern maßgeblich ist die Voreingenommenheit, die objektiv festzustellen ist. Mangelnde Objektivität und Voreingenommenheit gegenüber dem zu beurteilenden Beamten sind also aus der Sicht eines objektiven Dritten festzustellen. Die Voreingenommenheit kann sich aus der Beurteilung selbst, aber auch aus dem Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten des zu beurteilenden Beamten oder diesem gegenüber ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 6.8.2002 – 2 BvR 2357/00 – juris Rn. 32). Ein Vorgesetzter ist dann als voreingenommen anzusehen, wenn er nicht willens oder in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen. Er ist aber nicht schon deshalb voreingenommen, weil er die Arbeitsweise und/oder das sonstige dienstliche Verhalten des durch ihn Beurteilten kritisch einschätzt oder diesen zuvor auf Mängel bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben hingewiesen hat. Ein Vorgesetzter ist auch nicht allein deshalb wegen Voreingenommenheit an der Beurteilung gehindert, weil es zwischen ihm und dem Beurteilten schon einmal Streitigkeiten gegeben hat, es sei denn, dass es hierdurch zu einer nachhaltigen, fortwirkenden Störung des zwischenmenschlichen Verhältnisses gekommen ist (vgl. SächsOVG, U.v. 8.12.2016 – 2 A 112/13 – juris Rn. 17).
Hiervon ausgehend kann aus der Sicht eines objektiven Dritten eine Besorgnis der Befangenheit des Beurteilers nicht festgestellt werden.
Gegen eine solche Befangenheit spricht bereits, dass der Beurteiler in der streitgegenständlichen Beurteilung bei unverändert gebliebenen Gesamturteil die Bewertung in zwei Einzelmerkmalen zwar herabgesetzt, andererseits aber in einem anderen Einzelmerkmal angehoben hat. Hierin zeigt sich, dass der Beurteiler – wie rechtlich geboten – individuell auf die Stärken und Schwächen des Klägers und festgestellte Veränderungen des Leistungsbildes des Klägers im Vergleich zur Vorbeurteilung eingegangen ist. Es ergaben sich keine greifbaren Anhaltspunkte, dass dies unzutreffend ist.
Zudem ist der von dem anwaltlichen Bevollmächtigten geschilderte Gesprächsverlauf mit Frau … nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Diese ist weder unmittelbare Vorgesetzte gewesen, noch war sie Beurteilerin. Selbst wenn man den von dem anwaltlichen Bevollmächtigten geschilderten Gesprächsablauf als wahr unterstellt, so würde dies keine Besorgnis der Befangenheit begründen, da nicht dargelegt wurde, dass es zu einer fortwirkenden Störung des zwischenmenschlichen Verhältnisses gekommen ist.
Auch materiell-rechtlich unterliegt die angefochtene periodische dienstliche Beurteilung unter Berücksichtigung des oben dargestellten eingeschränkten Prüfrahmens des Verwaltungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken.
Soweit der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers vorträgt, dass die Schwerbehinderung des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, ist dies aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar. In der periodischen Beurteilung 2017 wurde für den Kläger ein Grad der Behinderung von 50% angegeben. Zudem wurde in den ergänzenden Bemerkungen ausgeführt, dass die Arbeits- und/oder Verwendungsfähigkeit des Klägers nicht durch die Schwerbehinderung beeinträchtigt sei sowie eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt sei. Demnach hat der Beklagte erkannt, dass der Kläger schwerbehindert ist und dies auch ausreichend berücksichtigt. Zudem erfolgte eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. Nr. 9.6 TeilR, wobei der Beurteilende über Wesen und Ausmaß der Behinderung unterrichtet worden sei und auch ein Hinweis darauf erfolgt sei, welche Auswirkungen aus Sicht der Schwerbehindertenvertretung die Behinderung auf den für die Beurteilung relevanten Sachverhalt haben könne.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung von § 55 SGB IX berufen, da diese Norm Regelungen hinsichtlich der Beziehungen eines schwerbehinderten Menschen zu den Rehabilitationsträger beinhaltet, die keine Verpflichtung für den Beklagten begründen können. Somit würde selbst eine Verletzung dieser Vorschrift keine Auswirkung auf die Beurteilung haben.
Auch ein etwaiger Verstoß gegen Nr. 6.9 (Fortbildung) oder 6.10 (Mitarbeitergespräch) TeilR vermag der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit der Kläger das Unterbleiben von Fortbildungen anspricht, ist nach Aktenlage festzustellen, dass er keine Anträge auf Fortbildung gestellt hat, die zu einer bevorzugten Berücksichtigung des Klägers hätten führen können.
Zudem fanden mit dem Kläger Gespräche über seine Leistungen statt, wobei selbst ein unterbliebener Hinweis auf Leistungsdefizite keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Beurteilung hätte.
Die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung stellt nicht die Fortschreibung der früheren periodischen Beurteilung dar und kann deshalb selbst bei gleichbleibender Leistung und Vergleichsgrundlage schlechter ausfallen als die vorangegangene Beurteilung (vgl. BayVGH, U.v. 30.8.1999 – 3 B 96.3154 – juris Rn. 19; VG München, B.v. 3.9.2015 – M 5 E 15.2998 – juris Rn. 33 ff.). Ausgehend davon, dass die Beurteilung ein Bild von der Leistung, Befähigung und der Persönlichkeit des Beamten im aktuellen Beurteilungszeitraum geben soll, braucht der Dienstherr Abweichungen in der Bewertung der Einzelmerkmale von einer früheren Beurteilung deshalb an sich auch nicht zu rechtfertigen (BayVGH, U.v. 22.12.1993 – 3 B 93.235 – juris Rn.20).
Allerdings ist der Dienstherr verpflichtet, die gefundenen Bewertungsergebnisse zu plausibilisieren. Eine dienstliche Beurteilung als Werturteil darf keine formelhafte Behauptung bleiben, sondern muss für den Beamten und für außenstehende Dritte derart nachvollziehbar sein, dass die ausschlaggebenden Gründe und Argumente des Dienstherrn sichtbar werden. Diese Plausibilisierung kann auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – juris Rn. 20).
Vorliegend wurde die Herabsetzung der Bewertung der Einzelmerkmale „Geistige Beweglichkeit“ und „zielorientiertes Verhandlungsgeschick“ ausreichend plausibilisiert.
Die Punkte wurden im Vergleich zu den anderen zu beurteilenden Steuerhauptsekretären/-innen der BesGr A8 vergeben und bescheinigen dem Kläger, dass er die Erfüllung des einzelnen Merkmals in jeder Hinsicht den Anforderungen genügt oder diese übersteigt (Abschnitt 3, Nr. 3.2.2 Satz 1 VV-BeamtR). Dabei sei berücksichtigt worden, dass mit dem Kläger Gespräche zu seiner Arbeitsweise geführt worden seien, er jedoch keine Einsicht in die Notwendigkeit einer geänderten Arbeitsweise gesehen habe. Zudem habe man dem Kläger für seine Arbeitsweise besser geeignete Aufgaben zugewiesen, die er abgelehnt oder nach kurzer Zeit abgebrochen habe. Diese Entscheidungsfindung ist seitens der erkennenden Kammer nicht zu beanstanden.
Auf die ausführlich vorgetragene abweichende Selbsteinschätzung des Klägers zu der aus seiner Sicht gebotenen Bewertung der zwei oben angesprochenen Einzelmerkmale kommt es demgegenüber nicht an. Insbesondere hat der Kläger keine über die üblichen Anforderungen hinausgehenden Leistungen erbracht, die eine bessere Beurteilung rechtfertigen könnten. Der Kläger macht diesbezüglich geltend, dass er eine papierlose Abstimmung ermöglicht und Checklisten erstellt habe. Auch in seinem Einwendungsschreiben vom 15. März 2018 beruft er sich auf von ihm geleistete Sonderarbeiten, die er mit Übersichten belegt hat. Diesbezüglich hat der Beklagte jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass bei Verzögerungen im Tagesgeschäft die Arbeiten in der Regel am nächsten Tag erledigt werden könnten. Arbeiten außerhalb der Servicezeiten seien nicht erforderlich und auch nicht notwendig. Die von dem Kläger erbrachten Leistungen seien freiwillig im Rahmen der Dienstzeit erfolgt und bedürften daher keiner gesonderten Erwähnung.
Die Findung des unverändert gebliebenen Gesamturteils „Leistung, die in jeder Hinsicht den Anforderungen genügt oder diese übersteigt.“ (10 Punkte) ist den Vorgaben des Abschnitts 3, Nr. 3.2.2 Satz 2 und Nr. 7.1 VV-BeamtR entsprechend ausreichend begründet worden. Entgegen der Auffassung des anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers liegt vorliegend kein Ankreuzverfahren vor. In den ergänzenden Bemerkungen wurde ausgeführt, dass der Kläger die im Wesentlichen gleich gewichteten Beurteilungsmerkmale weitgehend gleichmäßig erfülle. Für die Bildung des Gesamturteils sei deshalb die überwiegende Bewertung der Einzelmerkmale mit 10 Punkten maßgebend. Der Kläger hat bei acht Einzelmerkmalen „10 Punkte“ und bei fünf weiteren Einzelmerkmalen „9 Punkte“ erhalten, sodass sich die Vergabe des Gesamturteils mit „10 Punkten“ ohne weiteres erschließt. Die Findung des Werturteils selbst ist keinem Beweis zugänglich (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – juris; U.v. 2.4.1981 – 2 C 34/790 – juris).
Demnach hat die Klage keinen Erfolg und sie war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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