Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines malischen Staatsangehörigen auf Feststellung eines Abschiebungsverbots

Aktenzeichen  W 10 K 18.31416

Datum:
6.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14416
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Die allgemeine Sicherheitslage in der Region Bamako ist trotz zwischenzeitlich festzustellender Verschlechterungen nicht derart ungünstig, dass sie ein Abschiebungsverbot wegen drohender unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung begründen könnte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Malis (1.). Die Ablehnung dieses Begehrens einschließlich der Abschiebungsandrohung sowie der Befristung der Wiedereinreisesperre (2.) im Bescheid des Bundesamtes vom 28. Juni 2018 sind deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Dem Kläger steht kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Aus § 60 Abs. 5 AufenthG folgt, dass ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes besteht, wenn dem Kläger im Zielstaat der Abschiebung eine solche verbotene Behandlung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (real risk) droht.
(1) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist in Art. 3 EMRK nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M. S. S., Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, Nr. 54810/00, NJW 2006, 3117, 3119 Rn. 67; Jarass, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Personen zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Misshandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um unter Art. 3 EMRK zu fallen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M. S. S., Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413, Rn. 220 ff. m.w.N.).
(2) Im Falle des Klägers liegen zur Überzeugung des Gerichtes im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) die oben genannten Voraussetzungen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung nicht vor. Der Kläger hat als Hauptgrund seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland eine derartige Bedrohung durch den alten Mann, einen Marabu – d.h. eine Art religiösen Führer – aus der Nachbarschaft vorgetragen. Dieser habe ihn auf Veranlassung der Stiefmutter entweder umbringen oder für eine terroristische Gruppe zwangsrekrutieren wollen. Es ist jedoch weder vom Kläger substantiiert vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Mali derartigen Gefahren (erneut) ausgesetzt wäre. Denn der Kläger ist inzwischen erwachsen und selbständig, weshalb er weder zur Zielgruppe der geschilderten Zwangsrekrutierung gehört, noch gezwungen ist, sich erneut in Abhängigkeit von seiner Stiefmutter zu begeben. Des Weiteren hat der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm staatlicher Schutz gegen derartige Bedrohungen verweigert würde. Der Kläger hat hierzu lediglich angegeben, er fürchte sich vor der Polizei. Nach den einschlägigen Erkenntnismitteln wacht der Staat im Süden des Landes Mali über die Einhaltung der Grundrechte und wird hier auch seiner Schutzaufgabe gerecht. Repressionen durch Dritte in Form von Misshandlungen, Entführungen, Verhaftungen, psychischer Gewalt oder sonstigen willkürlichen Handlungen werden vom Staat unterbunden und unter Strafe gestellt. Sie kommen in unter staatlicher Kontrolle stehenden Landesteilen so gut wie nicht vor (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand Juni 2018, S. 12). Im Übrigen wäre der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer landesweiten Gefahr ausgesetzt, welcher er nicht durch Ausweichen an einen anderen Ort entgehen könnte. Es besteht für ihn die Möglichkeit, in einen anderen Stadtteil von Bamako oder in eine andere Region im Süden Malis auszuweichen. In den Ausgleichgebieten im Süden bestehen effektive zivile und militärische Verwaltungsstrukturen. Mali nimmt eigene Staatsangehörige nach erfolgter Rückführung wieder auf, sie unterliegen keinen staatlichen Repressalien. Die räumliche Freizügigkeit ist gewährleistet, sodass Rückkehrer in denjenigen Landesteilen verbleiben können, in denen der Staat die Einhaltung der Grundrechte garantiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O., S. 12/13; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Mali, Stand 16.1.2018, S. 15). Die wirtschaftlichen und sozialen Existenzbedingungen in den Ausweichengebieten sind oft besser als in den nicht staatlich kontrollierten Teilen des Landes, wenngleich dies durch die hohe Arbeitslosigkeit relativiert wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O., S. 12).
(3) Die vom Kläger – unter Verweis auf aktuelle Presseberichterstattung – vorgetragene schlechte Sicherheitslage in Mali stellt einen Gesichtspunkt des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG dar. Diesen Klageteil hat der Kläger jedoch zurückgenommen. Soweit aus der Sicherheitslage resultierende Gefahren unter dem Aspekt des § 60 Abs. 5 AufenthG zu prüfen sind (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 48 f., 51), stehen diese einer Abschiebung jedoch nicht entgegen.
Die allgemeine Sicherheitslage ist in der Region Bamako trotz zwischenzeitlich festzustellender Verschlechterungen nicht derart ungünstig, dass sie ein Abschiebungsverbot wegen drohender unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung begründen könnte. Die Erkenntnismittel berichten zwar von terroristischen Anschlägen auch in Bamako. Das Risiko von Attentaten besteht jederzeit landesweit, wobei zu den potentiellen Zielen von Terrorangriffen insbesondere öffentliche und touristische Einrichtungen zählen sowie große Menschenansammlungen, z.B. belebte Märkte, Einkaufszentren, öffentlicher Verkehr, kulturelle Anlässe, bekannte internationale Hotels und beliebte Restaurants (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Mali, Gesamtaktualisierung vom 16.1.2018, S. 6). In den Regionen Mopti, Timbuktu, Gao, Kidal und anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu Anschlägen, die Tote und Verletzte fordern. So forderte ein terroristisches Attentat am 16. Juni 2017 auf ein bei Ausländern beliebtes Hotel in der Region Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte. Am 22. November 2015 forderte ein terroristisches Attentat in einem internationalen Hotel in Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte. Am 7. März 2015 wurde ein terroristischer Überfall auf ein bei Ausländern beliebtes Restaurant in Bamako verübt, bei welchem mehrere Personen erschossen oder verletzt wurden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Auch im Süden des Landes und in der Hauptstadt Bamako kann deshalb zwar eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden. Dies genügt jedoch nicht, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechtsgüter des Art. 3 EMRK allein aufgrund der Anwesenheit einer Person in diesem Gebiet ohne besondere, gefahrerhöhende Merkmale anzunehmen.
(4) Des Weiteren folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).
Die Versorgungslage in Mali stellt sich derzeit wie folgt dar:
Seit der Krise ist die wirtschaftliche Entwicklung Malis stabil, das hohe Bevölkerungswachstum stellt aber besonders für die mehrheitlich junge malische Bevölkerung ein hohes Armutsrisiko dar (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Mali, Stand 16.1.2018, S. 16). Im Jahr 2016 belief sich das Wirtschaftswachstum auf geschätzt 5,4%, welches auf verbesserte Rahmenbedingungen wie die Verbesserung der Sicherheitslage in mehreren Landesteilen, politische Fortschritte und die daraus resultierende Wiederaufnahme der Unterstützung durch internationale Geber sowie auf günstige Wetterbedingungen zurückzuführen ist (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl a.a.O.). Die Wirtschaft in Mali ist geprägt von der Dominanz des Agrarsektors sowie der rasch zunehmenden Bedeutung des Goldbergbaus. Es besteht ein deutliches Süd-Nord-Gefälle der wirtschaftlichen Entwicklung. Südmali mit der Agglomeration Bamako – der Herkunftsregion des Klägers -, der Baumwollanbauzone und den Goldbergbaugebieten weist deutlich bessere Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung auf als die zentralen und nördlichen Landesteile. Von sehr erheblicher Bedeutung sind die Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Personen aus Mali (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Die Verringerung der Armut macht, unter anderem wegen des hohen Bevölkerungswachstums sowie institutioneller Schwächen, nur langsam Fortschritte. Mali zählt zu den ärmsten Ländern der Erde; über 50% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in den vom Staat kontrollierten Gebieten größtenteils gewährleistet. Im Zentrum des Landes sowie in der Region Menaka hat sich die humanitäre Lage jedoch in letzter Zeit deutlich verschlechtert. Den Vereinten Nationen zufolge erhöht sich die Zahl der landesweit akut unterernährten Menschen im Jahr 2018 von rund 163.000 auf rund 274.000 und die Zahl der moderat unterernährten Menschen von 470.000 auf 582.000, darunter befindet sich eine Vielzahl von Kindern. Staatliche Unterstützungsinstrumente für bedürftige Personen gibt es außerhalb der (sehr rudimentären) Kranken- und Rentenversicherung nicht. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft oder von Tätigkeiten im informellen Sektor und ist selbst dabei oft abhängig von internationaler Entwicklungshilfe (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand Juni 2018, S. 15; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 17). Die Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz im modernen Wirtschaftssektor (Industrie und Dienstleistungen) zu finden, beschränken sich weitgehend auf die Städte. Aufgrund der Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und der anhaltend hohen Zuwanderung aus dem ländlichen Raum stellt die Arbeitslosigkeit auch in den Städten ein ernstes Problem dar, wovon auch zahlreiche Hochschulabsolventen betroffen sind. Hieran konnten bislang auch staatliche Förderprogramme nur wenig ändern. Gewerkschaften engagieren sich unter anderem gegen Arbeitsplatzabbau infolge der Privatisierung staatlicher Unternehmen und für bessere Arbeitsbedingungen in den Goldminen (vgl. zum Ganzen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl a.a.O., S. 17). Im Falle akuter Krisen (beispielsweise längeren Trockenperioden oder Flutkatastrophen) ist humanitäre Hilfe aus dem Ausland zur Abwendung der Situation dringend notwendig. Rückkehrer werden jedoch durch regionale Büros der IOM sowie auf dem Gebiet tätiger Nichtregierungsorganisationen betreut (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 15).
Das erkennende Gericht hat auch unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dem Kläger im Anschluss an eine Rückkehr nach Mali die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz gegebenenfalls auch ohne ein familiäres Netzwerk möglich sein wird, zumal er aus der wirtschaftlich bessergestellten Region um die Hauptstadt Bamako stand. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47). Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger in Mali eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Er hat in Mali nach eigenen Angaben den Beruf eines Schneiders erlernt und könnte versuchen, wieder in diesem Beruf zu arbeiten. Eine Erwerbsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen ist nicht ersichtlich, insbesondere durch den vorgelegten psychologischen Befundbericht vom 22.2.2019 nicht belegt (vgl. § 60a Absatz 2c AufenthG). Von seiner Arbeitsfähigkeit ist daher auszugehen. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger Unterstützung durch seinen Bruder erhalten könnte, auch wenn der Kontakt, wie von ihm vorgetragen, zwischenzeitlich unterbrochen sein sollte. Es ist angesichts dessen nicht erkennbar, warum es dem Kläger weder möglich noch zumutbar sein sollte, nach seiner Rückkehr nach Mali gegebenenfalls auch ohne Einbindung in ein familiäres Netz Fuß zu fassen. Nicht zuletzt hat der Kläger auch als relativ junger, gesunder und auch heute noch arbeitsfähiger Mann durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn. 30).
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger insbesondere nicht aus einer extremen Gefahrenlage in Mali.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellen die nach den eingeführten Erkenntnisquellen problematische Sicherheitslage in Mali sowie die unzureichende Versorgungslage allgemeine Gefahren dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Mali erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alledem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris). Eine derart extreme Gefahrenlage liegt für den Kläger nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen unter (a), (4)) verwiesen werden.
2. Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 1, 38 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Dasselbe gilt für die Anordnung der Wiedereinreisesperre gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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