Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines mit einer Deutschen verheirateten türkischen Staatsangehörigen gegen Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung u. Befristung

Aktenzeichen  Au 6 K 17.35570

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5401
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylVG § 13, § 34, § 38
AufenthG § 4, § 11, § 59

 

Leitsatz

Die Befristungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots steht im Ermessen der Ausländerbehörde, wobei diese Ermessensentscheidung keiner uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sondern – soweit keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt – eine zu lange Frist lediglich aufgehoben und die Ausländerbehörde zu einer neuen Ermessensentscheidung verpflichtet werden kann. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die wegen des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 24. November 2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) in der Fassung des Bescheids vom 21. Februar 2018 im noch angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, insbesondere hat er keinen Anspruch auf eine (weitere) Verkürzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
1. Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat ihre Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützt und die Ausreisefrist auf § 38 Abs. 1 AsylG. Dies ist nicht zu beanstanden.
Das Bundesamt erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn – wie hier – der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen, sowie der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Das ist hier der Fall, denn der Kläger besitzt keinen der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enumerativ genannten Aufenthaltstitel und ist von diesem Erfordernis auch nicht befreit.
Er ist deswegen auch zur Ausreise verpflichtet, denn seine Aufenthaltsgestattung ist durch die nicht angefochtene und daher bestandskräftige Ablehnung seines Asylantrags nach § 13 AsylG durch Nr. 1 bis Nr. 4 des Bescheids der Beklagten vom 24. November 2017 auch erloschen. Soweit der Kläger geltend macht, er habe mindestens einen Anspruch auf eine Duldung, ließe selbst deren Erteilung nach § 60a Abs. 3 AufenthG nicht die Ausreisepflicht entfallen; auch ein etwaiger Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG – eine entsprechende Antragstellung unterstellt – hätte keine aufenthaltsrechtliche Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG, da sich der Kläger weder rechtmäßig (sondern bis zur bestandskräftigen Ablehnung seines Asylantrags nur gestattet, vgl. § 55 Abs. 2 AsylG) im Bundesgebiet aufhält und auch nicht mit einem erforderlichen Visum bzw. von der Visumspflicht befreit eingereist ist.
Ob einem Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Ehegattennachzug daneben noch die Sperre des § 10 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 und Satz 2 AufenthG entgegensteht, weil der Kläger weder das erforderliche Visum eingeholt noch die erforderlichen Angaben – Ehegattennachzug – gemacht hat, er also auf die jedenfalls mangels Schutzbedürftigkeit in Hinblick auf den Herkunftsstaat nicht unzumutbare Nachholung des Visumsverfahrens zu verweisen wäre (zur Nachholung OVG NRW, B.v. 8.12.2011 – 18 B 866/11 – juris Rn. 9 ff.), zumal er sich durch Neuausstellung eines Reisepasses des angeblichen Verfolgerstaats im Oktober 2017 wieder unter dessen Schutz gestellt hat (arg. ex § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), braucht nicht vertieft zu werden, da dies nicht in der Prüfungskompetenz der Beklagten liegt, sondern der Ausländerbehörde.
Die Ausreiseaufforderung nach § 34 Abs. 1 AsylG und die Ausreisefrist gestützt auf § 38 Abs. 1 AsylG entsprechen somit den gesetzlichen Verpflichtungen der Beklagten zu diesen Nebenentscheidungen (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2010 – 10 C 18.09 – juris Rn. 12) und sind daher nicht zu beanstanden.
2. Die – mit Bescheid vom 21. Februar 2018 nachträglich nochmals verkürzte – Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf nun sechs Monate ist nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO); einen Anspruch auf Befristung auf Null hat der Kläger nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Beklagte hat insofern ihren angefochtenen Bescheid durch Teilabhilfe nachgebessert und nunmehr eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen.
Die Befristungsdauer steht nach der Neufassung des § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 65 f. mit Verweis auf BR-Drs. 642/14 S. 39), wobei diese Ermessensentscheidung keiner uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sondern – soweit wie hier keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt – eine zu lange Frist lediglich aufgehoben und die Ausländerbehörde zu einer neuen Ermessensentscheidung verpflichtet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – Rn. 54 ff.).
Insofern hat die Beklagte nun nach Vorliegen entsprechender Nachweise auch die Eheschließung des Klägers berücksichtigt und damit alle ermessensrelevanten Gesichtspunkte im Entscheidungsprogramm des § 11 AufenthG. Dass sie nach § 11 Abs. 2 AufenthG zwingend zur Befristung verpflichtet ist und über die Länge der Frist nach § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessen zu entscheiden hat, war ihr bewusst. Da sie nun nicht nur von einem Aufgebot im Zeitpunkt ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist sondern auch von einer Eheschließung, ist kein für die Ermessensentscheidung wesentlicher Gesichtspunkt mehr übersehen worden und damit auch kein Ermessensdefizit gegeben. Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht mehr substantiiert geltend gemacht.
Da für eine Ermessensreduzierung auf null mit der Folge einer Befristung auf null Tage aber keine Anhaltspunkte vorliegen – der Kläger hat derzeit wohl keinen strikten Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Ehegattennachzug ohne vorherige Durchführung bzw. Nachholung eines Visumsverfahrens (vgl. unter 1.) –, kann das Gericht die Beklagte weder zur Befristung auf null noch zur Neuentscheidung verpflichten (vgl. § 114 VwGO), da die Beklagte bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ihre Ermessensentscheidung selbst korrigiert bzw. fehlerfrei nachgeholt hat.
3. Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid des Bundesamtes in der Fassung des teilweise abhelfenden Bescheids im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Eine kostenmindernde (Teil-)Erledigterklärung hat der Kläger nicht abgegeben, sondern an seinen ursprünglichen Klageanträgen festgehalten. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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