Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen die vollständige Ablehnung eines Asylantrags (Irak)

Aktenzeichen  M 4 K 16.34828

Datum:
1.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17045
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. In der autonomen Region Kurdistan ist schiitischen Milizen eine Verfolgung nicht möglich, weil sie dort nicht tätig sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass eine Ansiedlungserlaubnis in Kurdistan für hochqualifizierte Personen arabischer Abstammung und schiitischer Religion, die dort arbeiten, aus rechtlichen oder politischen Gründen, nicht möglich ist, ist aus den Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die erheblichen wirtschaftlichen Konjunktureinbrüche durch die aktuelle Sars-Cov2-Pandemie lassen prognostisch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage vulnerabler Personen annehmen. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2020 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO. Die Beklagte ist formgerecht geladen worden.
II.
Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung eines internationalen Schutzes (§§ 3, 4 AsylG) oder Feststellung von Abschiebungsverboten zu. Die Klage war daher abzuweisen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 ff. AsylG liegen nicht vor.
Der Kläger konnte das Gericht im Falle einer Rückkehr in den Irak vom Vorliegen von einer begründeten Furcht vor Verfolgungshandlungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3a AsylG nicht überzeugen. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen.
1.1. Eine Vorverfolgung des Klägers bei Rückkehr in den Irak ist nicht anzunehmen, da der Sachvortrag hinsichtlich der Bedrohungshandlungen unglaubhaft ist. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU bestimmt, dass Aussagen eines Antragstellers auf internationalen Schutz keines Nachweises bedürfen, wenn unter anderem b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde; c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen.
Das Gericht kam aufgrund des Eindruckes und der Aussagen des Klägers im Asyl- und Gerichtsverfahren nicht zu dem Ergebnis, dass der Vortrag des Klägers bezüglich einer erfolgten Vorverfolgung durch die schiitische Miliz Asa’ib Ahel al-Haq glaubhaft ist.
Der Sachvortrag in den Anhörungen beim Bundesamt vom 21. April 2016 zur Bedrohungslage ist detailarm, kursorisch und oberflächlich. Der Kläger gab lediglich an, dass Anfang November 2015 schiitische Gruppen ihn dazu zwingen haben wollen, für sie zu arbeiten. Er sei mit dem Tod bedroht worden, falls er nicht mit den schiitischen Gruppen zusammenarbeite. Die letzte Bedrohung sei im November 2015 erfolgt. Der für die Rekrutierung Zuständige habe dreimal seine Leute zu ihm geschickt, um ihn zu bedrohen und zur Mitarbeit zu bringen.
In der Klagebegründung vom 16. März 2020 wurde ergänzt, dass es sich bei der den Kläger drohende Miliz um die Asa’ib Ahel al-Haq handele. Zum konkreten Bedrohungsablauf wurde weiterhin lediglich erklärt, dass Mitglieder dieser Gruppe den Kläger zur Zusammenarbeit zwingen wollten. Sie hätten dreimal Mitglieder zum Haus der Familie geschickt, um den Kläger zur Zusammenarbeit zu bringen und schließlich bei Weigerung der Mitarbeit Todesdrohungen gegen den Kläger ausgesprochen. Die Situation der Familie in Bagdad sei immer noch von der Bedrohung durch diese Gruppierung geprägt. Die Eltern und Geschwister seien in der Zwischenzeit erneut befragt worden, wo der Kläger sei und wann er zurückkomme.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vertiefte der Kläger das Kerngeschehen der Bedrohung nicht weiter. Zeitlich ordnete der die Bedrohung zunächst im Oktober/November 2015, dann später im November/Dezember 2015 ein. Auf Nachfrage des Gerichts rechnete der Kläger von seinem Arbeitsbeginn bei der neuen Firma im Januar 2015 einen ganz ungefähren Zeitraum aus, in dem die Bedrohungen angefangen haben sollen. Er erläuterte weder den genauen zeitlichen noch inhaltlichen Ablauf der Bedrohungshandlungen. In zeitlicher Hinsicht gab der Kläger beim Bundesamt zunächst an, dass er von Anfang bis Ende November 2015 insgesamt dreimal bedroht wurde. Weitere Bedrohungen der Familie des Klägers nach dessen Abreise oder den Namen der Miliz Asa’ib Ahel Haq erwähnte der Kläger nicht. Er sprach von mehreren schiitischen Gruppen. In der Klagebegründung stellte der Kläger dar, dass seine Familie in Bagdad dreimal im November 2015 aufgesucht worden sei, und zwar von der Gruppierung Asa’ib Ahel Haq. Die Familie werde auch aktuell von dieser Miliz nach seinem Aufenthaltsort befragt. Der Kläger gab hierzu auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Familie zuletzt im März 2016 nach ihm gefragt wurde. Zeitlich widersprach sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung unbemerkt, indem er anfangs angab, im Oktober/November 2015 und zu einem späteren Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung im November/Dezember 2015 bedroht worden zu sein. Diese Angaben widersprechen wiederum seinem Vortrag beim Bundesamt, nachdem er dreimal im November 2015 aufgesucht worden sei. Die letzte Bedrohungshandlung war zunächst zum Zeitpunkt Ende November 2015, dann Ende Dezember 2015 angegeben worden.
Auch unter Berücksichtigung, dass die Bedrohungen gegenüber der Familie in Bagdad ausgesprochen wurden, ist zur Darlegung eines tatsächlichen Geschehensablaufs ein detaillierterer Vortrag zu erwarten gewesen oder ein detaillierter Hinweis darauf, wann und wie er Kenntnis von der Bedrohung durch seine Familie erhalten habe. Konkrete Fragen zur zeitlichen Einordnung und inhaltlichen Stimmigkeit der Bedrohungshandlungen wurden vage und teilweise ausweichend beantwortet. Besonders auffällig ist im Gegensatz hierzu die sehr detaillierte und genaue Erläuterung im Hinblick auf das Studium/die Arbeitsstellen des Klägers und seiner Flucht nach den Bedrohungshandlungen.
Die Angabe des Klägers, dass der Dolmetscher beim Bundesamt kein irakischer Staatsangehöriger gewesen sei und er sehr viel erzählt habe, jedoch nur wenig aufgenommen worden sei und dies dazu noch „zu 90 Prozent falsch“ führt zu keiner anderen Bewertung oben genannter Unstimmigkeiten. Der Kläger bestätigte nach der Niederschrift des Bundesamts, dass es mit dem Dolmetscher keine Verständigungsprobleme gegeben hatte und beanstandete die Rückübersetzung der Niederschrift beim Bundesamt nicht. Doch selbst zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass es ein Problem mit dem Dolmetscher beim Bundesamt gegeben haben könnte, nutzte der Kläger die mündliche Verhandlung nicht dazu, weitere Substantiierungen seiner Angaben zu den konkreten Bedrohungshandlungen vorzunehmen. Wie das Gericht sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen konnte, erläutert der Kläger sehr ausführlich und detailliert Fragen zu seiner Ausbildung, seiner Fluchtorganisation und der allgemeinen politischen Lage und Sicherheitslage im Irak zum Zeitpunkt seiner Flucht. Zu den entscheidenden Fragen der konkreten Verfolgungshandlungen, die der Kläger erlitt, blieb der Kläger jedoch auch auf Nachfrage vage und sehr oberflächlich.
Das Gericht gelangt weiter aufgrund der zeitlichen Koinzidenz der Balkanroutenöffnung im Herbst 2015, die dem Kläger nach seinen spontan getätigten Angaben in der mündlichen Verhandlung bekannt war, und des auf den 4. November 2015 datierten Empfehlungsschreibens des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, zur Auffassung, dass auch aufgrund dieser Indizien eine Vorverfolgung des Klägers nicht glaubhaft ist. Die sehr detaillierten Ausführungen des Klägers zu den Gründen für das Empfehlungsschreiben, die nichts mit seiner Flucht zu tun gehabt haben sollen, überzeugten das Gericht vor allem wegen der fehlenden konsistenten zeitlichen Einordnung zu den angeblich im gleichen Zeitraum erfolgten Bedrohungshandlungen nicht.
1.2. Gründe, die für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr in den Irak sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Selbst bei Unterstellung einer Vorverfolgung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung die letzte Ansprache der Familie des Klägers durch die Miliz im März 2016, mithin kurz nach seiner Ausreise. Dass der Kläger aktuell, mehr als vier Jahre nach der letzten angeführten Bedrohungshandlung, von der Miliz weiterhin aktiv gesucht wird, ist nicht wahrscheinlich.
1.3. Aufgrund seiner guten Ausbildung und der Möglichkeit, in der Öl-, Gas- und Elektrobranche zu arbeiten, ist es dem Kläger zudem möglich und zumutbar seinen Wohnsitz innerhalb des Iraks, auch in die Region Kurdistan, zu verlegen und dort internen Schutz zu finden. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Schiitische Milizen können den Kläger in der autonomen Region Kurdistan nicht verfolgen, da diese dort nicht tätig sind. Auch kann er sicher und legal in diesen Landesteil reisen und es kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet, dass er sich dort niederlässt
Dem stehen die vom Kläger dargelegten Argumente nicht entgegen, da es ihm auch möglich und aus seiner Sicht zumutbar gewesen war, in die Bundesrepublik Deutschland seinen Lebensmittelpunkt zu verlegen, wo erst recht andere Gesetze und eine andere Kultur als in der Autonomen Region Kurdistan gelten. Dass eine Ansiedlungserlaubnis in Kurdistan für hochqualifizierte Personen arabischer Abstammung und schiitischer Religion, die dort arbeiten, aus rechtlichen oder politischen Gründen, nicht möglich ist, ist aus den Erkenntnismitteln nicht ersichtlich (EASO, Country of Origin Information Report Iraq: Internal Mobility, February 2019, S. 34 ff.). Soweit der Kläger angibt, dass er aktuell aufgrund der Wirtschaftskrise keine Arbeit finden könne, verweist das Gericht auf die vom Kläger geschilderten informellen Netzwerke durch die Studienkollegen, die in verschiedenen Firmen tätig sind. Weiter sind beide Eltern des Klägers als Lehrer berufstätig und der Kläger verfügt über Geschwister und eine Großfamilie, die ihm für eine Übergangszeit finanzielle Unterstützung zukommen lassen können.
2. Der Kläger hat weiter keinen Anspruch auf die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Die Gefahr der Verhängung einer Todesstrafe ist nicht ersichtlich und eine ernsthafte Gefahr, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erleiden ist nicht glaubhaft vorgetragen worden (vgl. Punkt II. 1.), § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG.
Ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG steht dem Kläger nicht zu.
Ein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG könnte zwar in Bagdad anzunehmen sein, allerdings erreicht die willkürliche Gewalt gegen Zivilpersonen dort nicht die Dichte, die vorausgesetzt wird, um einen subsidiären Schutzstatus auszulösen (s. BayVGH, U.v. 25.1.2017, 13a ZB 16.30374, juris – Rn. 11). Im gesamten Gebiet des Iraks ist nach den aktuellen Zahlen bei weitem nicht die vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebene quantitative Gefährdungsschwelle von 1:800 Einwohnern erreicht, so dass eine Bewertung der qualitativen Merkmale dahinstehen kann (EASO, Irak Sicherheitslage, März 2019, S. 50 ff., 79 ff.; EASO Country Guidance Iraq, Juni 2019, S. 106; BVerwG, U. v. 17. 11. 2011 – 10 C 13.10 juris Rn. 22f.). Ein starker Rückgang der kriegerischen Handlungen in der Provinz Bagdad im Vergleich zu den letzten Jahren ist zu verzeichnen (EASO, Irak Sicherheitslage, März 2019, S. 50 ff., 79 ff.; EASO Country Guidance Iraq, Juni 2019, S. 106), sodass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der Kläger nur wegen seiner Anwesenheit von willkürlicher Gewalt betroffen sein wird. Die aktuellen Erkenntnismittel zeigen, dass sich die willkürliche Gewalt gegenüber Zivilisten im Irak weiter abgeschwächt hat (https://www.iraqbodycount.org/database/). Trotz der Proteste und Demonstrationen in Bagdad ist die Sicherheitslage in Bagdad aktuell nicht so einzuschätzen, dass jede Person durch ihre Anwesenheit in der Region Bagdad Gefahr liefe, getötet oder verletzt zu werden. Gefahrerhöhende individuelle Merkmale sind beim Kläger nicht ersichtlich.
3. Hinsichtlich der Ausführungen zu den Abschiebungsverboten folgt das Gericht der zutreffenden Feststellungen und der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid (S. 6 ff. des Bescheids), § 77 Abs. 2 Alt. 1 AsylG.
§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Klagepartei im gesamten Zielstaat der Abschiebung Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht (Heusch/Haderlein/Schönenbroich, Das neue Asylrecht, 1. Auflage 2016, Rnr. 119). Die humanitäre und wirtschaftliche Lage im Irak hat sich seit dem Bescheidserlass im November 2016 bis März 2020 kontinuierlich verbessert, auch wenn sie aktuell noch auf relativ niedrigem Niveau liegt und daher bei vulnerablen Personen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Aert. 3 EMRK begründet sein kann (vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren, Februar 2019; UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019, S. 54 ff.).
Ergänzend wird weiter festgestellt, dass trotz der erheblichen wirtschaftlichen Konjunktureinbrüche durch die aktuellen Sars-Cov2-Pandemie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht festzustellen ist. Die Lebensmittelversorgung im Irak ist weiterhin sichergestellt und wird engmaschig überwacht (FAO u.a., Iraq COVID-19 Food Security Monitor, weekly update – issue 8 vom 9. Juni 2020; Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen, Kurzinformation des Staatenwesens, Naher Osten – Covid 19 -Aktuelle Lage vom 16. Juni 2020, S. 2 f.). Wegen der weltweit zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere auch in der Ölbranche, von der der Irak wirtschaftlich stark abhängig ist (Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen, Kurzinformation des Staatenwesens, Naher Osten – Covid 19 -Aktuelle Lage vom 16. Juni 2020, S. 2 f.; OCHA, Iraq: Covid 19, Situation Report No. 14, 1. June 2020; FAO u.a., Iraq COVID-19 Food Security Monitor, weekly update – issue 8 vom 9. Juni 2020), ist trotz der Versuche des irakischen Staates und nationaler und internationaler Organisationen und NGOs wohl eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage vulnerabler Personen prognostisch anzunehmen. Allerdings ist der Kläger aufgrund seiner hohen Bildung, seiner Großfamilie im Irak und seinen beiden als Lehrer arbeitenden Eltern nicht zu diesem Personenkreis zu zählen. Das Gericht geht auf Grund obiger Punkte davon aus, dass der junge, gesunde und hochgebildete Kläger mithilfe seines Familiennetzwerkes trotz der wirtschaftlichen Eintrübung in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu erarbeiten.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist nicht ersichtlich. Krankheiten des Klägers sind nicht vorgetragen. Die allgemeine Pandemielage zu Sars-CoV2 ist im Irak aktuell unter Beobachtung. Gegenmaßnahmen sind ergriffen (OCHA, Iraq: Covid 19, Situation Report No. 14, 1. June 2020), so dass eine ausreichend konkrete Gefährdung des jungen Klägers durch die Erkrankung bereits nicht ersichtlich ist. Die Pandemie stellt zudem eine allgemeine Gefahr für die Bevölkerung nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG dar, die nicht zu einem individuellen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt.
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots aus einer verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor. Bei extremen Gefahrenlagen im Zielstaat, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Klagepartei zu einer Grundrechtsverletzung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz führen, kann in extremen Ausnahmefällen Abschiebeschutz zu gewähren sein. Hierbei muss festgestellt werden, dass die Klagepartei durch die Abschiebung „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ werde (HessVGH, Urteil vom 30. Januar 2014, Az. 8 A 119/12 A – juris Rn. 47 m.w.N.). Dies ist beim Kläger nicht ersichtlich.
4. Es bestehen weiter keine tatsächlichen oder rechtlichen Bedenken gegen die Ziffern 5. und 6. des streitgegenständlichen Bescheids.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
6. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Klage beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. den §§ 708, 711 ZPO.


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