Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen endgültiges Nichtbestehen der Bachelorprüfung sowie gegen Exmatrikulation

Aktenzeichen  M 3 K 16.2864

Datum:
21.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RaPO RaPO § 8 Abs. 4, § 10 Abs. 2, Abs. 3 S. 3, § 13 Abs. 3
APO § 12 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Ob eine beantragte Nachfrist für die Ablegung einer Wiederholungsprüfung “angemessen” ist, beurteilt sich auch nach dem konkreten Studienverlauf und der absoluten Anzahl der bereits absolvierten Fachsemester. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist eine Verlängerung der Nachfristgewährung abzulehnen, wenn nach den Gesamtumständen ein erfolgreicher Studienabschluss nicht mehr zu erwarten ist, setzt dies eine Prognoseentscheidung voraus, bei der die Gesamtumstände (wie zB konkrete Art der Erkrankung, Verlauf der Erkrankung, Heilungsprognosen, erbrachte Studienleistungen des Prüflings in welchen Zeiträumen, bisheriger Studienverlauf sowie gesamte Studiendauer etc.) zu berücksichtigen sind. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Bescheide vom 2. März 2016 in Form des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2016, der Bescheid vom 3. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2016 sowie der Bescheid vom 13. Dezember 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der von ihm beantragten Nachfristen.
1. Nachdem mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 21. August 2014 festgestellt worden war, dass nach Ablauf des Sommersemesters 2014 die Bachelorprüfung in den Modulen WF-Fremdsprache I und II, IKK, Führung von Change Management Projekten, Management und Informationssysteme, Qualitäts- und Prozessmanagement, Projekt-Management-Fallstudie, Beratung in Informationsmanagement-Projekten, Bachelorarbeit als erstmals abgelegt und nicht bestanden gilt, konnte der Kläger die Prüfungsleistungen in den genannten Modulen nur noch als Wiederholungsprüfungen ablegen, außerdem begann die vier Monate dauernde (§ 11 Satz 3 der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Betriebswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften … vom 11. August 2011, zuletzt geändert am 27. Juli 2015 – im Folgenden SPO -) Bearbeitungsfrist der zu wiederholenden Bachelorarbeit gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 RaPO spätestens sechs Monate nach Zustellung dieses Bescheids (23. August 2014)., also am 24. Februar 2015 (Ende der Bearbeitungszeit 24. Juni 2015).
Die Wiederholungsprüfungen in den einzelnen Modulen mussten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Hochschule für angewandte Wissenschaften … vom 29. Januar 2008, zuletzt geändert am 10. November 2015 (im Folgenden: APO) im darauffolgenden Semester, also dem Wintersemester 2014/2015, wiederholt werden.
Mit Bescheiden vom 22. Januar 2015 und 21. Juli 2015 gewährte die Beklagte zu 1) dem Kläger auf dessen Antrag für die erste Wiederholung der Bachelorprüfung in den Fächern Englisch im Unternehmenskontext, Englisch im volkswirtschaftlichen Kontext, IKK, Führung von Change Management Projekten, Instrumente des Projektmanagements, Prozess- und Qualitätsmanagement, Management- und Informationssysteme, Bachelorarbeit, Bachelorseminar und Kolloquium Nachfristen von jeweils einem Semester letztlich bis zum Ende des Wintersemesters 2015/2016 „unter der Auflage, sich Anfang Oktober (gemeint wohl 2015) bei der Vorsitzenden der Prüfungskommission zu melden.
Die Entscheidung der Beklagten zu 1) im Bescheid vom 2. März 2016, den Antrag des Klägers vom 17. Januar 2016 auf weitere Nachfristgewährung bis zum Sommersemester 2016 für die Bachelorprüfungsmodule für die Bachelorprüfungsmodule Englisch im Unternehmenskontext, Englisch im volkswirtschaftlichen Kontext, Interkulturelle Kommunikation in englischer Sprache und Führung von Change Management Projekten sowie für die Bachelorarbeit, des Bachelorseminars und des Colloquiums abzulehnen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei den Prüfungen, für die eine Nachfrist vom Kläger beantragt worden war, handelte es sich jeweils um Wiederholungsprüfungen. Insoweit können gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3, § 8 Abs. 4 Satz 1 RaPO die Fristen auf Antrag angemessen verlängert werden, wenn sie u.a. wegen Krankheit oder anderer nicht zu vertretender Gründe nicht eingehalten werden können. Dabei bezieht sich der Begriff „angemessen“ entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten des Klägers nicht nur auf die konkreten Zeiträume einer Krankheit oder sonstigen Verhinderung. Vielmehr sind insoweit auch der konkrete Studienverlauf und die absolute Anzahl der bereits absolvierten Fachsemester zu berücksichtigen. Dies gebietet insbesondere der im Prüfungsrecht vorherrschende Grundsatz der Gleichbehandlung und Chancengleichheit gegenüber anderen Studierenden, von denen im Studiengang des Klägers erwartet wird, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit plus zwei Semestern, also insgesamt neun Semestern, abzuschließen (§ 13 Abs. 3 RaPO i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 SPO).
Letztlich entscheidend wurde die Ablehnung der Verlängerung der Nachfristgewährung jedoch zu Recht auf § 8 Abs. 4 Satz 7 RaPO gestützt, wonach eine Fristverlängerung abzulehnen ist, wenn nach den Gesamtumständen ein erfolgreicher Studienabschluss nicht mehr zu erwarten ist. Dies setzt eine Prognoseentscheidung voraus, bei der die Gesamtumstände (wie z.B. konkrete Art der Erkrankung, Verlauf der Erkrankung, Heilungsprognosen, erbrachte Studienleistungen des Prüflings in welchen Zeiträumen, bisheriger Studienverlauf sowie gesamte Studiendauer etc.) zu berücksichtigen sind. Die Beklagte zu 1) durfte bei dieser Prognose damit zu Recht berücksichtigen, dass der Kläger in den vergangenen sechs Semestern nur fünf der vorgeschriebenen Prüfungsleistungen erbracht hatte, während er zum Abschluss des Studiums noch sechs weitere Leistungen in Modulen zu erbringen hatte, in denen er bisher überhaupt keine Prüfungsleistungen erbracht hatte. Ebenso rechtmäßig war die Berücksichtigung des bisherigen Studienverlaufs des Klägers und der gegebenenfalls erforderlichen zweiten Wiederholungsprüfungen, um den Zeitbedarf für die noch ausstehenden Prüfungsleistungen zu prognostizieren. Schließlich hat die Beklagte zu 1) zu Recht berücksichtigt, dass trotz gleichbleibender ärztlicher Prognosen in den Gesundheitszeugnissen vom 26. Juni 2015 und 3. Februar 2016 sich diese bisher nicht erfüllt hatte. Sachwidrige Erwägungen sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Es wurde nachvollziehbar begründet, warum zum Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung nach den Gesamtumständen ein erfolgreicher Studienabschluss nicht mehr zu erwarten war.
Damit erweist sich der Bescheid vom 2. März 2016 hinsichtlich der Ablehnung einer weiteren Nachfrist als rechtmäßig. Dem steht in formaler Hinsicht auch nicht entgegen, dass die Prüfungskommission die Entscheidung, wie bei der Beklagten zu 1) im Regelfall, gemäß § 3 Abs. 5 RaPO ihrer Vorsitzenden übertragen hat.
Letztlich kann insoweit auch dahingestellt bleiben, ob der Antrag auf Nachfristgewährung hinsichtlich der Bachelorarbeit zu spät, nämlich nach Ablauf der vorherigen Nachfrist, gestellt wurde, wie im Widerspruchsbescheid dargestellt. Nachdem der Beginn der Bearbeitungszeit der Bachelorarbeit sechs Monate nach Bescheidszustellung (23. August 2014) lag, mit den Nachfristgewährungen, die auch die Bachelorarbeit erfassten, zuletzt bis zum Endes des Wintersemesters 2015/2016 eine Frist gesetzt wurde, bis zu der die entsprechenden Arbeiten spätestens vorliegen bzw. Prüfungen absolviert sein mussten, spricht vieles dafür, dass das Thema der Bachelorarbeit vier Monate vor Ablauf der letzten Frist, also am 15. November 2015, hätte vergeben sein müssen. Es wäre dem Kläger aber möglicherweise auch unbenommen geblieben, mit einer verkürzten Bearbeitungszeit noch den Abgabetermin bis zum Endes des Wintersemesters einzuhalten.
Nachdem die Nachfrist somit zu Recht nicht gewährt wurde, galten die Prüfungsleistungen oder Prüfungen als nicht bestanden (§ 8 Abs. 4 Satz 8 RaPO). Da die Bachelorarbeit bereits einmal als nicht bestanden galt und nur einmal wiederholt werden darf (§ 10 Abs. 2 Satz 1 RaPO) war diese und damit die Bachelorprüfung (§ 11 Abs. 1 RaPO) endgültig nicht bestanden.
Aufgrund von Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG wurde der Kläger zu Recht mit Bescheid vom 2. März 2016 exmatrikuliert.
2. Auch der Bescheid vom 3. August 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 sind rechtmäßig.
Bei den beiden Prüfungen „Englisch im Unternehmenskontext“ und „Englisch im volkswirtschaftlichen Kontext“, an denen der Kläger im Sommersemester 2016 erfolglos teilnahm handelte es sich jeweils um die 2. und damit letzte Wiederholungsmöglichkeit. Mit Bescheid der Hochschule vom 21. August 2014 galten die beiden Prüfungen als erstmals abgelegt und nicht bestanden. Nachdem dem Kläger zweimal, zuletzt mit Bescheid vom 21. Juli 2015 eine Nachfrist zur Ablegung dieser Prüfungen, zuletzt bis Ende des Wintersemester 2015/2016 gewährt worden war, hätte er die Wiederholungsprüfungen für diese Fächer im Prüfungszeitraum des Wintersemesters 2015/2016 ablegen müssen. Da er an den Prüfungen nicht teilnahm, eine weitere beantragte Nachfrist jedoch mit Bescheid vom 2. März 2016 abgelehnt wurde, galten diese beiden Prüfungen gemäß § 8 Abs. 4 Satz 8 RaPO erneut als nicht bestanden.
Soweit der Kläger geltend macht, aus dem mit dem weiteren Nachfristantrag vom 17. Januar 2016 vorgelegten Gesundheitszeugnis vom 3. Februar 2016 ergebe sich, dass er im Prüfungszeitraum vom 18. Januar 2016 bis 29. Januar 2016 prüfungsunfähig gewesen sei und damit an der Prüfung nicht hätte teilnehmen können, führt dies nicht zum Erfolg. Dass der Kläger seine Prüfungsunfähigkeit im genannten Prüfungszeitraum nicht hätte erkennen können, ergibt sich weder aus seinem eigenen Vortrag noch aus dem Gesundheitszeugnis. Somit hätte der Kläger vor den Prüfungen, spätestens am Prüfungstag, mit dem entsprechenden ärztlichen Attest zurücktreten müssen. Dass er stattdessen auf die Gewährung einer weiteren Nachfrist vertraut hat, liegt in seinem eigenen Verantwortungsbereich. Es handelte sich also bei den beiden Prüfungen im Sommersemester 2016 jeweils um die zweite Wiederholungsprüfung, die der Kläger jeweils nicht bestand. Da gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 APO in Bachelorprüfungen höchstens fünf Prüfungen zweimal wiederholt werden können, in der SPO keine dritte Wiederholungsmöglichkeit vorgesehen ist, hat der Kläger diese Prüfungen und damit die Bachelorprüfung (§ 11 Abs. 1 RaPO) endgültig nicht bestanden und war gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zu exmatrikulieren.
Soweit der Kläger rügt, ihm hätte wegen einer Legasthenie Nachteilsausgleich gewährt werden müssen, macht er einen Verfahrensfehler geltend, der unverzüglich, d.h. zu Beginn der Prüfung, nicht erst nach Vorliegen der Prüfungsbewertung zu rügen gewesen wäre.
3. Somit war auch der Bescheid vom 13. Dezember 2016 rechtmäßig, da der Kläger zu Recht nicht zu den beiden Prüfungen zugelassen wurde, die er aus den in Nr. 2. dargestellten Gründen bereits endgültig nicht bestanden hatte und für die eine dritte Wiederholungsprüfung, wie dargestellt, nicht vorgesehen ist.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
II.
Auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe war deshalb wegen mangelnder hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zu einem Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Ist nach dem Vorstehenden die Klage erfolglos, so gilt dies auch für den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.


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