Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  B 6 S 18.986

Datum:
26.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47461
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 50, § 58, § 59, § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VwZVG Art. 21 lit. a

 

Leitsatz

Die Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung hat (§ 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis und eine Abschiebungsandrohung.
Der Antragsteller, tunesischer Staatsangehöriger, war vom 01.12.2011 bis 29.01.2018 als sorgeberechtigter Vater einer minderjährigen deutschen Tochter im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Am …2018 wurde die Tochter des Antragstellers volljährig.
Mit Bescheid vom 16.08.2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers vom 14.12.2017 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und drohte dem Antragsteller unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise bis zum 30.09.2018 die Abschiebung nach Tunesien an (Ziffern 2 und 3).
Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20.09.2018 Klage erhoben und beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2018 den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern.
Gleichzeitig hat er beantragt,
„Die Abschiebungsandrohung nach Tunesien wird bis zu einer Entscheidung über Ziffer 1.) des Antrages ausgesetzt, die Beklagte wird – notfalls im Wege der einstweiligen Anordnung – verpflichtet, keine Abschiebemaßnahmen zu treffen.“
Die Begründung der Klage und des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz wurde bis zum 27.09.2018 in Aussicht gestellt. Da in dem Bescheid eine Ausreisefrist zum 30.09.2018 gesetzt und bereits die Abschiebung angedroht worden sei, sei auch darüber zu entscheiden, dass keine Abschiebebemühungen durch den Antragsgegner vorgenommen würden, dies notfalls im Wege der einstweiligen Anordnung. Falls hier noch eine Klarstellung gerichtlich erfolgen solle, werde um einen entsprechenden Hinweis gebeten. Ziel des Antragstellers sei es jedenfalls, vor rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben und nicht abgeschoben zu werden.
II.
1. Versteht man den Antrag, die Abschiebungsandrohung nach Tunesien bis zu einer Entscheidung über die Klage auszusetzen, als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung, ist dieser Antrag zulässig, aber nicht begründet.
1.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in den durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Darüber hinaus können die Länder gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO bestimmen, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden. Demgemäß bestimmt Art. 21a VwZVG sowohl für Landesrecht als auch für Bundesrecht, dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden (Art. 21a Satz 1 VwZVG), und ordnet an, dass § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 VwGO entsprechend gelten (Art. 21a Satz 2 VwZVG). Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO und gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG auch in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.
Da es sich beim Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 59 AufenthG um eine Maßnahme handelt, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen wird, ist nach alledem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Abschiebungsandrohung erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft.
1.2 Der Antrag ist aber nicht begründet, weil die vom Gericht durchzuführende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Abschiebungsandrohung erhobenen Anfechtungsklage das vom Gesetzgeber als Regelfall unterstellte öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehbarkeit nicht überwiegt. Ein überwiegendes privates Interesse besteht in der Regel nicht, wenn die Anfechtungsklage gegen den kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. So verhält es sich hier. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht ernsthaft zu rechnen, weil sie allem Anschein nach rechtmäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die in § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgesehene Abschiebung eines Ausländers unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen, wobei gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG in der Androhung der Staat bezeichnet werden soll, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Gemäß § 59 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG steht dem Erlass der Androhung das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen; in der Androhung ist gegebenenfalls lediglich der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Im Übrigen setzt die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung (nur) voraus, dass der Ausländer gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet ist, d.h. einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt.
Danach begegnet die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Abschiebungsandrohung nach summarischer Prüfung keinen Bedenken. Zwar hat der Antragsteller rechtzeitig vor Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt mit der Folge, dass gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die bisherige Aufenthaltserlaubnis vom Zeitpunkt ihres Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend galt. Mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 16.08.2018 ist diese Fiktionswirkung der Verlängerungsantragstellung jedoch entfallen. Daran ändert allein die Klageerhebung gegen die Versagung der Verlängerung nichts, weil gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG die Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung hat. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage mit dem Ziel des vorläufigen Fortbestandes der Fiktionswirkung liegt im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht vor.
Ist somit der Antragsteller mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 16.08.2018 gemäß § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig geworden, weil trotz erfolgter Verlängerungsantragstellung der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht mehr als fortbestehend gilt und die Klage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne weiteres keine aufschiebende Wirkung entfaltet, begegnet auch die Bestimmung der Ausreisefrist bis zum 30.09.2018 keinen Bedenken. Die Abschiebungsandrohung mit dieser Fristbestimmung wäre nur dann nicht haltbar, wenn auf entsprechenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung des Verlängerungsantrages angeordnet würde.
In vorliegender Antragskonstellation findet also gerade keine summarische inhaltliche Prüfung von Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides statt, sodass ein Abwarten der vom Gericht eingeräumten Begründungsfrist auch unter Berücksichtigung des Gebotes des rechtlichen Gehöres nicht notwendig erscheint.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist unzulässig. Zwar kann das Gericht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO gilt die Vorschrift des Absatzes 1 aber nicht für Fälle des § 80 VwGO. Ein solcher Fall liegt hier, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, vor. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung des Verlängerungsantrages gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde die Fiktionswirkung vorläufig verlängert mit der Folge, dass der Antragsteller gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr vollziehbar ausreisepflichtig und infolgedessen vor einer Abschiebung, die gemäß § 58 Abs. 1 AufenthG die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraussetzt, vorläufig geschützt wäre, ohne dass es einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bedarf. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher nicht statthaft.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs.

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