Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Abschiebung – Fehlender Anordnungsgrund bei Aufenthaltsgestattung

Aktenzeichen  M 24 E 16.3403

Datum:
22.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3
ZPO ZPO § 920 Abs. 2
AsylG AsylG § 55 Abs. 1 S. 1
AufenthG AufenthG § 10

 

Leitsatz

Für die Dauer der durch das BAMF erteilten Aufenthaltsgestattung besteht keine Ausreisepflicht.  (redaktioneller Leitsatz)
Während der Dauer eines Asylverfahrens ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur unter äußerst eingeschränkten Voraussetzungen möglich.  (redaktioneller Leitsatz)
Für einen Anspruch auf Duldung ist neben der Aufenthaltsgestattung kein Raum.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom … März 2016 wurde seine Ausweisung verfügt und ihm die Abschiebung nach Ghana angedroht. Der Bescheid ist seit … Mai 2016 bestandskräftig.
Am … August 2016 beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht … einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO mit dem durch Schriftsatz vom … August 2016 zuletzt wie folgt gefassten Antrag:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, vom Vollzug der im Bescheid vom …März 2016 angekündigten Abschiebung aus der Haft nach Ghana solange abzusehen, bis über den Aufhebungsantrag sowie den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. einer Duldung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom ….08.2016 und vom …08.2016 bestandskräftig entschieden worden ist.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe am … August 2016 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aufhebung des Ausweisungsbescheids wegen offensichtlicher Unrichtigkeit gestellt, da der Bescheid zu Unrecht davon ausgehe, der Antragsteller habe die Vaterschaft bezüglich seiner Tochter nicht anerkannt. Am … August 2016 sei zudem bei der Antragsgegnerin ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, hilfsweise einer Duldung gestellt worden.
Mit Schreiben vom … August 2016 teilte die Antragsgegnerin der Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass eine Aufhebung des Ausweisungsbescheids nicht in Betracht komme.
Die Antragsgegnerin legte mit Antragserwiderung vom … September 2016 die Behördenakte vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, es bestehe kein Anordnungsanspruch. Die Anerkennung der Vaterschaft, die der Behörde bei Bescheidserlass nicht bekannt gewesen sei, könne allenfalls dann einer Abschiebung entgegenstehen, wenn eine faktische Beziehung zwischen Vater und Tochter bestehen würde, dies sei jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Mit Schriftsatz vom …. September 2016 legte die Bevollmächtigte des Antragstellers eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für den Antragsteller ausgestellte Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens vom … September 2016 vor, die bis … Dezember 2016 gültig ist. Außerdem legte sie einen Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom … September 2016 vor, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller an diesem Tag bei der Antragsgegnerin vorgesprochen habe und aufgefordert worden sei, seine Meldeverhältnisse zu klären, da er immer noch in der JVA gemeldet sei. Er habe eine Grenzübertrittsbescheinigung für eine Woche erhalten, die – sobald die Anmeldung ordnungsgemäß erfolgt sei – bis zur Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Eilantrag verlängert werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1.1. Nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
1.2. Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat eine bis … Dezember 2016 gültige Aufenthaltsgestattung des BAMF (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) vorgelegt. Für die Dauer der Gestattung besteht keine Ausreisepflicht (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.1997 – 1 B 219/97 – juris Rn. 6). Es ist weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin beabsichtigen würde, sich über die Gestattung hinwegzusetzen. Aus dem insoweit zur Glaubhaftmachung vorgelegten Aktenvermerk der Antragstellerin vom … September 2016 über eine persönliche Vorsprache des Antragstellers, geht nicht hervor, dass dieser der Antragsgegnerin die Gestattung vorgelegt oder sie sonst darüber in Kenntnis gesetzt hat. Vielmehr ist im Vermerk von ungeklärten Meldeverhältnissen die Rede, was eher gegen eine Vorlage der Gestattung spricht, da die aktuelle Anschrift der Gestattung unschwer hätte entnommen werden können.
1.3. Auch ein Anordnungsanspruch wurde nicht glaubhaft gemacht. Insoweit fehlt es schon an der Bezeichnung einer einschlägigen Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche. Soweit ein Anspruch auf Erteilung eines nicht näher bezeichneten Aufenthaltstitels geltend gemacht wird, sei zudem darauf hingewiesen, dass gemäß § 10 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Erteilung eines Aufenthaltstitels während der Dauer eines Asylverfahrens nur unter äußerst eingeschränkten Voraussetzungen möglich ist. Für einen Anspruch auf Duldung ist neben der Aufenthaltsgestattung kein Raum.
Der Antrag war daher abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 8.1 des Streitwertkataloges.


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