Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Berufungszulassung wegen unzureichender Darlegung der asylrelevanten Verfolgung

Aktenzeichen  14 ZB 18.32707

Datum:
9.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13679
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die Frage, ob einem vom Islam zum Christentum konvertierten iranischen Staatsbürger im Falle seiner Rückkehr in den Iran eine asylrelevante Verfolgung droht, nicht den Anforderung der § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG entspricht. (Rn. 1 – 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt.
1. Klägerseits wird für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten, „ob einem vom Islam zum Christentum konvertierten iranischen Staatsbürger, der sich in der Bundesrepublik Deutschland offiziell und nachweisbar zum christlichen Glauben bekennt und dessen Konversion seinem Lebensumfeld in der Heimat bekannt ist, im Falle einer Rückkehr in den Iran eine asylrelevante Verfolgung droht, auch wenn in der Bundesrepublik das erkennende Gericht nicht die volle Überzeugung gewinnen konnte, dass der Kläger aus ernsthafter, fester Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten ist und für ihn die Ausübung des christlichen Glaubens eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung hat.“
Zur Begründung wird unter anderem vorgetragen, es werde nicht verkannt, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden habe, dass es keine Erkenntnisse dahingehend gäbe, dass einem allein aus formalen bzw. asyltaktischen Gründen zum christlichen Glauben Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran allein wegen des formalen Glaubenswechsels oder wegen seiner bisherigen religiösen Betätigung in Deutschland eine asylrechtliche relevante und/oder abschiebungsrelevante Verfolgung drohen könnte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich dabei auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015 bezogen. Zwischenzeitlich lasse sich die Frage jedoch nicht mehr ohne Weiteres zweifelsfrei beantworten.
Aus dem aktuellen Lagebericht vom 2. März 2018 (Stand Dezember 2017) ergebe sich eindeutig, dass es Muslimen verboten sei, zu konvertieren. Grundsätzlich könne die Konversion eine Anklage wegen Apostasie und schwerste Sanktionen bis hin zur Todesstrafe nach sich ziehen. Dass diese Folgen nicht eintreten würden, wenn nur ein formaler Glaubenswechsel vorliege, lasse sich dem Lagebericht (dort 1.4.4) nicht entnehmen. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen seien willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt (siehe 1.4.3 des Lageberichts). Auch hieraus gehe nicht hervor, dass von den iranischen Behörden berücksichtigt werde, dass nur ein formaler Glaubenswechsel vorliege. Die iranischen Behörden hätten wohl kein Interesse daran, die innere christliche Überzeugung der Konvertiten zu erforschen. Es gehe darum, dass die islamischen Grundsätze nicht in Frage gestellt werden dürften (siehe II.1 des Lageberichts), was bei einer Konversion grundsätzlich der Fall sei. Soweit es um die Behandlung von Rückkehrern gehe, führe zwar auch der aktuelle Lagebericht aus, dass die Tatsache eines Asylantrags in Deutschland bei der Rückkehr keine Repressionen bedinge. Erkenntnisse über Rückkehrer, die konvertiert seien, würden jedoch nicht erwähnt. Auch im Bericht von „open doors“ Deutschland e.V., Weltverfolgungsindex 2018, sei ausgeführt, dass die Taufe allein als öffentliches Zeichen des Übertritts zum Christentum und damit als Angriff auf den Islam gesehen werde und damit verboten sei. Hieraus ergebe sich gleichfalls die ernstzunehmende Vermutung, dass nicht die innere Überzeugung des christlichen Glaubens für eine Verfolgung ausschlaggebend sei, sondern allein das Vorliegen des christlichen Sakraments der Taufe ausreiche. Die aufgeworfene Tatsachenfrage sei damit aufgrund widersprüchlicher Auskunftslage nicht geklärt.
2. Mit diesem Vortrag genügt die Antragsbegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG.
2.1. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage im konkreten Rechtsstreit klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist, dass diese Frage sich als klärungsbedürftig, insbesondere nicht schon höchst- oder obergerichtlich geklärt und nicht direkt aus dem Gesetz zu beantworten erweist und dass ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris Rn. 2). Dabei genügt ein auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage gestützter Zulassungsantrag den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nur dann, wenn durch Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt wird, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind (OVG NW, B.v. 4.9.2017 – 13 A 2323/16.A – juris Rn. 10 f. m.w.N.).
2.2. Vorliegend wird im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht deutlich genug herausgearbeitet, in welchen Aspekten genau der Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 2. März 2018 (Stand: Dezember 2017 – Lagebericht 2018) vom Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9. Dezember 2015 (Stand: November 2015 – Lagebericht 2015) abweicht.
Dabei ist zunächst klarzustellen, dass es – soweit die gefestigte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 6; B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7) auf eine identitätsprägende christliche Überzeugung iranischer Konvertiten abstellt – nicht darauf ankommt, ob iranische Akteure ein Interesse daran hätten, dieses Kriterium zu prüfen oder nicht. Vielmehr ist nur bei Konvertierten mit einer derartigen Einstellung davon auszugehen, dass bei einer Rückkehr in den Iran zur Wahrung der religiösen Identität eine religiöse Betätigung, an die eine von iranischen Akteuren ausgehende Verfolgungsgefahr anknüpfen kann, oder ein unzumutbarer, durch die Furcht vor Verfolgung verursachter Verzicht auf eine solche Ausübung (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 Rn. 26) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Außerdem geht die Antragsbegründung nicht näher darauf ein, dass die gefestigte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht nur auf den seinerzeitigen Lagebericht, sondern maßgeblich auch auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 49 ff.) einschließlich der dort genannten Erkenntnismittel abgestellt hat, wonach staatliche oder nichtstaatliche Repressionen nur für solche konvertierte Christen festzustellen sind, die in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – nach außen zeigen wollen (BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 6 m.w.N.). Der Hinweis der Antragsbegründung, aus dem Lagebericht 2018 gehe nicht hervor, dass von den iranischen Behörden berücksichtigt werde, dass nur ein formaler Glaubenswechsel vorliege, greift deshalb zu kurz. Ebenso der Hinweis der Antragsbegründung, dass sich dem Lagebericht 2018 nicht entnehmen lasse, dass diese Folgen nicht eintreten würden, wenn nur ein formaler Glaubenswechsel vorliege.
Unabhängig davon befasst sich die Antragsbegründung nicht deutlich genug damit, dass bereits der Lagebericht 2015 (dort S. 10 zweiter Absatz unter II.1.) unter anderem von staatlichen Repressionen gegen jegliche Aktivität berichtete, die islamische Grundsätze in Frage stelle. Nicht hinreichend problematisiert wird von der Antragsbegründung auch, dass schon der Lagebericht 2015 unter anderem darauf hinwies, dass ehemals muslimischen Konvertiten Verfolgung und Bestrafung drohe, dass die Ausübung der Religion restriktiv ausgelegt werde, dass jede missionierende Tätigkeit ausgeschlossen sei und missionierende Angehörige auch von Buchreligionen verfolgt und hart bestraft würden, wobei ihnen als „Kämpfer gegen Gott“ sogar eine Verurteilung zum Tode drohen könne (Lagebericht 2015 S. 15 vorletzter Absatz unter 1.4. sowie S. 16 Mitte unter 1.4.2.). Außerdem befasst sich die Antragsbegründung nicht näher damit, dass bereits im Lagebericht 2015 festgehalten war, dass staatliche Repressionen gegen registrierte Kirchen in letzter Zeit zugenommen hätten und hauskirchliche Vereinigungen unter besonderer Beobachtung stünden, wobei die Verfolgung insoweit nicht strikt systematisch, sondern stichprobenartig erfolge (Lagebericht 2015 S. 16 Mitte unter 1.4.2.).
Hinsichtlich der Frage, ob bereits die Asylantragstellung bei einer Rückkehr eine Verfolgungsgefahr mit sich bringt, räumt die Antragsbegründung selbst ein, dass der Lagebericht 2018 insoweit nicht von Repressionen berichtet. Soweit die Antragsbegründung hierzu auf einen Bericht von „open doors“ Deutschland e.V. namens „Weltverfolgungsindex 2018“ verweist, ist dieser weder der Antragsbegründung beigefügt noch wird insoweit eine hinreichend genaue Fundstelle bezeichnet, was so den Darlegungsanforderungen nicht genügt. Soweit die Antragsbegründung vorträgt, aus diesem Bericht ergebe sich gleichfalls die „ernstzunehmende Vermutung“, dass nicht die innere Überzeugung des christlichen Glaubens für eine Verfolgung ausschlaggebend sei, sondern allein das Vorliegen des christlichen Sakraments der Taufe ausreiche, wird nicht mit hinreichender Deutlichkeit dargestellt, ob auch der besagte Bericht selbst eben diese Schlussfolgerung zieht oder ob es sich insoweit nur um eine Erwägung der Klageseite handelt. Unabhängig davon befasst sich die Antragsbegründung auch nicht näher damit, dass auch die jüngeren oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Umstand der Asylantragstellung allein bei Rückkehr in den Iran keine Gefahr staatlicher Repressionen auslöst (OVG NW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris Rn. 7 ff.). Diese Rechtsprechung hatte das Verwaltungsgericht auch zitiert (vgl. UA S. 18 letzter Absatz).
3. Unabhängig davon, dass die Berufung schon mangels hinreichender Darlegung nicht zuzulassen ist (s.o.), wird darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits im nicht veröffentlichten Beschluss vom 26. Juli 2018 – 14 ZB 18.31462 – (dort Rn. 12) bei der Frage von Repressionen gegen konvertierte Christen im Iran davon ausgegangen ist, dass seine bisherige Rechtsprechung durch den Lagebericht 2018 bestätigt wird.
4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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