Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mangels einer außergewöhnliche Härte iSd § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG

Aktenzeichen  M 10 S 17.3153

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7575
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
EMRK Art. 8
AufenthG § 25 Abs. 4, Abs. 5
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche außergewöhnliche Härte iSd § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG kann dann angenommen werden, wenn die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sind, dass die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist, wobei im Rahmen dieser Beurteilung bei einem in Deutschland aufgewachsenen Ausländer auch dem Umstand Bedeutung zu kommt, in wieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit ein dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt wird, kann dieser nicht auf § 25 Abs. 4 AufenthG gestützt werden, da diese Vorschrift grundsätzlich nur vorübergehende Aufenthalte ermöglicht.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einer Familie, die aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien 2002 nach Deutschland gekommen ist, ist zuzumuten, sich bei einer Rückkehr in ihre Heimat im Kosovo oder im Land ihrer Nationalität Serbien zurechtzufinden und sich um eine eigene Lebensgrundlage zu kümmern, umso mehr als sie auch hier im Bundesgebiet nicht in der Lage waren, eigenständig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.(Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist am … Januar 1997 in … im Kosovo geboren, er ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am 9. Februar 2002 zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder in das Bundesgebiet ein. Asylanträge der Familie blieben erfolglos. Nach Abschluss der Asylverfahren erhielten der Antragsteller und seine Familienangehörigen jeweils Duldungen; hierfür war neben der Krisensituation im ehemaligen Jugoslawien und der Passlosigkeit der Familie auch die Erkrankung des Bruders des Antragstellers ein wesentlicher Grund. Der Bruder des Antragstellers, … …, geboren am … Juni 2000, leidet an einer Herzerkrankung. Ihm mussten mehrfach in der Wachstumsphase Gefäßprothesen am Herzen eingesetzt werden. Nach einer Mitteilung der deutschen Botschaft in Pristina wäre die Überwachung der Erkrankung auch im öffentlichen Gesundheitssystem des Kosovo möglich gewesen, bei Eingriffen hätten allerdings Spezialkliniken in anderen Ländern aufgesucht werden müssen.
Dem Antragsteller wurde am 22. Mai 2012 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt. Die Eltern und der Bruder des Antragstellers erhielten erstmals am 31. Oktober 2013 eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zuletzt erhielt der Antragsteller am 25. Juli 2014 eine bis zum 27. März 2017 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zur Wahrung der Familieneinheit.
Am 14. März 2017 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Diese versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12. Juni 2017, verpflichtete den Antragsteller zum Verlassen des Bundesgebiets bis zum 11. Juli 2017, drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Serbien oder einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten Staat an und befristete für den Fall der Abschiebung das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf drei Jahre ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei seit 2012 mehrfach verurteilt worden. Er habe während seines Aufenthalts weder vier Jahre erfolgreich die Schule besucht noch einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben. Zwischenzeitliche ausländerrechtliche Verwarnungen seien ohne Erfolg geblieben. Ihm sei trotz vorliegender Integrationsdefizite erstmals 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt worden. Diese sei nicht verlängert worden, da nicht gewährleistet erschienen sei, dass er sich auf Grund der bisherigen Ausbildungs- und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in Deutschland einfügen könne. Zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte zur Wahrung der Familieneinheit habe er vielmehr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erhalten, die zuletzt bis 27. März 2017 verlängert worden sei. Mittlerweile lägen die Voraussetzungen für eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis nicht mehr vor, weil er volljährig und auf die Fürsorge seiner Eltern nicht mehr angewiesen sei. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheide aus, da er nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei. Zudem seien Gründe für eine derartige Aufenthaltserlaubnis weder vorgetragen noch ersichtlich. Seine Ausreise sei weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich, er besitze einen gültigen serbischen Reisepass. Auch die Voraussetzungen des § 25b AufenthG lägen nicht vor, da er nicht geduldet sei. Außerdem habe er sich nicht in die Lebensverhältnisse hier integriert und bestreite seit seiner Einreise in das Bundesgebiet den Lebensunterhalt ausschließlich durch Bezug von Sozialleistungen. Schutzansprüche aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK könne er nicht geltend machen. Die Antragsablehnung stelle keinen Eingriff in das geschützte Privat- und Familienleben dar, da sein Privat- oder Familienleben in der Bundesrepublik Deutschland nicht fest verankert sei. Die vorhandenen sozialen Bindungen stünden einer Versagung nicht entgegen. Die Eltern und der Bruder besäßen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und damit kein gesichertes Bleiberecht. Es sei beabsichtigt auch deren Aufenthalt in Deutschland zu beenden, sobald die bisherigen Gründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen entfallen würden. Eine übermäßige Härte sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation mit der Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers nicht verbunden. Er habe es bisher nicht geschafft, erfolgreich eine Schule zu absolvieren. Er sei sehr unregelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei zweifellos eine einschneidende Maßnahme, jedoch besäße er keine Rechtsposition, auf deren Bestand er vertrauen dürfe. Ohne Aufenthaltstitel sei er zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Für die Ausreisefrist seien die bekannten Umstände berücksichtigt worden, die Frist sei der bisherigen Aufenthaltsdauer angemessen und ermögliche, die zur Ausreise notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am 5. Juli 2017 Klage zum Verwaltungsgericht München (M 10 K 17.3057).
Am 11. Juli 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsteller sei im Alter von fünf Jahren zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Deutschland gekommen. Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines hier aufgewachsenen Ausländers eine außergewöhnliche Härte darstelle, seien das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer Entwurzelung verbundenen Folgen unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den für eine Aufenthaltsbeendigung sprechenden Gründen abzuwägen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller drei Viertel seines Lebens und damit auch die gesamte Schulzeit in Deutschland verbracht habe, seine Eltern und sein Bruder hier lebten, er mittlerweile über eine Beschäftigung verfüge und in einer festen Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen lebe. Im Land seiner Staatsangehörigkeit Serbien werde der albanische Volkszugehörige mit Anfeindungen und Diskriminierungen zu rechnen haben, zudem er ja auch aus Deutschland komme. Familie habe der Antragsteller in Serbien keine. Er spreche kein serbisch und habe auch niemals dort gelebt. Mangels kosovarischer Staatsangehörigkeit sei eine Abschiebung in den Kosovo nicht angedroht und auch nicht möglich. Zudem würden es die krisenhaften Verhältnisse im Kosovo dem Antragsteller unmöglich machen, dort sein wirtschaftliches Existenzminimum zu sichern. Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass der Aufenthalt der Familie des Antragstellers in Deutschland nicht gesichert sei und beendet werden würde. Aufgrund der schweren Erkrankung des Bruders sei eine solche Beendigung jedoch nicht absehbar. Nach summarischer Prüfung spreche sehr viel für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Das öffentliche Interesse einer sofortigen Beendigung des Aufenthalts wiege hier weit weniger stark. Da der Antragsteller einer Beschäftigung nachgehe, würden die öffentlichen Kassen hierdurch nicht belastet. Die letzte Verurteilung liege ein Jahr zurück und sei nicht schwerwiegend gewesen.
Zur Begründung der Klage (M 10 K 17. 3057) wurde mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2017 ergänzend vorgetragen, schon nach der Volljährigkeit des Antragstellers am … Januar 2015 sei ihm am 23. März 2015 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 4 Satz 2 AufenthG um 2 Jahre verlängert worden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin erfülle der Antragsteller weiterhin die Voraussetzung des § 25a AufenthG. Eine Duldung sei keine Voraussetzung für eine Verlängerung nach dieser Norm. Diese Voraussetzung sei wie auch die Altersgrenze in Ziff. 3 im Rahmen der Verlängerung gegenstandslos, da sie sich nach ihrem Sinn und Zweck nur auf die erstmalige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beziehe. Der Antragsteller habe auch vier Jahre erfolgreich eine Schule besucht. Die Integration des Antragstellers sei anhand einer wertenden Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Es sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine gesamte Schulzeit in Deutschland verbracht habe, mittlerweile in einer festen Beziehung lebe und sich um eine Anstellung bemühe. Er habe Aussichten auf eine Ausbildung im Kfz-Bereich. Die Familie des Antragstellers habe den Kosovo verlassen, da ihr Haus im Krieg zerstört worden sei und die Lebensbedingungen dort sehr schlecht gewesen seien. Die Mutter sei durch Kriegserlebnisse traumatisiert und gehe kaum aus dem Haus. Der Bruder des Antragstellers sei herzkrank und benötige deshalb immer sehr viel Aufmerksamkeit. Die Familie lebe in Deutschland durchgehend in beengten Verhältnissen. Diese Situation mache es für den Antragsteller seine ganze Kindheit und Jugend über sehr schwer. Hinzu komme nach einem Gutachten der Heckscher Klinik, das dem Jugendgericht im Jahr 2012 vorgelegen habe, dass der Antragsteller an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit längerer depressiver Episode leide und eine leichte intellektuelle Behinderung aufweise. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit straffällig geworden. Es seien Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz verhängt worden. Eine Jugendstrafe und eine Eintragung im Bundeszentralregister gäbe es für den Antragsteller nicht. Dreimalige Verurteilungen wegen Diebstahls, einmal in Tateinheit mit Raub und gefährlicher Körperverletzung, lägen drei bis fünf Jahre zurück. Nach der Verurteilung im Jahr 2014 habe er einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen und einen Antiaggressionskurs absolviert. Der Antragsteller habe sich dadurch geändert und keine weitere Körperverletzung mehr begangen, auch keine Diebstähle. Seitdem sei er nur noch wegen Besitzes kleiner Mengen weicher Betäubungsmittel verurteilt worden, zur Teilnahme an einem Candis-Programm sowie zu Freizeitarresten. Die letzte Tat vom 30. Dezember 2015 liege bald zwei Jahre zurück. Der Antragsteller könne derzeit seinen Lebensunterhalt zwar nicht selbst sichern. Hiervon könne jedoch abgesehen werden. Die Antragsgegnerin habe insoweit das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Trotz Volljährigkeit liege weiterhin die Familieneinheit vor. Dies sei auch von der Antragsgegnerin bei der Aufenthaltsverlängerung nach Erreichen der Volljährigkeit so gesehen worden. Der Antragsteller könne sich als faktischer Inländer auf Art. 8 EMRK berufen. Die Kernfamilie des Antragstellers und auch seine Freundin … lebten hier. An den Kosovo habe er nur Kindheitserinnerungen. Seit seiner Ankunft in Deutschland sei er niemals mehr dort gewesen. Das Land seiner Staatsangehörigkeit Serbien habe der Antragsteller nie betreten. Er habe dort weder Verwandte noch Bekannte, auch spreche er die Landessprache nicht. Darüber hinaus wäre er als Roma dort aller Voraussicht nach Diskriminierungen ausgesetzt. Die frühere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 23. März 2015 sei auch in Kenntnis der Verurteilungen des Antragstellers aus dem Jahr 2014 erfolgt. Die Straftaten könnten für sich der weiteren Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegenstehen. Seit der letzten Aufenthaltserlaubnisverlängerung sei der Antragsteller nur noch wegen eines Vorfalls vom 30. Dezember 2015 strafrechtlich verfolgt worden. Dabei habe es sich nur um eine geringfügige Straftat gehandelt. In den letzten beiden Jahren sei es zu keinen weiteren Straftaten mehr gekommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie nimmt auf den angefochtenen Bescheid Bezug. Mittlerweile seien auch die Eltern und der Bruder des Antragstellers mit Bescheiden vom 30. November 2017 zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert worden. Die Ausreisefrist sei auf den 16. Januar 2018 festgesetzt worden. Die Ausreisefrist des Antragstellers werde an die der Eltern und des Bruders angeglichen.
Die Eltern und der Bruder des Antragstellers haben wegen der Versagung einer Verlängerung der ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse (jeweils Bescheide der Antragsgegnerin vom 30. November 2017) Klagen erhoben (M 10 K 17.5948 und M 10 K 17.4949) sowie jeweils Eilrechtsschutz beantragt (M 10 S 17.6049 und M 10 S 17.6050).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung anzustellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 68). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage einzubeziehen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Nur wenn die Vollziehung einen erheblichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriff darstellt, mithin vollendete Tatsachen schafft, könnte auch in diesem Fall das private Interesse des Antragstellers überwiegen (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O. Rn. 76).
Im vorliegenden Fall wird die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis oder erneute behördliche Entscheidung, die Ablehnung war rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Hierzu folgt das Gericht gemäß § 117 Abs. 2 VwGO entsprechend der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts.
Ergänzend ist, auch zum Vortrag des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren, noch auszuführen:
Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichen von § 8 Abs. 1 und 2, also unter Verzicht auf die Regelerteilungsvoraussetzungen, verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
Dem Antragsteller war von der Antragsgegnerin nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis für einen vorübergehenden Aufenthalt erteilt worden, da zu seinen Gunsten dringende humanitäre oder persönliche Gründe für seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet angenommen worden waren. Grundlage hierfür war, dass wegen der schweren Erkrankung des Bruders des Antragstellers, dem während seiner Wachstumsphase mehrfach neue Gefäßprothesen eingesetzt werden mussten, diesem aus dringenden humanitären bzw. persönlichen Gründen Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden waren; zur Aufrechterhaltung der Familieneinheit der Eltern des Antragstellers mit ihren Söhnen wurden deshalb allen Familienangehörigen entsprechende Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Wegen des erkrankten und behandlungsbedürftigen Bruders sollte aber vor allem diesem ermöglicht werden, für die absehbare weitere Behandlung durchgehend im Bundesgebiet bleiben zu können, um zum einen für die Familie finanziell aufwendige Hin- und Rückreisen zu vermeiden, zum anderen dem Bruder auf Grund der schwierigen Gesundheitssituation körperlich sehr beanspruchende wechselnde Behandlungsabschnitte im Bundesgebiet mit damit verbunden belastenden An- und Heimreisen zu ersparen. Davon abgeleitet hatten auch die Familienangehörige aus humanitären Gründen ihre Aufenthaltserlaubnisse erhalten.
Eine tatbestandlich erforderliche außergewöhnliche Härte liegt für den Antragsteller – nicht mehr – vor, ebenso wenig wie offenbar für den zuvor behandlungsbedürftigen Bruder, der auf Grund der Beendigung seiner Wachstumsphase nach den der Antragsgegnerin vorliegenden Arztberichten keine weiteren häufigeren Operationen mehr zu erwarten hat, vielmehr nur noch der medikamentösen Behandlung und Nachsorge bedarf. Somit liegt weder mit Blick auf den die früheren Aufenthaltserlaubnisse vermittelnden Gesundheitszustand des Bruders noch mit Blick auf die Lebenssituation des Antragstellers selbst eine außergewöhnliche Härte vor.
Nach der Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 27.1.2009 – 1 C 40/07 – BVerwGE 133, 72) setzt die Vorschrift des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht nur eine besondere Härte, sondern eine außergewöhnliche Härte voraus. Hierfür gelten naturgemäß hohe Anforderungen. Die Beendigung des Aufenthalts in Deutschland muss für den Ausländer mit Nachteilen verbunden sein, die ihn deutlich härter treffen als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation. Die Beendigung des Aufenthalts muss für den Ausländer bei dieser Vergleichsbetrachtung unzumutbar sein. Eine außergewöhnliche Härte kann dann angenommen werden, wenn die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sind, dass die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist. Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers eine außergewöhnliche Härte darstellt, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, in wieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Diese Würdigung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls ist in erster Linie eine tatrichterliche Aufgabe. Insbesondere sind dabei zu beachten die familiäre Situation des Ausländers, die Dauer des Aufenthalts, ein Schulbesuch und ggfs. der Schulabschluss, eine Berufsausbildung und Berufsausübung, die Legitimität des bisherigen Aufenthalts, die Fähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen, das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. Kontakte, strafgerichtliche Verurteilungen sowie die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat bzw. den Staat seiner Staatsangehörigkeit.
Im vorliegenden Fall ist, wie von der Antragsgegnerin angeführt, zu Lasten des Antragstellers davon auszugehen, dass seine Schulzeit ohne einen erfolgreichen Abschluss endete und eine Berufsausbildung schon nicht begonnen, geschweige denn abgeschlossen worden war. Der mittlerweile volljährige Antragsteller lebte bisher, wie auch die gesamte Familie, ausschließlich von öffentlichen Leistungen, sie wohnte in verschiedenen Aufnahmeeinrichtungen. Ein eigenes Einkommen wurde im Wesentlichen von niemandem der Familie erzielt, auch der Vater war offenbar stets arbeitslos. In Folge der Volljährigkeit des Antragstellers kann er sich auch nicht auf den besonderen Schutz der Kernfamilie, also des minderjährigen Kindes mit seinen Eltern berufen. Zudem wurde auch der Aufenthalt der Eltern und des Bruders des Antragstellers nach Mitteilung der Antragsgegnerin mittlerweile beendet, da eben für die gesamte Familie der ursprüngliche Aufenthaltszweck, die regelmäßigen Operationen des Bruders des Klägers, weggefallen ist. Soweit der Antragsteller und seine Familienangehörigen einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet anstreben, kann dieser ohnehin nicht auf § 25 Abs. 4 AufenthG gestützt werden, da diese Vorschrift grundsätzlich nur vorübergehende Aufenthalte ermöglicht. Auch die strafgerichtlichen Entscheidungen, die die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid aufführt, zeigen – auch wenn sie nicht in der Auskunft aus dem Zentralregister vom 19. April 2017 eingetragen sind – den bisher fehlenden Willen oder die fehlende Fähigkeit zu einem straffreien Leben in der deutschen Gesellschaft. Es handelt sich dabei auch keinesfalls um nur geringfügige oder länger zurückliegende Verurteilungen. Die letzte Entscheidung des Amtsgerichts München wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Beleidigung erging erst am 17. Mai 2016. Der Antragsteller war ausweislich der beigezogenen Behördenakte auch mehrfach für den Fall weiterer Straffälligkeit auf für ihn negative ausländerrechtliche Folgen hingewiesen worden.
Entgegen seiner Ankündigung hat der Antragsteller auch bisher keine Nachweise über eine mittlerweile begonnene Berufsausbildung oder Berufstätigkeit vorgelegt.
Dem gegenüber erscheint es nicht unbillig, den Antragsteller wie auch seine Familie zu einer Rückkehr in ihre Heimat zu verpflichten. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien, die die Familie des Antragstellers 2002 bewogen haben nach Deutschland zu kommen, sind längst beendet. Dem Antragsteller und seiner Familie ist zuzugestehen, dass ihre wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat, entweder in ihrem Herkunftsort … im Kosovo oder auch im Land ihrer Nationalität Serbien sicherlich sehr schwierig und belastend ist. Es ist ihnen jedoch zuzumuten, sich auch dort zurechtzufinden und sich um eine eigene Lebensgrundlage zu kümmern, umso mehr als sie auch hier im Bundesgebiet nicht in der Lage waren, eigenständig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Weiter ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durchaus die serbische oder albanische Sprache beherrscht, da nach eigenen Angaben jedenfalls die Mutter des Antragstellers kaum Deutsch spricht, also in der Familie offenbar die Herkunftssprache üblich ist. Für den Antragsteller spricht lediglich, dass er sich seit seinem 5. Lebensjahr und damit etwa drei Viertel seines Lebens hier in Deutschland aufgehalten hat; eine soziale, schulische und berufliche Integration ist ihm jedoch gerade nicht gelungen, wie offenbar auch der übrigen Familie des Antragstellers nicht.
Unabhängig von der Frage, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG überhaupt in Betracht kommt, fehlt es jedenfalls am Erfordernis des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG; danach muss gewährleistet erscheinen, dass der jugendliche oder heranwachsende Ausländer aufgrund seiner bisherigen Ausbildungs- und Lebensverhältnisse sich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Eine derartige Integrationsfähigkeit ist nach vorstehenden Ausführungen gerade nicht zu erwarten.
Sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind nicht ersichtlich.
Damit ist der Antrag mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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