Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studiengang, Humanmedizin Klinik an der LMU außerhalb der Kapazität, Sommersemester 2021, Kein Anspruch auf Durchschnittsbildung bei der Zahl der tagesbelegten Betten, Anwendung des Parameters 15, 5 v.H., Berücksichtigung der außeruniversitären Krankenanstalten, Keine Pflicht der Universität zur Einbindung weiterer außeruniversitärer Krankenhäuser

Aktenzeichen  M 3 E 21.18001

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41033
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
HZV § 52
HZV § 58

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei beantragt beim Verwaltungsgericht München sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Antragspartei nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2021 vorläufig außerhalb der festgesetzten Kapazität im fünften Fachsemester zum Studium im Studiengang Humanmedizin zuzulassen, hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, eine vorläufige Verlosung offener Studienplätze durchzuführen und die Antragspartei hieran zu beteiligen.
Zur Begründung wird die unzureichende Kapazitätsauslastung gerügt.
Die Bewerbung um einen Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität bei der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die Hochschulzugangsberechtigung, der Nachweis über den erfolgreich abgelegten Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung bzw. über als einen solchen anerkannte Prüfungen wurden vorgelegt. Ferner legte die Antragspartei eine eidesstattliche Versicherung der deutschen Staatsangehörigkeit sowie dazu vor, dass sie im Studiengang Humanmedizin noch keine endgültige oder vorläufige Zulassung zum Studium an einer deutschen Hochschule erhalten habe.
Mit Schriftsatz vom 23. März 2021 verweist die Antragspartei darauf, dass die Krankenhäuser einen finanziellen Ausgleich für planbare Operationen und Behandlungen erhielten, um Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten frei zu halten. Es werde um Auskunft gebeten, ob der Antragsgegner diesen Ausgleich in Anspruch nehme und wie viele Betten pandemiebedingt nicht regulär hätten belegt werden können.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 9. Juni 2021,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es sei kein Zulassungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Kapazität im Studiengang Humanmedizin, Zweiter Studienabschnitt, sei bereits ausgelastet bzw. sogar überbucht. In den ersten beiden zulassungsbeschränkten Semestern des Zweiten Studienabschnitts des Studiengangs Humanmedizin seien 442 Studierende immatrikuliert. Darunter befänden sich acht nicht in der Studierendenstatistik als solche ausgewiesene Beurlaubte, von denen vier schon länger als ein Urlaubssemester beurlaubt seien. Auch wenn diese nicht kapazitätsdeckend berücksichtigt würden, sei die zur Verfügung stehende Kapazität von 433 Studienplätzen überschritten. Auf die Satzung der LMU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2020/21 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2020/21) vom 4. August 2020 in Verbindung mit der Anlage, die Kapazitätsberechnungsunterlagen des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst für den Studiengang Humanmedizin (Zweiter Studienabschnitt) im Zulassungszeitraum 2020/21 sowie den vorgelegten Auszug aus der Studierendenstatistik vom 8. Juni 2021 werde Bezug genommen.
Mit E-Mail vom 14. Juni 2021 hat das Gericht der Antragspartei den Schriftsatz des Antragsgegners vom 9. Juni 2021, den Auszug aus der Studierendenstatistik, die Kapazitätsberechnung sowie die Bettenstatistik zugesandt und zugleich die mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 11. Februar 2019 vorgelegten Vereinbarungen mit den außeruniversitären Krankenanstalten zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf das Angebot einer nochmaligen Übersendung dieser Unterlagen sind bei Gericht keine entsprechenden Anforderungen der Antragspartei eingegangen.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 führt der Antragsgegner ergänzend aus, bei der Berechnung der Größe „tagesbelegte Betten“ sei seit jeher die Statistik des Vorjahres vor Erstellung der Kapazitätsberechnung herangezogen worden. Für das Studienjahr 2020/21 gälten daher die Daten des Jahres 2019. Erfahrungsgemäß habe es in den letzten Jahren kaum Schwankungen bei der Zahl der tagesbelegten Betten gegeben. Ob sich hieran angesichts der Corona-Krise im nächsten Jahr etwas ändere, bleibe abzuwarten, spiele allerdings für das streitgegenständliche Studienjahr keine Rolle.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2021 trägt der Antragsgegner vor, ein Anspruch auf Mittelwertbildung bezüglich der Zahl der tagesbelegten Betten über einen längeren Zeitraum hinweg sei nicht erkennbar, insbesondere könne sich die Mittelwertbildung auch zulasten der Studienbewerber auswirken. Angesichts des Wortlauts von § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV („patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität“) liege es nahe, auch auf die Gesamtzahl der Betten für ein Jahr abzustellen. Der Parameter von 15,5% sei bundeseinheitlich normiert und könne vernünftigerweise nur bundeseinheitlich geändert werden. Die Situation im Land Berlin stehe dazu nicht im Widerspruch, nachdem das Studium der Humanmedizin dort als Modellstudiengang durchgeführt werde, wofür ein anderer Parameter gelte; allein hierauf beziehe sich auch die Entscheidung des VG Berlin vom 8. Juli 2019 (30 L 117.18). Auch die Änderung von § 17 der Kapazitätsverordnung Hamburg ändere nichts an der Sachlage, weil das Medizinstudium am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ausschließlich als Modellstudiengang angeboten werde. Das Ergebnis der Untersuchung zur Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität durch die Stiftung für Hochschulzulassung bleibe abzuwarten. Der Endbericht der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ sei mittlerweile fertiggestellt. Der Ausschuss für das Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten der Stiftung für Hochschulzulassung habe dazu ausgeführt, dass einige der im Endbericht dargestellten Aspekte strukturelle Fragestellungen zur Kapazitätsermittlung der Medizin aufwerfen würden, die über die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität sowie über Fragestellungen der Modellstudiengänge hinausgingen. Diese Aspekte sollten im Zuge der Beratungen zur Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 sowie im Zuge der Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung berücksichtigt werden. Etwaige Anpassungen im Kapazitätsrecht für das Medizinstudium allgemein blieben abzuwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst überprüften Datensatz für das Studienjahr 2020/21 Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Studiengang Medizin (Klinik) an der LMU nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2021 zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Das Gericht sieht es nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der LMU im ersten Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts des Studiengangs Medizin im Sommersemester 2021 noch ein weiterer Studienplatz vorhanden ist, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Die Zulassungszahlsatzung 2020/21 der LMU beruht auf Art. 3 des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern (Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz – BayHZG – vom 9. Mai 2007, GVBl. S. 320, BayRS 2210-8-2-WK, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2019, GVBl. S. 737). Weitere rechtliche Maßgaben sieht die Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 10. Februar 2020 (GVBl. S. 87, BayRS 2210-8-2-1-1-WK), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. April 2021 (GVBl. S. 268), vor.
Die LMU hat in ihrer Zulassungszahlsatzung 2020/21 eine jährliche Aufnahmekapazität von 433 Studienplätzen im ersten Fachsemester festgesetzt und auf die beiden Vergabetermine hälftig (Wintersemester 2020/21: 217 Studierende und Sommersemester 2021: 216 Studierende) aufgeteilt (§ 37 Abs. 2 HZV).
aa) Für die Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität (§ 37 Satz 1 HZV), die sich vorliegend nach der patientenbezogenen Kapazität (§ 49 Abs. 2 Nr. 4, § 52 HZV) richtet, ist zunächst zum Stichtag der Berechnung (§ 40 Abs. 1 HZV), vorliegend im Januar 2020, die Zahl der im Jahr 2019 tagesbelegten Betten (1.699,51) zu berücksichtigen.
(1) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Zahl der tagesbelegten Betten anhand der Statistik des Jahres 2019 und nicht anhand eines Durchschnittswertes über die vergangenen drei Jahre ermittelt wurde. § 40 Abs. 1 HZV sieht lediglich vor, dass die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage der Daten eines Stichtages ermittelt wird, der nicht mehr als neun Monate vor Beginn des Zeitraums liegt, für den die Ermittlung und die Festsetzung gelten. Nach § 40 Abs. 2 HZV sollen wesentliche Änderungen der Daten, die vor Beginn des Berechnungszeitraums erkennbar sind, berücksichtigt werden. Die Zahl der tagesbelegten Betten an der LMU wies in den letzten Jahren relativ geringe Schwankungen auf (2018: 1724,0110; 2017: 1722,0849; 2016: 1747,9426; 2015: 1715,5068). Soweit die Rechtsprechung teilweise davon ausgeht, dass hierbei grundsätzlich die Ergebnisse des dem Berechnungszeitraum vorausgehenden Kalenderjahres, sofern diese Werte den aktuellen Stand einer kontinuierlichen Entwicklung widerspiegeln, maßgeblich seien, andernfalls der Mittelwert der letzten drei Jahre zu bilden sei (OVG Lüneburg, U.v.25.6.2019 – 2 LC 164/16 – juris Rn. 24; OVG LSA, B.v. 23.2.2021 – 3 M 273/20 – juris Rn. 3), handelt es sich hierbei um eine mögliche Methode, die (voraussichtlichen) Belegungszahlen abzuschätzen. Bei den bislang relativ geringen Schwankungen der Zahlen der tagesbelegten Betten bei der LMU ist allerdings die Heranziehung des Wertes des vorausgehenden Kalenderjahres anstelle der Mittelwertbildung über die vergangenen drei Jahre ebenso zulässig. Weiter ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass noch vor Beginn des Berechnungszeitraums wesentliche Änderungen (insbesondere höhere Belegungszahlen) im Sinne von § 40 Abs. 1 HZV erkennbar gewesen wären. Die Frage, wie etwaige stärkere Schwankungen bedingt durch die Corona-Pandemie in zukünftigen Berechnungszeiträumen zu behandeln sind, stellt sich für den hier gegenständlichen Berechnungszeitraum nicht.
(2) Soweit darauf verwiesen wurde, dass die Krankenhäuser einen finanziellen Ausgleich für verschobene planbare Operationen und Behandlungen erhielten, um Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten frei zu halten, und nähere Angaben des Antragsgegners dazu angefordert wurden, inwieweit Betten pandemiebedingt nicht belegt worden seien, kann eine weitere Sachaufklärung hierzu unterbleiben. Denn für die Kapazitätsberechnung im Studienjahr 2020/21 maßgeblich und vom Antragsgegner auch berücksichtigt (vgl. Schriftsatz vom 15. Juni 2021) ist die zum Stichtag 1. Januar 2020 (§ 40 Abs. 1 HZV) ermittelte Bettenbelegung im Jahr 2019, die durch die Corona-Pandemie noch nicht beeinflusst war.
(3) Die LMU berücksichtigt teilstationäre Patienten in der Zahl der tagesbelegten Betten (vgl. zum Wintersemester 2020/21 VG München, B.v. 10.5.2021 – M 3 E 20.18087 – juris Rn. 22).
Ebenso sind die Privatpatienten miterfasst (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. Juli 2021, „Kapazitätsrechnung Klinik, WS 2020/2021 und SS 2021“, Stand: 31.12.2019). Dem entgegenstehende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich; wenn die LMU versichert, die Privatpatienten berücksichtigt zu haben, wie dies hier durch die entsprechenden Angaben in der Kapazitätsberechnung geschehen ist, bedarf es keines gesonderten Nachweises, dass sämtliche Privatpatienten in die Kapazitätsberechnung eingegangen sind (vgl. BayVGH, B. v. 16.12.2015 – 7 CE 15.10324 – juris Rn. 8).
bb) Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV ergibt sich damit eine patientenbezogene jährli-che Aufnahmekapazität von 263,4240 (15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten); im Vorjahr lag diese Zahl bei 267,2217.
Die Entscheidung des Verordnungsgebers, an dem Wert von 15,5% der tagesbelegten Betten bis zu einer ersichtlich noch nicht erfolgten abschließenden Überprüfung der Berechnungsgrundlagen festzuhalten, ist nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 7 CE 19.10044 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 30.10.2020 – 13 C 8/20 – juris Rn. 31ff.).
Was die Vorlage des Endberichts der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezo-genen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ (im Folgenden: AG Modellstudiengang Medizin) der Stiftung für Hochschulzulassung (im Folgenden: SfH) vom 27. März 2021 anbelangt, ist Folgendes zu berücksichtigen: Die AG Modellstudiengang Medizin wurde vom Stiftungsrat der SfH zur Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin eingerichtet (vgl. Nr. 1 des Endberichts, S. 5). Demgemäß bezieht sich der im Endbericht erläuterte, neu ermittelte Äquivalenzwert anhand vollstationärer Patienten (Nr. 2.4.4 des Endberichts, S. 92 ff.) auf die Modellstudiengänge. Nach den Ausführungen des Antragsgegners und den von ihm vorgelegten Sitzungsunterlagen des Stiftungsrats vom 30. März 2021 (insbesondere Stellungnahme des Ausschusses für das Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten zum Bericht der AG Modellstudiengang Medizin, S. 3) ist eine Anwendung auf die Regelstudiengänge nicht unmittelbar vorgesehen; vielmehr soll eine Berücksichtigung im Zuge der Beratungen zur Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 und der Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte stattfinden (vgl. auch SächsOVG, B.v. 23.6.2021 – 2 B 43/21.NC – juris Rn. 14).
Vor dem Hintergrund dieser noch offenen Diskussion und der noch erforderlichen Auswertung der Erkenntnisse für den Regelstudiengang kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber die ihn insoweit treffende Obliegenheit, die § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV zugrunde liegenden Annahmen und die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen, verletzt hätte (vgl. OVG NW, B.v. 30.10.2020 – 13 C 8/20 – juris Rn. 33; B.v. 7.5.2018 – 13 C 20/18 – juris Rn. 14 ff.; zum Vortrag der Verletzung von Überwachungspflichten durch den Normgeber vgl. auch VG Karlsruhe, B.v. 2.6.2021 – NC 7 K 3769/20 – juris Rn. 16 ff.). Für die gerichtliche Annahme der Unwirksamkeit der derzeitigen Regelung und die Anwendung des von der AG Modellstudiengang Medizin ermittelten Äquivalenzwertes ist vor diesem Hintergrund kein Raum.
cc) Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 HZV erhöht sich das Berechnungsergebnis um die Zahl Eins je 1000 poliklinischer Neuzugänge, was bei 397.506 poliklinischen Neuzugängen aktuell 397,5060 ergibt; diese Erhöhung ist jedoch gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 HZV begrenzt auf maximal 50% der patientenbezogenen Kapazität, d.h. 131,7120 (Vorjahr: 133,6109).
dd) Von Seiten der außeruniversitären Krankenanstalten, die Lehrveranstaltungen für diesen Studienabschnitt vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchführen (aktuell Einrichtungen, die Lehrveranstaltungen in den Fächern Geriatrie, Neuropädiatrie und Dermatologie anbieten), ergibt sich nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV zusätzlich eine jährliche Aufnahmekapazität von 31,2325.
(1) Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV erhöht sich, soweit in außeruniversitären Krankenanstalten Lehrveranstaltungen für den klinischen Studienabschnitt vor Beginn des Praktischen Jahres vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden, die patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität entsprechend. Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 28.7.2014 – 7 CE 14.10052 u.a. – juris Rn. 26; B.v. 9.2.2017 – 7 CE 16.10317 – juris Rn. 7) an und berücksichtigt die Erhöhung der patientenbezogenen Kapazität durch außeruniversitäre Krankenanstalten nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit den außeruniversitären Krankenanstalten unter Heranziehung von § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 HZV (vgl. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 17 KapVO Rn. 10 a.E.).
(2) Anhaltspunkte dafür, dass an weiteren außeruniversitären Krankenanstalten Lehrveranstaltungen für diesen Studienabschnitt vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden, sind nicht ersichtlich.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Gericht anschließt, ist die Universität nicht verpflichtet, zum Zweck der Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität außeruniversitäre Krankenanstalten zur Durchführung von Lehrveranstaltungen zu gewinnen (BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10011 – juris Rn. 12; B.v. 2.9.2014 – 7 CE 14.10172 u.a. – juris Rn. 14). Das Teilhaberecht aus Art. 12 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf Schaffung weiterer Patientenressourcen mit dem Ziel, die Kapazität im klinischen Studienabschnitt zu steigern. Das Recht auf Zugang zum Hochschulstudium besteht nur in dem Rahmen, in dem der Staat tatsächlich Ausbildungskapazität zur Verfügung stellt (OVG NW, B.v. 8.4.2019 – 13 C 19/19 – juris Rn. 22ff.).
(3) Zum Umfang der im Bereich der außeruniversitären Krankenanstalten in die Ausbildung einbezogenen Patienten im Bereich der Geriatrie ist in § 4 Abs. 1 Satz 2 der von der LMU mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019 (für das Wintersemester 2018/19) vorgelegten Vereinbarung zwischen der Städtisches Klinikum M* … GmbH und der LMU über die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Lehrveranstaltungen im Querschnittsbereich „Medizin des Alterns und des alten Menschen“ geregelt, dass im Querschnittsbereich Geriatrie eine teilstationäre Abteilung „mit ca. 30 Patienten“ zur Verfügung steht. Der Ansatz von 35 tagesbelegten Betten nach Maßgabe von § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 1 HZV in der Kapazitätsberechnung der LMU ist daher nicht zu beanstanden.
Im Bereich Neuropädiatrie stehen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der vorgelegten Vereinbarung zwischen der Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Tagesklinik für Neuropädiatrie Schönklinik Vogtareuth und der LMU eine Tagesklinik für Neuropädiatrie sowie eine neuropädiatrische Ermächtigungsambulanz zur Verfügung „mit täglich ca. 10 Patienten, die ambulant und teilstationär betreut werden“. Im Rahmen der Kapazitätsberechnung behandelt die LMU diese 10 Patienten unter Vernachlässigung der Unterscheidung zwischen stationären und ambulanten Patienten wie 10 Planbetten. Da sich dies kapazitätsfreundlich auswirkt, ist dies nicht zu beanstanden.
Zur Einbeziehung der Betten der Dermatologie hat die LMU die Vereinbarung aus dem Jahr 1929 „aus Anlass der Erbauung einer städtischen dermatologischen Krankenhausabteilung und einer dermatologischen Universitätsklinik an der T. straße“ zwischen dem Freistaat Bayern und der Stadtgemeinde München vorgelegt. Aus den darin enthaltenen Bestimmungen zu Errichtung und Betrieb des Gebäudes sowie zu Personal und Betrieb von Krankenhaus und Klinik ist ersichtlich, dass neben dem Krankenhausbetrieb auch „klinische Zwecke (Unterricht, klinisches Laboratorium)“ (vgl. D. IX) verfolgt werden; der Umfang der heute in die Ausbildung im klinischen Abschnitt des Studiums einbezogenen Betten lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Nach der Homepage der München Klinik T. Straße, Städtisches Klinikum M* … GmbH (www.muenchen-klinik.de/krankenhaus/thalkirchner-strasse/) verfügt diese über 160 Betten. Da mit den von der LMU angesetzten 160 Betten somit sämtliche verfügbaren Betten berücksichtigt sind, ist keine kapazitätsgünstigere Handhabung denkbar.
Die Nichtberücksichtigung der 40 tagesklinischen Behandlungsplätze ist nicht zu beanstanden. Bei Ermittlung der tagesbelegten Betten ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, die „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 7 CE 17.10240 – juris Rn. 11 m.w.N., insbesondere B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 14 ff.). Vorliegend gibt es keine Hinweise für eine vereinbarte Einbeziehung auch der teilstationären Patienten in die Ausbildung.
Der Ansatz einer Belegungsquote von 90% im Bereich der Geriatrie begegnet jedenfalls deshalb keinen Bedenken, weil nach § 4 Abs. 1 Satz 2 der vorgelegten Vereinbarung zwischen der Städtisches Klinikum M* … GmbH und der LMU über die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Lehrveranstaltungen im Querschnittsbereich „Medizin des Alterns und des alten Menschen“ vorgesehen ist, dass lediglich „ca. 30 Patienten“ zur Verfügung stehen. Mit dem Ansatz von 31,5 tagesbelegten Betten ist der Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung ausgeschöpft; dass tatsächlich mehr Patienten vereinbarungsgemäß für die Ausbildung zur Verfügung stehen, ist nicht ersichtlich.
(4) Dass die LMU für die außeruniversitären Krankenanstalten keine poliklinischen Neuzugänge angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden.
In den Bereichen Geriatrie und Neuropädiatrie ist nach der Festlegung der zur Verfügung stehenden Patienten in § 4 Abs. 1 Satz 2 der jeweiligen Vereinbarung im darauf folgenden § 4 Abs. 1 Satz 3 jeweils geregelt, dass Patienten aus anderen Bereichen nicht zur Verfügung stehen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich diese Regelung lediglich auf sonstige stationäre Patienten beziehen soll. Bezüglich der poliklinischen Neuzugänge liegt daher keine Vereinbarung vor, wonach auch diese Patienten für die Ausbildung im klinischen Teil des Studiums zur Verfügung stehen sollen.
Im Bereich der Dermatologie wird der ambulante Bereich von der Universität selbst unterhalten. Dementsprechend sind die poliklinischen Neuzugänge der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie bereits bei der Gesamtzahl der poliklinischen Zugänge des Klinikums der Universität berücksichtigt (vgl. „Kapazitätsrechnung Klinik WS 2020/21 und SS 2021“).
(5) Insgesamt ergibt sich daher für den Bereich der außeruniversitären Krankenanstalten nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV folgende patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität:
Tagesbelegte Betten:
Geriatrie
31,5
Neuropädiatrie
10,0
Dermatologie
160,0
Summe
201,5
15,5% der tagesbelegten Betten: 31,2325
ee) Insgesamt errechnet sich daher nach § 52 Abs. 1 Satz 2 HZV eine jährliche Ausbildungskapazität von 426,3685, gerundet 426 Studienplätzen.
Die festgesetzte Ausbildungskapazität von 433 Studienplätzen ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
ff) Bedenken gegen die festgesetzte Zulassungszahl ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass die LMU abweichend von den einzelnen Zulassungszahlen im Wintersemester und im Sommersemester jeweils eine gegenüber der festgesetzten Zulassungszahl erhöhte bzw. verringerte Zahl von Studierenden im ersten klinischen Fachsemester immatrikuliert und bei der Zulassung für das Sommersemester die bereits im Wintersemester erfolgten Immatrikulationen mitberücksichtigt.
Mit Rücksicht auf die Regelung des § 58 Abs. 2 Satz 1 HZV ist nicht zu beanstanden, dass im Wintersemester das erste klinische Fachsemester sowohl an der LMU als auch an der TUM regelmäßig stark überbucht ist. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 HZV können Studierende der gemeinsamen Vorklinik an LMU und TUM nach erfolgreichem Abschluss des vorklinischen Teils des Studiengangs ihr Studium am Studienort München unter den in § 58 Abs. 2 Satz 1 HZV genannten Voraussetzungen fortsetzen, auch wenn dies zu einer „Überlast“ der Universitäten, die dann im Verhältnis von 60% zu 40% zwischen LMU und TUM aufzuteilen ist, führt (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10011 – juris Rn. 13; B.v. 5.11.2015 – 7 CE 15.10362 – juris Rn. 12).
Aufgrund § 3 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Zulassungszahlsatzung, wonach eine Zulassung zum ersten Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts im Sommersemester nur stattfindet, soweit die Summe der als jährliche Aufnahmekapazität festgesetzten Zulassungszahlen für das erste Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts nicht überschritten wird, kann die LMU zum Ausgleich dann im jeweils folgenden Sommersemester entsprechend weniger Studierende immatrikulieren. Dementsprechend liegt die Zahl der in den jeweiligen Sommersemestern zum ersten klinischen Fachsemester zugelassenen und immatrikulierten Studierenden regelmäßig deutlich unter der in der Zulassungszahlsatzung festgesetzten Zulassungszahl. Das geschilderte Vorgehen begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da für die Ausschöpfung der Ausbildungskapazität allein maßgebend ist, dass in der Summe beider Vergabetermine die Gesamtzulassungszahl der Studienplätze an Studierende vergeben wird (BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10011 – juris Rn. 13; B.v. 5.11.2015 – 7 CE 15.10362 u.a. – juris Rn. 12).
b) Soweit der Antrag auch auf eine Verlosung offener (innerkapazitärer) Studienplätze gerichtet ist, bleibt er auch insoweit ohne Erfolg.
Ein Zulassungsanspruch im Hinblick auf etwaige frei gebliebene innerkapazitäre Studienplätze ist nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Zulassungszahlsatzung findet eine Zulassung zum ersten Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts im Sommersemester nur statt, soweit die Summe der als jährliche Aufnahmekapazität festgesetzten Zulassungszahlen für das erste Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts nicht überschritten wird.
Im Hinblick auf die beurlaubten Studierenden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der das Gericht folgt, ein Studienplatz auch dann kapazitätsdeckend vergeben, wenn sich ein Studienanfänger nach seiner Immatrikulation bereits im ersten Fachsemester beurlauben lässt. Denn beurlaubte Studierende fragen nach Ende ihrer regelmäßig zwei Semester nicht überschreitenden Beurlaubung (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Hochschulgesetzes – BayHSchG – vom 23. Mai 2006, GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. April 2021, GVBl. S. 182) das Lehrangebot im Studiengang weiter nach und entlasten die Hochschule deshalb nicht dauerhaft (BayVGH, B.v. 26.7.2016 – CE 16.10171 u.a. – juris Rn. 9 ff.; B.v. 21.5.2013 – 7 CE 13.10024 – juris RN. 12; B.v. 23.7.2008 – 7 CE 08.10121 Rn. 11). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn sich Studierende bereits im Vorsemester im ersten Fachsemester immatrikuliert haben, seitdem beurlaubt sind und seitens der Hochschule aus verwaltungstechnischen Gründen (erneut) zum Bestand des streitgegenständlichen ersten Fachsemesters gezählt werden; andernfalls würden sie ohne sachlichen Grund wiederholt die Studienplätze für das erste Fachsemester „blockieren“ (BayVGH, B.v. 26.7.2016 – CE 16.10171 u.a. – juris Rn. 10; B.v. 21.10.2013 – 7 CE 13.10276 – juris Rn. 14).
Vorliegend sind an der LMU im Wintersemester 2020/21 365 Studienbewerber und im Sommersemester 2021 77 Studienbewerber im ersten klinischen Fachsemester immatrikuliert. Acht davon sind beurlaubt, von denen wiederum vier schon länger als ein Fachsemester beurlaubt sind. Damit wurden im Studienjahr 2020/2021 mehr als 433 Personen kapazitätsdeckend zugelassen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG, wobei eine ergänzend beantragte auch innerkapazitäre Zulassung nach der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Gerichts den Streitwert unverändert lässt, da es sich jedenfalls wirtschaftlich gesehen um ein- und denselben Streitgegenstand, nämlich die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin, Zweiter Studienabschnitt, im Sommersemester 2021 an der LMU, handelt.


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Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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