Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studiengang Zahnmedizin, LMU; Wintersemester 2021/2022, „Stauchung“ des Curricularwertes, Lehrdeputat wissenschaftliche Mitarbeiter

Aktenzeichen  M 3 E Z 21.10094

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11079
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
HZV § 40
Formel II. der Anlage 8 zur HZV

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt

Gründe

I.
Die Antragspartei hat im vorliegenden Verfahren beim Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2021/2022 an der L.-Ma.-Universität M. (LMU) im 1. Fachsemester zuzulassen.
Zur Begründung wird vorgetragen, die LMU habe im Studiengang Zahnmedizin die vorhandene Kapazität nicht erschöpft.
Die LMU hat in § 1 Abs. 1 ihrer Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2021/22 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2021/22) vom 2. Juli 2021 in Verbindung mit der Anlage für das 1. Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin für das Wintersemester 2021/22 68 Studienplätze und für das Sommersemester 2022 ebenfalls 68 Studienplätze festgesetzt.
Nach einer vorgelegten aktuellen Aufstellung der Lehrveranstaltungen im Studiengang Zahnmedizin und detaillierten Darlegung der Curricularwerte ergibt sich ein Curricularwert für die Zahnmedizin von 6,3601. Unter Zugrundelegung dieses Curricularwertes ergibt sich eine jährliche Kapazität von 134 Studierenden statt der festgesetzten 136 Studierenden.
Nach der Studierendenstatistik, Stand 10. Dezember 2021, waren im streitgegenständlichen Studiengang im 1. Fachsemester 75 Studierende immatrikuliert.
Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es sei kein Zulassungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Im Studiengang Zahnmedizin seien im 1. Fachsemester zum Wintersemester 2021/22 insgesamt 75 Studierende immatrikuliert. Darunter befänden sich zwei beurlaubte Studierende, von denen eine Person schon länger als ein Urlaubssemester beurlaubt sei. Aber auch wenn man diese Person aus der aktuellen Erstsemesterkohorte herausrechnen würde, käme man auf eine Zahl von 74 Studierende, d.h. die festgesetzte Ausbildungskapazität von 68 Studienplätzen werde in jedem Fall ausgeschöpft. Desweiteren nahm der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 Stellung.
Die der Festsetzung der Zulassungszahl zugrundeliegende Kapazitätsberechnung aufgrund der personellen Ausstattung geht von folgenden Werten aus:
– Gesamtdeputat bei 79,75 Stellen vor dem Abzug der Verminderungen: 539,75 Deputatsstunden
– Deputatsverminderung: 5 Deputatsstunden
– Lehrauftragsstunden / 2: keine
– bereinigtes Lehrangebot Sb (nach Abzug des KVA): 365,1414 Deputatsstunden
– CAp (Anteil am Curricularnormwert): 6,2378
– Schwundfaktor: 0,8589
Das Gericht hat der Antragspartei die Stellungnahmen der LMU vom 15. Dezember 2021 und 17. Februar 2022, die Kapazitätsberechnung für den Studiengang Zahnmedizin, einen Auszug aus der Studierendenstatistik vom 10. Dezember 2021, die Stellenübersicht Zahnmedizin, Auflistung der Lehrveranstaltungen im Studiengang Zahnmedizin mit detaillierter Berechnung des Curricularnormwerts (CNW) (nach PStO in der Fassung vom 9.9.2009) übersandt. Das Gericht gab der Antragspartei jeweils Gelegenheit zur Stellungnahme.
Eine Äußerung der Antragspartei hierauf erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst überprüften Datensatz für das Studienjahr 2021/22 Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage, 2021, Rn. 24 zu § 123). Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 26 zu § 123).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen könnte. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Studiengang Zahnmedizin an der LMU nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/22 zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Kammer sieht es aufgrund der im gebotenen Rahmen vorgenommenen Überprüfung der Kapazitätsberechnung nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der LMU im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2021/22 im 1. Fachsemester über die Zahl der als kapazitätsdeckend vergeben anzuerkennenden 74 Studienplätze hinaus noch ein weiterer Studienplatz zur Verfügung stünde, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Das Gericht hat im Rahmen seiner – auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehenden – Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) die der Festsetzung der Zulassungszahl zugrunde liegende Kapazitätsberechnung angefordert und der Antragspartei – nebst der von der LMU hierzu abgegebenen Stellungnahmen – zugänglich gemacht. Es ist der von der Antragspartei geforderten Überprüfung der Studienplatzvergabe nachgegangen und hat darüber hinaus die Kapazitätsberechnung im gebotenen Rahmen überprüft. Das Gericht hat dabei keine höhere als die festgesetzte Kapazität festgestellt. Diese ist vollständig ausgeschöpft, sodass im Wintersemester 2021/22 kein frei gebliebener Studienplatz festgestellt werden konnte.
Die Vergabe von 74 Studienplätzen im Wintersemester 2021/22 ist als kapazitätsdeckend anzuerkennen.
In der Zahl von 75 immatrikulierten Studierenden ist nach Auskunft der LMU, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, nur eine Person mehrfach im 1. Fachsemester beurlaubt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind nur diejenigen Beurlaubten außer Acht zu lassen, die bereits wiederholt dem 1. Fachsemester zugeordnet waren, da sie andernfalls über mehrere Semester hinweg die Aufnahmekapazität dieses 1. Fachsemesters schmälern würden. Da jedoch beurlaubte Studierende die Kapazität nicht dauerhaft entlasten, da ihnen ein Anspruch auf Wiederaufnahme des Studiums zusteht, ist es sachgerecht, sie sowohl beim Studierendenbestand des zulassungsbeschränkten Studienabschnitts insgesamt, wenn es um die Aufnahme in ein höheres Fachsemester geht, einzubeziehen, als auch ihre erstmalige Beurlaubung unberücksichtigt zu lassen.
Mithin zählt eine mehrfach beurlaubte Person nicht als kapazitätsdeckend. Auch mit 74 gezählten immatrikulierten Studierenden wurde der Studiengang mit einer festgesetzten Kapazität vom 68 Studienplätzen überbucht.
Anhaltspunkte für eine unzulässige, rechtsmissbräuchliche Überbuchung bestehen nicht. Es ist nur zu einer geringen „Überbuchung im eigentlichen Sinn“ gekommen, also zur Immatrikulation von mehr Studierenden als der festgesetzten Zulassungszahl entsprachen, da mehr Studierende als erwartet von der ausgesprochenen Zulassung auch Gebrauch gemacht haben. Diese – in § 7 Abs. 2 HZV Hochschulzulassungsverordnung (HZV) vom 10. Februar 2020 (GVBl. S. 87, BayRS 2210-8-2-1-1-WK), die zuletzt durch Verordnung vom 9. November 2021 (GVBl. S. 628) geändert worden ist (HZV) normativ geregelte – Möglichkeit der Überbuchung der festgesetzten Kapazität trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht alle zugelassenen Bewerber ihren Studienplatz annehmen werden. Eine solche Überbuchung im eigentlichen Sinn ist daher als kapazitätsdeckend anzuerkennen, solange sie ausschließlich dem gesetzlichen Zweck dient, die Ausbildungskapazität der Hochschulen zeitnah auszuschöpfen (BayVGH, B. v. 17.4.2014 – 7 CE 14.10046 – juris Rn. 9 m.w.N.). Da im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte für eine andere, rechtsmissbräuchliche Intention bei der vorgenommenen Überbuchung bestehen, ist diese anzuerkennen, ohne dass der jeweils zu Grunde gelegte Überbuchungsfaktor aufzuklären wäre. Selbst eine unrichtige Prognostizierung des voraussichtlichen Annahmeverhaltens würde nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der vorgenommenen Überbuchung führen.
Abgesehen davon würde sich eine etwa zu Unrecht vorgenommene Überbuchung nur dann entscheidungserheblich auswirken, wenn wenigstens ein Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität vorhanden wäre, was hier jedoch – s. unten – nicht der Fall ist.
Die vom Gericht von Amts wegen vorgenommene Überprüfung der Kapazitätsberechnung im gebotenen Rahmen hat keinen noch freien Studienplatz im Wintersemester 2021/22 erkennen lassen.
Die Deputatsminderungen hinsichtlich der nicht hauptberuflichen Dekane und der Studiendekane halten in ihrem Umfang den Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 LUFV ein und sind nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat bezüglich der Lehrverpflichtungen der Inhaber der Stellen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2022 zusätzliche Unterlagen vorgelegt. Im Übrigen wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen (BayVGH, B.v.15.2.2016 – 7 CE 15.10413 u.a. – juris Rn. 13 ff.; BayVGH, B.v. 21.9.2007 – 7 CE 07.10320 u.a. – juris Rn. 8).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entscheiden die Hochschulen im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens eigenverantwortlich, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang zu beteiligen sind. Die Aufteilung des Curricularnormwertes auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten sei vom Studienbewerber hinzunehmen und vom Gericht nicht zu beanstanden, solange der Curricularnormwert für einen Studiengang in der Summe nicht überschritten werde (BayVGH, B.v.15.10.2018 – 7 CE 18.10050 u.a. – juris Rn. 8 m.w.N.). Auch wurde die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 27.8.2010 – 7 CE 10.10278 u.a.) vom Antragsgegner berücksichtigt, wonach der Dienstleistungsexport aus der vorklinischen Medizin mit einem Wert von 0,7939 anstelle des vorherigen von 0,8567 angesetzt wurde.
In den Beschlüssen vom 4. Juni 2020 (7 CE 19.10125 – BeckOnline; 7 CE 20.10039 u.a. – BeckOnline) führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zum Wintersemester 2019/2020 bzw. Sommersemester 2019 aus, dass der von den Antragsparteien im Beschwerdeverfahren vorgetragene Einwand, der behauptete Curriculareigenanteil sei nicht glaubhaft gemacht, sondern willkürlich bestimmt, vom Antragsgegner nicht widerlegt worden sei und daher die vorläufige Zulassung der Antragsparteien zum Studiengang Zahnmedizin an der LMU zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu veranlassen sei (BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 7 CE 20.10039 u.a. – BeckOnline Rn. 6). Der Senat bleibe zwar bei seiner Rechtsprechung, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfüge (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 7 CE 19.10085 u.a. – juris Rn. 18). Dies entbinde die LMU jedoch nicht von der Verpflichtung, die einzelnen Curricularanteile der an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten anhand der maßgeblichen Parameter zu plausibilisieren. Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gebiete es, die Berechnungsgrundlagen offenzulegen. Nur so könne den Antragstellerinnen und Antragstellern die Möglichkeit gegeben werden, die erschöpfende Kapazitätsauslastung des Studiengangs zu überprüfen und ggf. substantiiert in Frage zu stellen (vgl. insgesamt BayVGH, B.v.4.6.2020 – 7 CE 20.10039 u.a. – BeckOnline Rn. 12).
Ein Curriculareigenanteil der Lehreinheit Zahnmedizin (CAp) von 6,3601 wurde durch ergänzende Auflistung der Lehrveranstaltungen im Studiengang Zahnmedizin (nach PStO in der Fassung vom 9.9.2009) durch die LMU im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht. Bei Heranziehung dieses Werts wären statt der festgesetzten 68 Studierenden im Wintersemester 2021/22 nur noch 67 Studierende zuzulassen gewesen, denn unter Zugrundelegung dieses Wertes ergibt sich eine Ausbildungskapazität des streitgegenständlichen Studiengangs von 134 Studienplätzen statt zuvor festgesetzten 136 Studienplätzen.
Der Antragsgegner hat in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2022 ausgeführt, da zum Berechnungszeitpunkt im Frühjahr 2021 noch keine neue Prüfungs- und Studienordnung auf Basis der Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen (ZApprO) vom 8. Juli 2019, die ab dem 1. Oktober 2021 anwendbar sein sollte, vorhanden war und damit noch nicht erkennbar war, welche wesentlichen Änderungen im Sinn vom § 40 Abs. 2 HZV eintreten würden, mussten für das Studienjahr 2021/22 noch die Vorgaben der vorher geltenden Studienordnung für den Studiengang Zahnmedizin an der LMU vom 20. Mai 1994 (KWMBl. II S. 533) herangezogen werden. Die aktuelle Prüfungs- und Studienordnung der LMU für den Studiengang Zahnmedizin (PStO 2021) wurde am 20. Januar 2022 in der LMU niedergelegt und durch Anschlag in der LMU bekannt gegeben. Zwar tritt diese Satzung mit Wirkung vom 1. Oktober 2021 in Kraft und gilt bereits für Studierende des Wintersemesters 2021/22 (§ 30 PStO 2021), allerdings hat der Antragsgegner glaubhaft gemacht, dass diese Studienordnung noch nicht der Festsetzung der Studienplätze für das Studienjahr 2021/22 zugrundeliegen kann. Die Zulassungszahlsatzung 2021/22 stammt vom 2. Juli 2021. Es ist nachvollziehbar, dass vor diesem Zeitpunkt eine Berücksichtigung der Studienordnung vom 20. Januar 2022 noch nicht erfolgen konnte. Aus Sicht des Gerichtes ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Berechnung der Studierendenzahlen 2020/2021 noch auf der Grundlage der vorhergehenden Prüfungs- und Studienordnung und dem hierzu dargelegten detaillierten Curriculreigenanteil erfolgt.
Anlage 10 zu § 48 HZV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 10. November 2020 (GVBl. S. 646) weist einen Curricularnormwert für den Studiengang Zahnmedizin vom 7,8 aus. Anlage 10 zu § 48 HZV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 13. April 2021 (GVBl. S. 268) normiert einen Curricularnormwert von 8,86 CNW.
Das Gericht tendiert zu der Ansicht, dass für die Festsetzung der Zulassungszahlen im Studiengang Zahnmedizin für das Studienjahr 2021/2022 bereits der Curricularnormwert von 8,86 CNW anzuwenden ist, da dieser Wert ab dem 1. Mai 2021 gilt. Es wäre somit nur von 67 zu vergebenden Studienplätzen im Wintersemester 2021/2022 auszugehen. Selbst wenn man jedoch zugunsten der Antragspartei, wie der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2022 ausführt, den Curricularnormwert von 7,8 anwendet, käme man lediglich auf 68 zu vergebende Studienplätze im Wintersemester 2021/2022.
Denn dann wäre der Curricularnormwert (Anlage 10 in der bis zum 30. April 2021 gültigen Fassung) für den Studiengang Zahnmedizin, wenn man den durch Lehrveranstaltungen glaubhaft gemachten Wert von 7,9127 (CAp 6,3601) zugrundelegt, überschritten. Sofern der Curricularwert der Studienordnung den CNW überschreitet, ist kapazitätsrechtlich dessen Rückführung auf den CNW erforderlich. Hierbei sind die widerstreitenden Interessen zwischen dem Zulassungsanspruch der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG und der Lehrfreiheit der Hochschule aus Art. 5 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. Es wäre daher eine proportionale Kürzung des Curricularwertes vorzunehmen (vgl. insgesamt Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., 2003, S. 408; BayVGH, B. v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 – juris Rn. 29; BayVerfGH, E.v. 8.7.2021 – juris). Der proportional gestauchte Curricularwert ergibt einen CAp von 6,2695 (7,8 / 7,9127 = 0,985757; 6,3601 x 0,985757 = 6,2695).
Innerhalb der Grenzen des normierten Werts haben die Universitäten Gestaltungsfreiheit (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.7.2021 – Vf. 47-VI-19 – juris Rn. 35; BVerwG vom 18.9.1981; BVerwGE 64, 77/94ff.), die sich insbesondere darauf erstreckt, inwieweit die Hochschule den Unterricht in bestimmten Fächern von anderen Lehreinheiten (Curricularfremdanteil) erbringen lässt; sie darf dabei allerdings nicht missbräuchlich oder willkürlich handeln (vgl. BVerwGE 64,77/96). Den Belangen der Studienbewerber ist bei der Kapazitätsberechnung in solchen Fällen bereits durch den zwingend vorgegebenen Curricularnormwert, der im Ergebnis bei der Kapazitätsberechnung nicht überschritten werden darf, Rechnung getragen (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.7.2021 – Vf. 47-VI-19 – juris Rn. 35; BVerwG vom 18.9.1981; BVerwGE 64, 77/94ff). Die Rechtsprechung billigt der Hochschule auch bei der Rückführung auf den Curricularnormwert einen durch ihre Lehrfreiheit geschützten Gestaltungsspielraum zu, dessen Grenze wiederum nur Missbrauch oder Willkür ist (vgl. BayVerfGH, E.v. 8.7.2021 – Vf. 47-VI-19 – juris Rn. 36; BVerwG vom 18.9.1981; BVerwGE 64, 77/96).
Die Ausweisung von 68 Studienplätzen für das Wintersemester 2021/22 (bei 68 für das Sommersemester 2022 ausgewiesenen Studienplätzen) ist vom Gericht nicht zu beanstanden. Aufgrund des nunmehr aktualisierten, detailliert vorgelegten Curriculareigenanteils wären für das Wintersemester 2021/22 sogar lediglich 67 Studienplätze festzusetzen gewesen. Selbst eine zugunsten der Antragspartei vorgenommene Stauchung des Curricularwertes würde rechnerisch für das Studienjahr 2021/2022 insgesamt 136 Studienplätze ergeben.
Die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studiengangs Zahnmedizin aufgrund der personellen Ausstattung mit 134 Studienplätzen hat nach der Formel II. der Anlage 8 zur HZV und unter Zugrundelegung des mit Lehrveranstaltungen belegten CAp-Wertes ohne Stauchung zunächst folgendermaßen zu erfolgen:
Ap = (2 · Sb)/CA · zp;
da der Lehreinheit Zahnmedizin keine anderen Studiengänge zugeordnet sind, entspricht der Wert CAp dem Wert CA Ap = 365,1414 x 2  730,2828
: CAp (= 6,3601)  114,8225
: SF 0,8589  133,6856
aufgerundet 134 Studienplätze als jährliche Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum 2021/22.
Setzt man in die Berechnung den gestauchten Curricularwert ein (s.o) ergibt sich folgende Rechnung,
Ap = (2 · Sb)/CA · zp;
da der Lehreinheit Zahnmedizin keine anderen Studiengänge zugeordnet sind, entspricht der Wert CAp dem Wert CA Ap = 365,1414 x 2  730,2828
: CAp (= 6,2695)  116,4818
: SF (= 0,8589)  135,6174
aufgerundet 136 Studienplätze als jährliche Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum 2021/22.
Damit errechnen sich, selbst wenn der Curricularwert gestaucht wird, lediglich die Kapazität, die ursprünglich festgesetzt wurde.
Da die aufgrund der personellen Ausstattung errechnete Kapazität deutlich geringer ist als die ausstattungsbezogene Aufnahmekapazität (§ 54 Abs. 1 Satz 2 HZV) – diese beträgt (vgl. Blatt 3a der vorgelegten Kapazitätsberechnungen) gerundet 169 Studienplätze (113 / 0,67= 168,6567) – ist gemäß § 54 Abs. 2 HZV dieses niedrigere Berechnungsergebnis der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde zu legen; eine weitere Aufklärung war diesbezüglich nicht geboten.
Somit war im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2021/22 kein freier Studienplatz mehr vorhanden, der von der Antragspartei hätte in Anspruch genommen werden können.
Soweit hilfsweise die auf eine Anzahl von Semestern beschränkte Zulassung beantragt wurde, war dieser Hilfsantrag ebenfalls abzulehnen, da der Studiengang nicht in einzelne Studienabschnitte, zu denen eine gesonderte Zulassung erfolgt, unterteilt ist.
Ob die Antragspartei des vorliegenden Verfahrens – sei es im Hauptantrag, sei es im Hilfsantrag – neben der vorläufigen Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität auch die vorläufige Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität beantragt hat, wirkt sich nicht entscheidungserheblich aus: Die festgesetzte Kapazität von 68 Studienplätzen ist mit 74 im regulären Vergabeverfahren zugelassenen und immatrikulierten Studierenden, die als kapazitätsdeckend zugelassen anzuerkennen sind, erschöpft. Es konnte daher offen bleiben, ob für den hilfsweise gestellten Antrag auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestand, was zum einen die vorherige Antragstellung bei der Behörde und zum anderen die fehlende Bestandskraft eines etwa ergangenen ablehnenden Bescheids voraussetzen würde.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei eine etwa ergänzend beantragte auch innerkapazitäre Zulassung nach der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Gerichts den Streitwert unverändert lässt, da es sich wirtschaftlich gesehen um ein- und denselben Streitgegenstand, nämlich die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im Wintersemester 2021/22, handelt.


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