Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung

Aktenzeichen  W 8 E 18.510

Datum:
11.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9932
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Hs. 2
BayVwVfG Art. 21
VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Hinsichtlich eines Entfallens des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen iSd § 16a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG trägt der Halter die materielle Beweislast dafür, dass sich die Basis für die frühere Prognose, die zu dem Haltungs- und Betreuungsverbot geführt hat, zwischenzeitlich verändert hat. Verbleiben Zweifel an einer künftig beanstandungsfreien Tierhaltung, muss der Wiedergestattungsantrag abgelehnt werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Beruht das Verbot auf wiederholten Beanstandungen, so steigen die Anforderungen an die Feststellung, dass der Betreffende zum Halten oder Betreuen wieder geeignet ist. In solchen Fällen muss der Antragsteller Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass bei ihm ein individueller Lernprozessstand stattgefunden hat. Neben der persönlichen Zuverlässigkeit kann im Einzelfall auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Beurteilung des inneren Reifeprozesses und der Prognose weiterer Zuwiderhandlungen Bedeutung haben (ebenso BayVGH BeckRS 2008, 27610). (Rn. 27) (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine bloße Vorbefassung eines Amtsträgers oder eine für den Antragsteller negative Entscheidung durch den Amtsträger alleine begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit nach Art. 21 BayVwVfG. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, dass die Veräußerung seiner Ziegen unterlassen wird, ihm die Ziegen zurückgegeben werden und dass ihm ermöglicht wird, die Ziegen bis zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedergestattung der Haltung von Tieren selbst zu versorgen. Darüber hinaus begehrt er die Verpflichtung, dem Veterinäramt des Landratsamtes M.-S. (Landratsamt) wegen Befangenheit die Zuständigkeit für die Bearbeitung seines Falles zu entziehen.
1. Mit Bescheid des Landratsamtes vom 29. Mai 2017 wurde dem Antragsteller das Halten und Betreuen von Tieren jeglicher Art mit sofortiger Wirkung untersagt (Nr. 1). Des Weiteren wurde er verpflichtet, alle von ihm gehaltenen Ziegen innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids abzugeben, zu veräußern oder zu verwerten (Nr. 2), das Veterinäramt über neue Halter zu informieren und innerhalb von einer Woche nach Abgabe einen schriftlichen Nachweis über den Verbleib jedes einzelnen Tieres vorzulegen (Nr. 3 und 4). Die Anordnungen der Nr. 1 bis Nr. 4 des Bescheides wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 9).
Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Dezember 2017 wurde die Klage gegen den Bescheid vom 29. Mai 2017 (Haltungs- und Betreuungsverbot von Tieren) abgewiesen (W 8 K 17.638) und am gleichen Tag wurde in den Verfahren W 8 K 17.536, W 8 K 17.537, W 8 K 17.538, W 8 K 17.539 und W 8 K 17.540 entschieden.
Mit Bescheid des Landratsamts M.-S. vom 4. Januar 2018 wurde dem Antragsteller angedroht, den laut HI-Tier-Datenbank in Besitz des Antragstellers stehenden Tierbestand auf dessen Kosten aufzulösen (unmittelbarer Zwang), sollte der Antragsteller nicht bis spätestens eine Woche nach Zustellung dieses Bescheides seinen Verpflichtungen aus den Ziffern 2 bis 4 des Bescheids des Landratsamts M.-S. vom 29. Mai 2017 nachkommen (Nr. 1). Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018 Klage und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss vom 31. Januar 2018 durch das Gericht abgelehnt (W 8 S 18.72). Über die Klage (W 8 K 18.71) wurde noch nicht entschieden.
Am 6. März 2018 erfolgte die angedrohte Auflösung und anderweitige Unterbringung des Tierbestandes. Bei der Auflösung des Tierbestands übergab der Antragsteller den Mitarbeitern des Landratsamts einen Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung.
Am 8. März 2018 teilte Herr D… C…, der Vater des Antragstellers, telefonisch dem Landratsamt mit, dass er der Eigentümer des am 6. März 2018 aufgelösten Tierbestandes des Antragstellers sei. Daraufhin forderte das Landratsamt mit Schreiben vom 12. April 2018 Herrn D… C… auf, das Eigentum an dem aufgelösten Tierbestand bis spätestens 20. April 2018 nachzuweisen durch Vorlage des Kaufvertrages für jede einzelne von ihm als Eigentum beanspruchte Ziege sowie einer Vereinbarung hinsichtlich der Nachkommen der gekauften Ziegen.
Mit Bescheid vom 23. April 2018 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung ab.
2. Zu Protokoll beantragte der Antragsteller am 16. April 2018 den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit folgendem Inhalt:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Veräußerung der in Obhut genommenen Ziegen zu unterlassen, die Ziegen wieder zurückzugeben und ihm damit zu ermöglichen bis zur Entscheidung über seinen Antrag nach § 16a TierSchG die Tiere selbst zu versorgen.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Veterinäramt des Landratsamtes M.-S. wegen Befangenheit die Zuständigkeit für die Bearbeitung seines Falles zu entziehen und die Zuständigkeit an eine Stelle zu übertragen, die nicht mit dem Veterinäramt des Landratsamtes M.-S. kollegial verbunden ist.
Seinen Antrag begründete der Antragsteller im Wesentlichen damit, er beziehe sich auf die aus dem Verfahren W 8 K 18.71 bekannten Tatsachen. Die Veterinärin Frau Dr. Ro… habe beim Abtransport seiner Ziegen vor Zeugen geäußert, in seiner Angelegenheit befangen zu sein. Zeuge sei Herr S… vom Veterinäramt Main-Spessart. Er könne daher nicht gutgläubig erwarten, dass das Veterinäramt Main-Spessart den Antrag auf Wiederzulassung als Tierhalter unbefangen sachlich bearbeite. Er müsse vielmehr aufgrund der Korrespondenz des Veterinäramtes mit seinem Vater befürchten, dass das Amt seine Ankündigung laut Presseartikel wahr mache, die von ihm gehaltenen Tiere zur Deckung der Unkosten für die Inobhutnahme zu verkaufen. Dies würde nicht nur die jahrelange, sondern insbesondere im letzten Jahr an alle Forderungen des Veterinäramtes angepasste, geduldige und liebevolle Arbeit mit den Tieren komplett entwerten. Diese habe zu dem von Zeugen bestätigten offensichtlich guten Zustand der Tiere geführt, sodass er einen positiven Bescheid über seinen Antrag nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG erwarten könne. Zeugen hierfür seien der beauftragte Gutachter und Viehhändler N… . Eine Veräußerung der Ziegen sei daher ebenso unverhältnismäßig, wie dies bereits die veranlasste Inobhutnahme der Ziegen gewesen sei. Bei dem nachweislich guten Zustand der Tiere sei eine Bearbeitung des Antrags ohne Gefahr für die Tiere möglich gewesen, wenn sie in seiner Haltung geblieben wären. Zudem würden aufgrund der Inobhutnahme erhebliche Kosten entstehen, während er jederzeit in der Lage sei, die Tiere selbst gut zu versorgen.
Nach der Übergabe des Antrags nach § 16a TierSchG scheine der Abtransport der Tiere nur den Zweck gehabt zu haben, seinen besten Beweis für die Begründung des Antrags, nämlich die kontinuierlich gute Haltung der Tiere, zu vernichten sowie auf dem Umweg der Kostenerzeugung durch die Inobhutnahme es sachlich notwendig zu machen, zur Deckung der Kosten die Tiere zu verkaufen. Es handle sich um Schikane.
3. Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 26. April 2018,
die Anträge auf Eilrechtsschutz in Ziffer 1, 2 und 3 abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Wiedergestattungsantrag des Tierhalters sei mit Bescheid vom 24. April 2018 abgelehnt worden. Daher könnten ihm die Tiere aufgrund des sofort vollziehbaren Tierhaltungs- und Betreuungsverbots vom 29. Mai 2017 nicht zurückgegeben werden. Es sei auch nicht absehbar, dass in naher Zukunft die Tierhaltung und Betreuung wieder zugelassen werden könne. Die Behörde treffe keine Verpflichtung, die Tiere selbst zu halten und zu betreuen. Dies sei mit hohen Kosten verbunden und vom Staat seinen Bürgern nicht zuzumuten. Daher sei es rechtmäßig, den Eigentumsübergang durch die Anhörung zur Einziehung vorzubereiten. Das Veterinäramt des Landkreises Main-Spessart sei die örtlich und sachlich zuständige Behörde. Eine Befangenheit für das ganze Amt anzunehmen, sei abwegig. Darüber hinaus sei eine nachteilige Entscheidung allein nicht geeignet, die Grundlage für die Annahme einer Befangenheit zu bilden. Zum Vorwurf Frau Dr. Ro… hätte beim Abtransport der Ziegen geäußert, sie sei in dieser Angelegenheit befangen, sei auszuführen, dass die Aussage durch den Antragsteller aus dem Kontext gerissen worden sei. Im Zuge der Wegnahme der Ziegenherde am 6. März 2018 sei Frau Dr. Ro… vom Antragsteller mehrmals nach dem Zustand der Tiere gefragt worden. Der Antragsteller habe unmittelbar nach der Begrüßung auf ihre Frage, ob er wisse, warum sie heute da seien, sinngemäß geantwortet: „Ja, sie kommen, um sich die Tiere anzuschauen und den Zustand zu beurteilen.“ Ihm sei daraufhin der Grund der Anwesenheit mitgeteilt worden, nämlich dass seine Tiere wegen des bestehenden Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes durch das Landratsamt anderweitig untergebracht würden. Frau Dr. Ro… teilte dem Antragsteller mit, sie werde aktuell keine Aussage zum Zustand der Tiere treffen. Sie habe ihm auch erklärt, dass die Schätzung des Wertes der Herde durch einen neutralen Gutachter erfolgen werde und zwar – auf Nachfrage – gleich am nächsten Tag. Ihre Einschätzung könne in diesem Zusammenhang als befangen gewertet werden. Diese Äußerung habe sich ausschließlich auf die andauernde Aufforderung des Antragstellers, dass Frau Dr. Ro… an diesem Tag eine Bewertung der Herde vornehmen solle, bezogen. Eine Kontrolle der Ziegenherde, ob diese tierschutzgerecht gehalten werde, sei an diesem Tag nicht die Aufgabe von Frau Dr. Ro… gewesen. Ihre Aufgabe habe bei dieser Kontrolle lediglich darin bestanden, die zügige Wegnahme der Tiere von amtstierärztlicher Seite aus zu organisieren und zu überwachen. Dies sei dem Antragsteller auch so kommuniziert worden. Alle fachlichen Stellungnahmen, die Frau Dr. Ro… bezüglich der Ziegen des Antragstellers getroffen habe, seien objektiv erfolgt und nachvollziehbar dokumentiert worden. Ihre Beurteilungen stimmten mit denen von Amtskollegen und externen Fachleuten überein.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2018 wurde dem Gericht betreffend einer weiblichen Ziege das Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 5. April 2018 übersandt sowie ein Sektionsbericht des Fachbereichs Veterinärwesen des Landratsamts Bamberg vom 19. März 2018, wonach die Befunde für Kachexie bei Endoparasitose sprechen würden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten (W 8 E 18.510, W 8 K 18.564, W 8 K 18.71, W 8 S 18.72) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Der Antragsteller hat insbesondere keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da eine Wiedergestattung der Tierhaltung nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht in Betracht kommt, da der Antragsteller nicht glaubhaft machen konnte, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist.
1. Der Antrag des Antragstellers ist gemäß § 88 VwGO entsprechend dem erkennbaren Begehren dahingehend auszulegen, dass er eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO begehrt in Form einer Anordnung des Verbots der Veräußerung der Tiere und der vorläufigen Gestattung der Tierhaltung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung, auch im gerichtlichen Verfahren, über seinen Wiedergestattungsantrag der Tierhaltung vom 6. März 2018.
Denn der Antragsteller hat zu Protokoll am 16. April 2018 beantragt, die Veräußerung der in Obhut genommenen Ziegen zu unterlassen, die Ziegen wieder zurückzugeben und ihm damit zu ermöglichen bis zur Entscheidung über seinen Antrag nach § 16a TierSchG die Tiere selbst zu versorgen. Jedoch hat das Landratsamt inzwischen im Bescheid vom 24. April 2018 den Antrag auf Wiedergestattung der Tierhaltung abgelehnt. Da der Wortlaut des Antrags sich nicht auf eine Entscheidung durch das Landratsamt beschränkt und der Antragsteller am 30. April 2018 gegen den Ablehnungsbescheid Klage erhoben hat, ist das Begehren des Antragstellers dahingehend aufzufassen, dass er das einstweilige Veräußerungsverbot und die vorläufige Haltungsgestattung auch bis zur Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 24. April 2018 begehrt.
Das klägerische Begehren ist hinsichtlich des zweiten Antrags, die Zuständigkeit auf eine andere Behörde wegen der Befangenheit des Veterinäramtes Main-Spessart zu übertragen, sach- und interessengerecht dahingehend auszulegen, dass hiermit kein eigenständiger Antrag verfolgt wird, zumal ein solcher Antrag nach § 44a VwGO nicht eigenständig geprüft wird, sondern eine mögliche Befangenheit inzident innerhalb der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids als Entscheidung in der Hauptsache zu prüfen ist.
2. Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf ein vorläufiges Veräußerungsverbot und auf Rückgabe der Ziegen nicht glaubhaft gemacht, da der Antragsteller keinen Anspruch auf die Wiedergestattung der Tierhaltung hat. Der Antrag, die streitgegenständlichen Ziegen wieder dem Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu überlassen, ist auch deshalb unbegründet, da hierdurch die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen würde.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehen-den Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Ein Antrag nach § 123 VwGO ist begründet, wenn der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht und durch eine entsprechende Anordnung die Hauptsache – im Regelfall – nicht vorweggenommen wird. Am Vorliegen dieser kumulativen Voraussetzungen fehlt es hier.
Zwar wurde mit dem drohenden Verkauf der Ziegen, der alsbald wegen der hohen Unterbringungskosten erfolgen soll, ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Jedoch würde hinsichtlich der begehrten vorläufigen Gestattung der Ziegenhaltung die Entscheidung in der Hauptsache im Wesentlichen vorweggenommen. Denn dem Antragsteller würde hierdurch gerade entgegen des sofort vollziehbaren Haltungs- und Betreuungsverbots, die Tierhaltung und Tierbetreuung – wenn auch nur zeitweise – gestattet werden. Da der erforderliche hohe Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache fehlt, bedarf es auch keiner Ausnahme von dieser Voraussetzung.
Hinsichtlich der Anordnung eines vorläufigen Veräußerungsverbots und der Rückgabe der Ziegen fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf Wiedergestattung der Ziegenhaltung. Es besteht für den Antragsteller noch immer zu Recht ein sofort vollziehbares Tierhaltungs- und Betreuungsverbot.
Der Antragsteller konnte einen Anspruch nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz TierSchG nicht glaubhaft machen. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz TierSchG ist das Halten oder Betreuen von Tieren wieder zu gestatten, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist. Im Verfahren nach § 123 VwGO sind die einen Anspruch begründeten Tatsachen glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Der Antragsteller konnte jedoch gerade nicht glaubhaft machen, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist.
Hinsichtlich eines Entfalls des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen trägt der Halter die materielle Beweislast dafür, dass sich die Basis für die frühere Prognose, die zu dem Haltungs- und Betreuungsverbot geführt hat, zwischenzeitlich verändert hat. Hierfür muss der Grund in den Blick genommen werden, der Anlass für die negative Prognose war. Verbleiben Zweifel an einer künftig beanstandungsfreien Tierhaltung, muss der Wiedergestattungsantrag abgelehnt werden. Die Anforderungen, die an eine Wiedergestattung zu stellen sind, hängen von den Umständen ab, die zum Erlass des Tierhaltungs- oder Betreuungsverbots geführt haben. Beruht das Verbot auf wiederholten Beanstandungen, so steigen die Anforderungen an die Feststellung, dass der Betreffende zum Halten oder Betreuen wieder geeignet ist. In solchen Fällen reicht ein bloßer Zeitablauf nicht aus. Vielmehr muss der Antragsteller Umstände darlegen (zum Beispiel psychologisches Gutachten, Sachkundenachweis etc.), aus denen sich ergibt, dass bei ihm ein individueller Lernprozessstand stattgefunden hat und eine Läuterung in seinem Verhalten gegenüber potentiell zu haltenden Tieren eingetreten ist. Bloßes äußeres zeitweiliges oder situationsbedingtes Unterlassen der früheren Handlungsweise genügt nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang im Sinne eines individuellen Lernprozesse stattgefunden haben, dass sich auf die inneren Gründe für die Handlung bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit künftig auszuschließen ist, dass sich der Antragsteller wiederum tierschutzwidrig verhält (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 55 m.w.N.).
Anhand dieser Vorgaben ist vorweg festzuhalten, dass an den Antragsteller hohe Anforderungen zu stellen sind über die Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen, die ein Entfallen des Grundes für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen begründen könnten. Die tierschutzwidrigen Zustände in der Tierhaltung des Antragstellers haben sich über einen sehr langen Zeitraum hingezogen. Die Beanstandungen des Veterinäramtes hatten bereits im Jahre 2008 begonnen und sich mindestens noch bis Ende 2017 fortgesetzt.
Aufgrund dieses langen Zeitraums und der erheblichen tierschutzrechtlichen Verstöße des Antragstellers, die auch zu einer Verurteilung in mindestens einem Fall wegen Tierquälerei geführt hat, reicht ein kurzzeitiges Wohlverhalten über einen Zeitraum von allenfalls fünf Monaten im Vergleich zu dem zuvor langfristigen Fehlverhalten von fast 10 Jahren für sich alleine nicht aus, um den Entfall des Grundes für die Annahme der Zuwiderhandlungen glaubhaft zu machen.
Dass die Ziegen im Zeitpunkt der Wegnahme insgesamt einen relativ gesunden Eindruck gemacht haben und der Antragsteller bei dem Abtransport geholfen hat, wird von der Antragsgegnerseite nicht bestritten. Sie verlangt aber vom Antragsteller weitere Nachweise für einen erkennbaren Gesinnungswandel. Dass dem Veterinäramt zum jetzigen Zeitpunkt das kurzzeitige Wohlverhalten des Antragstellers nicht ausreicht, ist aufgrund der zuvor gemachten Ausführungen nicht zu beanstanden.
Der amtlichen Beurteilung steht auch nicht die Mitwirkung der Amtstierärztin Dr. Ro… entgegen. Eine mögliche Befangenheit der Amtstierärztin Dr. Ro… ist nicht erkennbar. Wie bereits das Landratsamt in seiner Antragserwiderung zutreffend ausführte, begründet eine bloße Vorbefassung eines Amtsträgers oder eine für den Antragsteller negative Entscheidung durch den Amtsträger alleine nicht die Besorgnis der Befangenheit nach Art. 21 BayVwVfG. Auch durch die Aussage der Amtstierärztin, sie könne in dem Fall als befangen angesehen werden, wird die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet. In der Antragserwiderung wurde glaubhaft dargelegt, dass diese Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wurde und die Amtstierärztin vielmehr selbst eine vorschnelle Beurteilung des Zustandes der Ziegen auf Drängen des Antragstellers vermeiden wollte, da der Antragsteller schon in der Vergangenheit die Befangenheit anderer Veterinäre behauptet hatte. Dies deckt sich auch mit den Aussagen der Stellungnahme des Landratsamts vom 29. März 2018 (vgl. Blatt 102 der Behördenakte). Vielmehr spricht das Verhalten der Amtstierärztin, indem sie Maßnahmen in Form von Gutachten neutraler Stellen veranlasste, dafür, dass sie sich ihrer Neutralitätspflicht bewusst und auch gewillt war, diese einzuhalten. So wurde veranlasst, dass eine nach der Wegnahme vom Tierhalter verendete Ziege, nicht von der Amtstierärztin untersucht wurde, sondern vom Bayerischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und ein Gutachten auf der Grundlage der Sektion der Ziege durch das nicht involvierte Veterinäramt des Landratsamts B. mit Datum vom 29. März 2018 erstellt wurde. Des Weiteren kommt das Veterinäramt den Forderungen des Antragstellers nach, wenn es von deren Rechtmäßigkeit ausgeht, und dies nicht kategorisch ablehnt, wie sich anhand der Herausgabe der Unterlagen bezüglich der neuen Ohrnummern der Ziegen zeigt. Auch zugunsten des Antragstellers sprechende Umstände, wie der ordnungsgemäße Zustand fast aller Ziegen im Zeitpunkt der Wegnahme, werden beachtet und nicht kategorisch bestritten. Eine pauschale Ablehnung des gesamten Veterinäramtes kommt erst recht nicht in Betracht.
Trotz des relativ guten Zustands fast aller Ziegen kann aufgrund der derzeitig glaubhaft gemachten Tatsachen ein grundlegender Gesinnungswandel des Antragstellers weiter insbesondere nicht angenommen werden, da sich aus dem bereits erwähnten Gutachten des Landratsamts B. vom 29. März 2018 ergibt, dass der Antragsteller, die von ihm aufgrund seines vorangehenden Verhaltens erwarteten sehr hohen Sorgfaltspflichten bezüglich der Tierhaltung, noch immer nicht vollständig erfüllt. Denn aus diesem amtstierärztlichen Gutachten, dem auch eine vorrangige Beurteilungskompetenz zuzuerkennen ist, ergibt sich aufgrund der ausführlichen und nachvollziehbaren Darstellungen, dass die Ziege aufgrund einer Kachexie (starken Abmagerung) infolge einer hochgradigen Endoparasitose verendet ist. Hierbei handelt es sich um die altbekannte Problematik, dass der Antragsteller Erkrankungen und Leiden seiner Tiere nicht erkennt und daher auch nicht rechtzeitig zu einem Tierarzt bringt bzw. gebracht hat. Diese Abmagerung hat sich laut Gutachten bereits über einen längeren Zeitraum hinweg gezeigt. Laut nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachtens handelt es sich bei einer Abmagerung nicht um ein kurzfristiges Geschehen, sondern umfasst sicher einen Zeitraum von mehreren Wochen. Eine fortschreitende Abmagerung der Ziege hätte der Tierhalter durchaus erkennen können und mit entsprechenden Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen darauf reagieren müssen. Eine Unterlassung der erforderlichen Maßnahmen ist als Verstoß gegen die Grundpflichten eines jeden Tierhalters nach § 2 Tierschutzgesetz zu werten. Eine stetige Abmagerung eines Tieres mit letztendlich Todesfolge erfüllt den Tatbestand des Zufügens von länger anhaltenden Leiden und Schäden (Gutachten des Veterinäramtes des Landratsamt B. vom 29. März 2018). Dieses Gutachten dokumentiert erneut den berechtigten Vorwurf fehlender Sachkunde und fehlenden Bewusstseins für das Leiden der Ziegen, die zuvor schon zum Haltungs- und Betreuungsverbot gegenüber dem Antragsteller geführt hat. Ein durchgreifender Wandel der Gesinnung, des Verständnisses und Bewusstseins von Tierleiden hat beim Antragsteller bislang nicht stattgefunden.
Zudem wurden für die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller von ihm weder irgendwelche Unterlagen hinsichtlich eines inzwischen bestätigten erworbenen Sachkundenachweises, eines Gutachtens eines neutralen Sachverständigen noch etwa eine schriftlich niedergelegte Aussage eines (am besten neutralen) Zeugens, wie zum Beispiel des Schäfers M…, bei dem die Ziegen untergestellt waren, vorgelegt.
Überdies kam der Antragsteller wiederum nicht den weiteren Verpflichtungen eines Tierhalters über § 2 TierSchG hinaus nach, da ein Bestandsregister auch im Zeitpunkt des Abtransportes nicht vorlag und die Ohrmarken nicht ordnungsgemäß angebracht waren. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine Anforderung des § 2 TierSchG, jedoch zeigt dieses weitere Indiz, dass sich der Antragsteller offenbar noch nicht bewusst ist, dass er alle gesetzlichen Vorgaben einhalten muss, zumal ihm bereits früher mehrfach das Erfordernis eines Bestandsregisters und ordnungsgemäßer Kennzeichnung der Tiere durch die Vertreter des Landratsamts dargelegt worden ist. Dieser Umstand belegt zusätzlich, dass dem Antragsteller die erforderliche Gesamtzuverlässigkeit als Tierhalter fehlt.
Weiter ist in Aktenvermerken dokumentiert, dass der Antragsteller bislang seine Tierhaltung nur umgestellt hat, um den Forderungen des Landratsamts nachzukommen. Ein innerer Reifeprozess in Form eines Problembewusstseins bezüglich tierischen Leidens geht hieraus nicht hervor, da der Antragsteller bis zuletzt (so auch in der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2017) davon ausging und noch ausgeht, dass seine Ziegen trotz der dokumentierten Mängel nie gelitten hätten (vgl. Aktenvermerk über das Gespräch zwischen Herrn S und dem Antragsteller vom 21. März 2018). Ein kurzzeitiges Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens genügt grundsätzlich nicht, eine zuvor über Jahre gezeigte Unzuverlässigkeit hinsichtlich der Einhaltung tierschutzgemäßer Zustände aufzuheben, sondern ist wenig bedeutsam, solange es nicht Resultat eines nachhaltig geänderten Konzepts und einer dauerhaften inneren Läuterung ist.
Überdies stehen dem Wiedergestattungsantrag die erheblichen Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers entgegen, über 70 Ziegen artgerecht zu versorgen, sei es in Form von Unterbringung, Futter oder/und tierärztlicher Behandlung. Neben der persönlichen Zuverlässigkeit kann im Einzelfall auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei der Beurteilung des inneren Reifeprozesses und der Prognose weiterer Zuwiderhandlungen Bedeutung haben (BayVGH, B.v. 27.2.2008 – 9 C 08.57 – juris). Diese erheblichen Zweifel beruhen darauf, dass aus der Gesamtschau der Behördenakten hervorgeht, dass der Antragsteller nur im Rahmen einer Nebentätigkeit einen gerade mal für seine eigene Versorgung genügenden Betrag erwirtschaftet. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ziegenhaltung selbst einen Gewinn erbringt; vielmehr verursacht die Ziegenhaltung auch – vom Antragsteller kaum zu leistende – Ausgaben. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Ziegenhaltung mit über 70 Tieren mit erheblichen Unterbringungs-, Futter- und Tierarztkosten verbunden, welche der Antragsteller schon in der Vergangenheit nicht immer im erforderlichen Umfang aufbringen wollte und konnte.
3. Nach alledem war der Antrag auf Anordnung eines vorläufigen Veräußerungsverbots und der vorläufigen Gestattung der Tierhaltung (verbunden mit der Rückgabe der Ziegen) mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei geht das Gericht hinsichtlich des begehrten vorläufigen Veräußerungsverbots und der einstweiligen Rückgabe der Ziegen von einem Hauptsachestreitwert von 5.000,00 EUR (Auffangstreitwert) aus. Für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war dieser Streitwert um die Hälfte zu reduzieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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