Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  20 ZB 17.30393

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3046
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 3 K 16.31155 2017-03-06 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 6. März 2017 (Az. B 3 K 16.31155) ist bereits unzulässig. Denn der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt.
1. Die Kläger werfen zunächst folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam auf:
„ob es im Irak generell eine inländische Fluchtalternative gibt oder ob nur dann eine inländische Fluchtalternative überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die betroffene Person im dortigen Gebiet über ausreichende soziale und familiäre Verbindungen verfügt, die ein Überleben ermöglichen.“
Insoweit ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Denn diese Darlegung erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. Etwas „darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90/91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger im Zulassungsantrag nicht gerecht. Es fehlt an einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Denn das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung hinsichtlich der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zunächst auf den Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen, den Vortrag der Kläger aber als wahr unterstellt. Sodann hat es unter ausführlicher und differenzierter Würdigung des individuellen Vortrags zu den persönlichen Verhältnissen und den Lebensverhältnissen der aus der Provinz bzw. Stadt Sulaymaniya stammenden Kläger begründet, dass diesen in einer anderen Provinz der Kurdischen Autonomieregion im Nordirak eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (interner Schutz) im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung stehe (UA S. 7/8). Das Verwaltungsgericht hat auch ausgeführt, dass den Klägern wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit sowie ihrer Herkunft aus diesen Gebieten dort auch die Einreise erlaubt werden würde (UA S. 8). Mit diesen einzelfallbezogenen, schlüssigen und nachvollziehbaren Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzen sich die Kläger in ihrem Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander. Damit ist nicht dargelegt, dass es auf die zur grundsätzlichen Klärung gestellte, sehr allgemein formulierte Frage ankommt.
2. Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG haben die Kläger die Entscheidungserheblichkeit der o.g. Frage ebenfalls nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung insoweit auf den Umstand gestützt, dass in den Provinzen Erbil und Dohuk kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliege. Damit hat die Vorinstanz bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG verneint, so dass es insoweit nicht entscheidungserheblich auf den gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG beim subsidiären Schutz entsprechend anzuwendenden § 3e AsylG ankam.
3. Des Weiteren halten die Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob Zivilpersonen, die sich einer Verfolgung – auch durch nicht staatliche Organisationen – ausgesetzt sehen, sich an staatliche Stellen wenden können, damit ihnen Schutz gewährt wird oder ob der irakische Staat überhaupt nicht in der Lage und/oder Willens ist, Schutz zu bieten.“
Die Kläger haben jedoch die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht dargelegt. Denn das Verwaltungsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass die Kläger insbesondere in den größeren Städten Erbil oder Dohuk in der kurdischen Autonomieregion wegen der dort herrschenden Anonymität vor etwaigen Verfolgern sicher wären. Damit war die von den Klägern aufgeworfene Frage nach der Schutzfähigkeit und Schutzbereitschaft staatlicher Behörden im Irak für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Die Kläger haben demgegenüber nicht aufgezeigt, weshalb sich diese Frage dennoch in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen würde.
4. Soweit die Kläger schließlich die Frage für grundsätzlich bedeutsam halten,
„ob nicht die Situation im Irak zwischenzeitlich sich derart verschlechtert hat, dass ein Konflikt – sowohl zwischen den Glaubensrichtungen, als auch zwischen Regionalfürsten und Stammesfürsten, als auch gegenüber völlig unparteiischen Personen – vorliegt, wie er typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu finden ist.“
haben sie die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass in den Provinzen Erbil und Dohuk, die zum kurdischen Autonomiegebiet gehören, ein innerstaatlicher Konflikt nicht vorliege, und hat seine Auffassung eingehend sowie unter Bezugnahme auf die Auskunftslage begründet (UA S. 8/9). Damit setzen sich die Kläger nicht substantiiert auseinander. Zur Darlegung einer Grundsatzfrage, die im Berufungsverfahren anders als vom Verwaltungsgericht beantwortet werden soll, gehört es jedoch, dass sich der Antrag auf Zulassung der Berufung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts substantiell auseinandersetzt und eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigt, dass die Frage anders zu beantworten ist als vom Verwaltungsgericht. Daran fehlt es hier jedoch. Des Weiteren übersehen die Kläger, dass allein die Feststellung eines bewaffneten innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht ausreicht. Vielmehr bedarf es dann der zusätzlichen Feststellung, dass bei einer quantitativen und qualitativen Betrachtung die vorhandene Gefahrendichte so hoch ist, dass diese für die Annahme einer individuellen konkreten Gefährdung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auch ohne besondere gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers ausreicht. Dem entsprechend hat das Verwaltungsgericht anhand einer quantitativen Betrachtung (sog. „Bodycount“) dargelegt, dass es jedenfalls an der für die Feststellung einer individuellen Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrendichte fehle, weil die Kläger als Zivilpersonen nicht allein aufgrund ihres Aufenthaltes in diesem Gebiet Gefahr liefen, Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes zu werden (UA S. 9/10). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass persönliche gefahrerhöhende Umstände bei den Klägern nicht ersichtlich seien (UA S. 8). Mit diesen Erwägungen setzen sich die Kläger in ihrem Zulassungsvorbringen jedoch nicht auseinander.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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