Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem ausländerrechtlichen Verfahren (Ausweisung)

Aktenzeichen  10 ZB 21.3030

Datum:
2.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1934
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6 Abs. 1
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Bei Straftaten, die wie beim Kläger ihre Ursache in einer Suchterkrankung haben, von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange eine entsprechende Therapie nicht (vollständig) abgeschlossen ist und sich der Betreffende nach Therapieende hinreichend in Freiheit bewährt hat; ein Wohlverhalten und eine positive Entwicklung in der Haft, dem Maßregelvollzug oder  dem geschützten Rahmen einer Drogentherapie in der Fachklinik lassen noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 21.130 2021-10-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Ausweisungsbescheids vom 14. Dezember 2020, hilfsweise Verpflichtung der Beklagten zur Verkürzung der Sperrfrist, weiterverfolgt, ist unbegründet. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), da in der Begründung des Zulassungsantrags weder divergierende Rechtssätze herausgearbeitet noch gar einander so gegenübergestellt werden, dass die (behauptete) Abweichung erkennbar wird.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er sich mittlerweile in der Lockerungsstufe D seiner Entzugstherapie befinde, bereits seit längerem bei einer Zeitarbeitsfirma als Gas- und Wasserinstallateur arbeite, sämtliche Alkohol- und Drogentests negativ gewesen seien und er sich demgemäß bereits in Freiheit bewährt habe, wird die vom Verwaltungsgericht angestellte Gefahrenprognose nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa zuletzt BayVGH, B.v. 1.3.2021 – 10 ZB 21.251 – juris Rn. 4) zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass bei Straftaten, die wie beim Kläger ihre Ursache in einer Suchterkrankung haben, von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange eine entsprechende Therapie nicht (vollständig) abgeschlossen ist und sich der Betreffende nach Therapieende hinreichend in Freiheit bewährt hat. Dies hat das Verwaltungsgericht beim Kläger, der trotz mehrerer einschlägiger Vorstrafen und – auch stationärer und längerdauernder – Therapieversuche erneut rück- und straffällig geworden und zuletzt mit Urteil des Amtsgerichts M. vom 20. Juli 2020 (Anlassverurteilung) wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Kokain- und Heroingemisch) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie (erneut) zu einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt worden ist, zutreffend verneint. Dabei hat es gerade vor diesem Hintergrund zu Recht festgestellt, dass ein Wohlverhalten und eine positive Entwicklung in der Haft, dem Maßregelvollzug oder – wie hier – dem geschützten Rahmen einer Drogentherapie in der Fachklinik noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen lassen, die die Annahme eines Entfallens der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (UA S. 13 Rn. 38).
Auch der weitere Einwand, das Erstgericht habe „die konkrete Verlobung des Berufungsführers mit einer EU-Staatsbürgerin nicht ausreichend gewürdigt“ vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Unabhängig davon, dass die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 28. November 2021 ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 63 der VG-Akte) diesbezüglich noch vorgetragen hat, dass der Kläger beabsichtige, „mit einer deutschen Staatsangehörigen in P. oder Umgebung (eine) Wohnung zu nehmen“, dies jedoch abhängig sei „von einer entsprechenden Zustimmung durch die KBO (Fachklinik) im Rahmen der Therapie“ und „die Eheschließung avisiert“ sei, „jedoch frühestens zu einem Zeitpunkt nach Abschluss der Therapie“, wird damit nicht ansatzweise dargelegt, dass die vom Erstgericht auch mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vorgenommene Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) deshalb im Ergebnis hätte anders ausfallen können bzw. müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben