Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung nach erfolgloser Klage gegen Bewertung einer Leistung in der Ersten juristischen Staatsprüfung

Aktenzeichen  7 ZB 16.406

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50142
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Prüfungsbehörden verbleibt bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Kontrolle eingeschränkt ist. Überschritten ist dieser Bewertungsspielraum, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen; allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe sind insbesondere dann verletzt, wenn zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen als falsch bewertet werden (vgl. insoweit zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch BVerfG BeckRS 9998, 56725). (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufbaufragen einer Prüfungsleistung zählen in aller Regel zu den prüfungsspezifischen Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Ermessensspielraum verbleibt, dessen gerichtliche Kontrolle eingeschränkt ist. Gerade im Aufbau zeigt sich, inwieweit der Prüfling ein grundsätzliches (hier juristisches) Verständnis entwickelt hat. Insoweit müssen die Prüfer bei ihrem wertenden Urteil von den Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis entwickelt haben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 14.694 2015-12-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können dem Antragsvorbringen im Ergebnis nicht entnommen werden. Die dargelegten Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 10. Dezember 2015 in diesem Sinn wurden nicht dargelegt.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt ist. Dieser Bewertungsspielraum ist – wie das Verwaltungsgericht weiter richtig ausführt – überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe sind insbesondere dann verletzt, wenn zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen als falsch bewertet werden. Gemessen daran wurde in der Antragsbegründung nicht dargelegt, dass die Korrektoren der Aufgaben 2 und 3 der Ersten juristischen Staatsprüfung 2013/2 den ihnen zukommenden Bewertungsspielraum überschritten haben.
Im Einzelnen:
Die Klägerseite rügt im Hinblick auf die Bearbeitung der Aufgabe 2, das Verwaltungsgericht liege mit seiner Auffassung, dass die Prüfer den Aufbau der Lösung zu Recht kritisiert hätten, falsch. Der vom Kläger gewählte Aufbau sei weder inkonsequent noch falsch noch unlogisch. Bei Aufbaufragen gibt es jedoch selten ein eindeutiges Richtig oder Falsch. Vielmehr gehören Aufbaufragen in aller Regel zu den prüfungsspezifischen Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Ermessensspielraum verbleibt, dessen gerichtliche Kontrolle eingeschränkt ist. So zeigt sich gerade im Aufbau, inwieweit der Prüfling ein grundsätzliches juristisches Verständnis entwickelt hat. Insoweit müssen die Prüfer bei ihrem wertenden Urteil von den Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis entwickelt haben. Im Ergebnis ist deshalb der Antragsbegründung kein durchgreifender Bewertungsfehler zu entnehmen.
Gleiches gilt hinsichtlich der Nennung der Anspruchsgrundlagen in einem Obersatz vor der näheren Prüfung des Anspruchs. Bei Gutachten ist es üblich, dass der jeweiligen Anspruchsprüfung die Kette von Vorschriften vorangestellt wird, aus der sich der Anspruch ergeben könnte. Ein Absehen davon oder eine lückenhafte Anspruchskette macht die Arbeit zwar nicht falsch, lässt jedoch Rückschlüsse auf Arbeitsweise und juristische Kenntnisse zu. Auch insoweit handelt es sich um den Bereich prüfungsspezifischer Bewertung.
Hinsichtlich der Frage der Prozessstandschaft war das Verwaltungsgericht zwar der Auffassung, dass dieser Fragenkreis hier nicht zu erörtern gewesen sei. Ob das zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil innerhalb der Antragsbegründung nicht dargestellt worden ist, dass das im Sinn einer Verletzung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe in die Bewertung eingeflossen ist. Abstriche bei der Bewertung wegen nach Auffassung der Prüfer überflüssiger Ausführungen fallen in deren prüfungsspezifischen, der gerichtlichen Kontrolle weithin entzogenen Bewertungsspielraum.
Schließlich ist hinsichtlich der Frage, ob allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil geworden sind, nicht dargelegt, dass die Prüfer den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten hätten.
Auch hinsichtlich der Aufgabe 3 konnte die Klägerseite keine Überschreitung des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums darlegen.
Dies gilt zum einen wiederum hinsichtlich der Aufbaufrage, nämlich des richtigen Orts der Prüfung, ob das Testament wirksam geworden ist. Der Kläger trägt vor, die Prämissen und die Aussagen des Verwaltungsgerichts seien insoweit falsch, z. B. hinsichtlich der Trennung von Wirksamkeit der Willenserklärung einerseits und der des Rechtsgeschäfts andererseits. Unabhängig davon, dass diese Fragestellung schon für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich war, kommt es nicht darauf an, ob Prämissen und Annahmen des Verwaltungsgerichts falsch sind, denn es geht allein darum, ob allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe durch die Prüfer verletzt sind, indem Richtiges als falsch bewertet worden ist. Dies ist bei der Kritik am Aufbau nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine prüfungsspezifische Bewertung hinsichtlich der Frage, inwieweit der Aufbau auf juristisches Verständnis schließen lässt. Deshalb unterliegt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch diesbezüglich im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln.
Schließlich konnte auch hinsichtlich des Problemkreises Drittschadensliquidation keine Verletzung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe dargelegt werden. Die Bewertung der Auseinandersetzung des Klägers mit diesem Thema und dessen Darstellung, insbesondere der Nennung des weithin gebräuchlichen Fachbegriffs hierfür, die von den Prüfern erwartet werden durfte, gehört – wie das Verwaltungsgericht richtigerweise darstellt – zum Bereich der prüfungsspezifischen Bewertungen. Die Prüfer bemängeln nicht, dass Ausführungen dazu fehlten oder falsch seien, sondern haben berechtigterweise erwartet, dass dieses in der juristischen Ausbildung eingehend behandelte Problem tiefgründiger dargestellt wird.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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