Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung: Ungenügende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

Aktenzeichen  20 ZB 17.30583

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 119313
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird durch einen pauschalen Verweis auf eine frühere abweichende Entscheidungspraxis des Bundesamtes (hier: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für irakische Yeziden unabhängig vom Herkunftsort) nicht hinreichend dargelegt. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird durch Bezugnahme auf im Ergebnis anderslautende Entscheidungen des Bundesamtes (hier: des Vaters und des Bruders) nicht hinreichend dargelegt, wenn diese Entscheidungen knapp und nichtssagend oder schlichtweg falsch sind. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 17.30206 2017-03-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Antragsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. März 2017 ist unzulässig, da keiner der in § 78 Abs. 3 AsylG genannten Zulassungsgründe in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurde.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, dass er erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 72). Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, NVwZ 2006, 683).
Die Klägerin hält einerseits für grundsätzlich bedeutsam, ob
jedem irakischen Yeziden unabhängig vom Herkunftsort und Wohnort im Irak eine mittelbare staatliche Verfolgung durch islamistische Kräfte, insbesondere Terroristen droht.
Die Begründung des Zulassungsantrags enthält keine ausreichende Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Sie setzt sich nämlich nicht mit der überzeugenden Begründung im Urteil des Verwaltungsgerichts, warum der Klägerin eine Verfolgung an ihrem Herkunftsort in der zum kurdischen Autonomiegebiet gehörenden Provinz Dohuk nicht gedroht habe, nicht auseinander. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit beschränkt sich letztendlich auf die Darstellung der früheren Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, irakisch yezidische der Antragsteller unabhängig vom Herkunftsort als Flüchtlinge anzuerkennen, und der Entscheidungen des Bundesamts zu den Familienangehörigen der Klägerin. Das Verwaltungsgericht hat jedoch insoweit ausgeführt, dass die Klägerin einen konkreten Anlass für ihre Ausreise im Mai oder Juni 2015 nicht genannt habe. Soweit sie angegeben habe, dass Verwandte entführt und ermordet worden seien, habe sie sich nach eigenem Vortrag auf Ereignisse, die im Jahr 2014 in der Provinz Sindschar stattgefunden hätten, bezogen. Mit der Lage der Klägerin in der Provinz Dohuk im Jahr 2015 könnten diese Ereignisse nicht in Bezug gesetzt werden. Allein das nicht weiter substantiierte Vorbringen der Klägerin, dass die Situation immer schwieriger werde und dass es Angriffe gegeben habe, reiche für die Annahme, dass die Klägerin bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt werde, nicht aus. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihren Heimatort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung drohe, gebe es nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der Auskunftslage nicht. In der Region Kurdistan – Irak seien Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung durch die Terrormiliz IS geschützt. Diese Region sei von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen. Sie gehöre auch derzeit nicht zu den umkämpften und von Verfolgung durch die Terrormiliz IS betroffenen Gebieten.
Mit diesen überzeugenden Ausführungen setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander. Der pauschale Verweis auf eine frühere abweichende Praxis des Bundesamts genügt hierfür nicht. Gleiches gilt für den Verweis auf die Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG zusprechenden Entscheidungen hinsichtlich des Vaters und der Geschwister der Klägerin vom 29. November 2016 und des Bruders der Klägerin vom 6. November 2015. Dabei ist die Entscheidung hinsichtlich des Vaters und der Geschwister der Klägerin vom 29. November 2016 derart knapp und nichtssagend geraten, dass daraus überhaupt nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen das Bundesamt in diesem Fall zu einer Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gelangt ist. Die Begründung beschränkt sich allein auf die Feststellung, dass aufgrund des ermittelten Sachverhalts davon auszugehen sei, dass die Furcht der Antragsteller vor Verfolgung begründet sei. Im Grunde ebenso nichtssagend ist die Begründung des den Bruder der Klägerin betreffenden Bescheids vom 6. November 2015. Hier findet sich jedoch in der bereits vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bundesamtsakte ein vom gleichen Tag stammender Vermerk des zuständigen Entscheiders. Darin wird ausgeführt, dass der Antragsteller der yezidischen Glaubensgemeinschaft im Irak angehöre und keine Zweifel an seiner Herkunft bestünden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei von einer Gruppenverfolgung der Yeziden im Irak auszugehen. Ein individuelles Verfolgungsschicksal habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, eine Ausweichmöglichkeit liege nicht vor. Obwohl festgestellt wird, dass der Antragsteller aus der Stadt Semel stammt, wird festgestellt, dass familiäre oder verwandtschaftliche Beziehungen in dem kurdischen Gebiet des Nordiraks seinen Angaben nicht entnommen werden können. Die Stadt Semel ist aber Teil des kurdischen Autonomiegebiets, sie liegt in der Provinz Dohuk und war auch im November 2015 unter der Kontrolle der kurdischen Autonomieregierung. Die Einschätzung, dass familiäre oder verwandtschaftliche Beziehungen in den kurdischen Gebieten nicht vorliegen, ist daher schlichtweg falsch, da der Bruder der Klägerin aus diesem Gebiet stammt. Unter Bezugnahme auf diese Bundesamtsentscheidungen kann daher, obwohl diese im Ergebnis anders ausfallen als die die Klägerin betreffende Entscheidung, mangels argumentativer Auseinandersetzung eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht begründet werden.
Für den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist damit festzuhalten, dass eine zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der geltend gemachten Rechtsfrage notwendige Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht vorliegt. Damit ist das Darlegungsgebot insoweit nicht erfüllt.
Die weitere Frage,
ob es für irakische Yeziden eine inländische Fluchtalternative in irakisch Kurdistan gibt
war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, da dieses bereits eine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG verneinte. Dementsprechend finden sich im Zulassungsantrag auch keine Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Auch insoweit ist das Darlegungsgebot daher nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Aus den dargestellten Gründen hat der Antrag auf Zulassung der Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO, § 114 ZPO, sodass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg hat.
Mit der Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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