Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung wegen unzulässiger Verkürzung der Ladungsfrist zur mündlichen Verhandlung

Aktenzeichen  4 ZB 17.1731

Datum:
16.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133299
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 3, § 102 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 173 S. 1
ZPO § 295 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine durch § 102 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht gedeckte Verkürzung der Ladungsfrist ist als solche kein zur Zulassung eines Rechtsmittels führender Verfahrensfehler, sondern kann nur unter besonderen Umständen als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beachtlich sein (Anschluss an BVerwG BeckRS 2010, 45498 ua). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Besondere Umstände in diesem Sinne liegen vor, wenn sich der Beteiligte in der verbleibenden Zeit nicht ausreichend auf den Termin vorbereiten konnte oder ihm die Teilnahme wegen der Frist unmöglich war und er den Rechtsverlust auch nicht anderweitig verhindern konnte (Anschluss an BVerwG NJW 1987, 2694 = BeckRS 9998, 46477 ua). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt hat, kann sich nicht auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs berufen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2008, 38626). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.2256 2017-06-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Juni 2017 bleibt ohne Erfolg. Die allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor.
1. Soweit zur Antragsbegründung vorgetragen wird, das Verwaltungsgericht habe die Ladungsfrist für den Termin zur mündlichen Verhandlung ohne gesonderten Beschluss zu Unrecht auf eine Woche verkürzt und dem Kläger damit die Möglichkeit einer hinreichenden Vorbereitung und insbesondere einer Mandatierung der mit der Sache vertrauten Kanzlei genommen, kann dies unter den gegebenen Umständen nicht zur Zulassung der Berufung führen.
Für eine Verkürzung der regulären zweiwöchigen Ladungsfrist (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die nach § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO keiner Beschlussform bedarf, sondern als prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden ohne Anhörung der Beteiligten ergehen kann (vgl. Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 102 Rn. 59; Brüning in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2017, § 102 Rn. 15), dürfte es allerdings an den tatbestandlichen Voraussetzungen gefehlt haben. Denn es ist nicht ersichtlich, dass aus damaliger Sicht des Gerichts ein „dringender Fall“ vorlag, der eine möglichst baldige Terminierung hätte geboten erscheinen lassen können. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2017 war vielmehr dem Bevollmächtigten der Beklagten schon am 31. Mai 2017 telefonisch angekündigt worden (Bl. 29 der VG-Akte), so dass die bei Unterzeichnung der Ladungsverfügung am 8. Juni 2017 nicht mehr mögliche Einhaltung einer Frist von zwei Wochen erkennbar auf einer gerichtsinternen Verzögerung beruhte.
Eine durch § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht gedeckte Verkürzung der Ladungsfrist ist aber als solche kein zur Zulassung eines Rechtsmittels führender Verfahrensfehler, sondern kann nur unter besonderen Umständen als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beachtlich sein (BVerwG, U.v. 22.6.1984 – 8 C 1.83 – BayVBl 1985, 94; B.v. 27.3.1998 – 6 B 37.98 – juris Rn. 2; B.v. 22.12.2009 – 4 BN 54.09 – juris Rn. 8). Dies ist der Fall, wenn sich der Beteiligte in der verbleibenden Zeit nicht ausreichend auf den Termin vorbereiten konnte oder ihm die Teilnahme wegen der Frist unmöglich war und er den Rechtsverlust auch nicht anderweitig verhindern konnte (BVerwG, B.v. 22.12.2009, a.a.O.; U.v. 6.2.1987 – 4 C 2.86 – NJW 1987, 2694 f.). An dieser letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier, da der Kläger weder nach Erhalt der Ladung auf eine Terminsverlegung hingewirkt noch in der mündlichen Verhandlung eine Vertagung etwa zum Zwecke der Beiziehung eines Prozessbevollmächtigten beantragt hat. Wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt hat, kann sich nicht auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs berufen (BVerwG, B.v. 4.8.2008 – 1 B 3.08 – juris Rn. 9 m.w.N.). Ob eine Gehörsverletzung wegen Nichteinhaltung der Vorschriften zur Ladungsfrist nach § 102 Abs. 1 VwGO hier auch deswegen ausscheidet, weil der Kläger sein diesbezügliches Rügerecht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO verloren hat (dazu BVerwG, B.v. 31.8.1988 – 4 B 13.88 – NJW 1989, 601; Brüning, a.a.O., Rn. 17), kann danach offenbleiben.
2. Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt, sondern ihn einen sichtlich sinnlosen Antrag stellen lassen, wird damit ebenfalls kein zur Zulassung der Berufung führender Verfahrensfehler dargelegt. Für einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 86 Abs. 3 VwGO ist nichts ersichtlich.
Wie sich aus der Niederschrift der Sitzung vom 21. Juni 2017 ergibt, wurde die Frage, was mit der Klage bezweckt sei, zu Beginn der fast eine Stunde dauernden mündlichen Verhandlung mit dem Kläger ausdrücklich besprochen. Er hat dazu auf Befragen des Gerichts zu Protokoll erklärt, ihm gehe es letzten Endes darum, dass „der Gemeinderatsbeschluss vom 5. Juni 1992, der Grundlage des notariellen Kaufvertrags vom 26. Juni 1992 war, als rechtswidrig eingestuft wird“ (S. 2 der Niederschrift). Dieser ordnungsgemäß vorgelesene und genehmigte Klageantrag wurde von ihm am Ende der Sitzung nochmals bekräftigt, nachdem das Gericht ihm erneut Gelegenheit zur Präzisierung gegeben hatte (S. 4 der Niederschrift). Dass dieser nach § 88 VwGO als Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) auszulegende Antrag, den das Verwaltungsgericht zu Recht mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) als unzulässig abgewiesen hat, das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers verfehlen würde, so dass ein anders formulierter Antrag seinem Begehren besser gerecht geworden wäre, ist in Anbetracht der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren nicht ersichtlich. Auch den Erläuterungen seiner Bevollmächtigten im Berufungszulassungsverfahren lässt sich nicht entnehmen, zu welchem Antrag dem Kläger stattdessen hätte geraten werden müssen, um seiner verwaltungsgerichtlichen Klage eher zum Erfolg zu verhelfen. Dass sein Rechtsschutzziel auch noch im Zulassungsantrag dahingehend umschrieben wird, er suche „einfach eine Antwort darauf, ob die vom Gemeinderat beschlossene und im Kaufvertrag umgesetzte ‚Asylanten-Klausel‘ rechtswidrig ist oder nicht“, zeigt vielmehr, dass hier nur ein Antrag auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des genannten Gemeinderatsbeschlusses als sachdienlich – wenn auch nicht als erfolgversprechend – angesehen werden konnte.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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