Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag eines pakistanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 32 K 17.44029

Datum:
23.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55925
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Hinsichtlich der Sicherheit bestehen in Pakistan bereits aufgrund der Größe des Landes interne Fluchtalternativen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2019 und die Beklagte mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 das Einverständnis dazu erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch weder im Hauptantrag, noch in den Hilfsanträgen zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), noch liegen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG).
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzt wie folgt:
1. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach einer der Alternativen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG besteht nicht.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei neben der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei muss die Art der Behandlung oder Bestrafung eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung des subsidiären Schutzes ebenso wie bei der Flüchtlingseigenschaft in Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK („real risk“) der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Entscheidend ist, ob aus Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, U.v. 01.06.2011 – 10 C 25.10 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 07.02.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37). Der Schutzsuchende, der bereits Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, wird dabei gemäß Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU privilegiert durch die – durch stichhaltige Gründe widerlegbare – Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Schutzsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden herleitet. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers glaubhaft und der Kläger glaubwürdig ist. Denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes liegen nicht vor.
Es ist schon zweifelhaft, ob die vom Kläger beschriebenen Vorfälle einen ernsthaften Schaden darstellen bzw. der Kläger von einem solchen unmittelbar bedroht war, so dass er in Bezug auf die erforderliche Verfolgungswahrscheinlicheit privilegiert ist (Art. 4 Abs. 4 QualRL).
Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht ausdrücklich geltend gemacht und erscheint auch nicht beachtlich wahrscheinlich.
Hinsichtlich eines ernsthaften Schadens in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff.) lässt sich Folgendes sagen: Er hat in der Anhörung ausgesagt, dass ihm persönlich direkt seitens der Familie der Freundin nichts zugestoßen sei. Die Familie habe sich an seine Eltern gewandt und diesen gegenüber gedroht. In der mündlichen Verhandlung teilte er hingegen mit, er sei einmal vom Bruder des Mädchens telefonisch bedroht worden. Jedenfalls stellen diese Handlungen nach Meinung des Gerichts noch keinen ernsthaften Schaden bzw. eine unmittelbare Bedrohung von einem solchen Schaden dar. In Bezug auf seinen Vater äußerte der Kläger ausdrücklich, dass er von dessen Seite keinen tödlichen Angriff fürchte. Die Tatsache, dass der Vater des Klägers diesem nicht verziehen und des Hauses verwiesen habe, damit einen emotionalen Konflikt beim Kläger ausgelöst habe, der einen tragenden Grund für seine Ausreise aus Pakistan dargestellt habe, und diesen darüber hinaus auch beschimpft und geschlagen habe, stellt ebenso wenig einen ernsthaften Schaden, insbesondere keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung dar.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, da in Pakistan gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. Zum anderen weisen die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ist bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering (vgl. VG München, B.v. 29.1.2019 – M 32 K 16.35462 – noch nicht veröffentlicht; U.v. 21.1.2019 – M 32 K 16.35510 – noch nicht veröffentlicht; so auch bereits VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 58). Individuelle gefahrerhöhende Umstände, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Zudem fehlt es bereits an der Gefahr eines ernsthaften Schadens durch einen rechtlich relevanten Akteur. Individuelle Gefahr eines ernsthaften Schadens durch staatliche Behörden oder deren Vertreter hat der Kläger schon nicht vorgetragen. Weiter kann eine relevante Gefahr eines ernsthaften Schadens zwar auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden zu bieten (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Die Furcht des Klägers vor der Familie, insbesondere den Brüdern seiner Freundin, oder auch vor seinem Vater begründet dies jedoch nicht. Denn sollte tatsächlich von diesen Personen in Bezug auf ihn die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgehen, so muss er sich darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch. Es ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall möglicherweise fehlende Schutzbereitschaft des Staates Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des pakistanischen Staates gegenüber Bedrohungslagen, wie sie der Kläger geschildert hat, wäre. Kein Staat ist in der Lage, lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen Dritter zu bieten. Die Handlungsfähigkeit des pakistanischen Staates wird – unter Hinweis auf bestehende Defizite – auch durch die vorliegenden Erkenntnismittel bestätigt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand August 2018, S. 9f.). Dem Kläger wäre also zuzumuten gewesen, sich wegen der Bedrohungen durch die Familie an die Polizei zu wenden; auch ist zu erwarten, dass er durch staatliche Stellen Schutz erhält, jedenfalls sofern eine ernsthafte Bedrohung von Leib und Leben des Klägers im Raum steht.
Ferner muss sich der Kläger auf internen Schutz nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG verweisen lassen. Dem Ausländer wird der subsidiäre Schutz nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens oder Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden nach § 3d AsylG hat. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 19) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land leben; selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 km², über 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014). Gemäß der Auskunft von Accord vom 5. Februar 2015 führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Islamabad vom Juli 2013 aus, dass selbst eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban fliehe, durchaus in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab Zuflucht finden könne. Hinsichtlich der Sicherheit würden in Pakistan – schon aufgrund der Größe des Landes – interne Fluchtalternativen bestehen (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative: VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 49ff; VG Ansbach, U.v. 7.8.2014 – AN 11 K 14.30589 – juris Rn. 27ff).
Es ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, sich in einer dieser Großstädte niederzulassen und dort unbehelligt von seinen mutmaßlichen Verfolgern zu leben. Der Kläger hat eine solche Exponiertheit, dass ihm landesweite Verfolgung drohen würde, nicht glaubhaft gemacht. Weder ist erkennbar, dass die Familie des Mädchens weiterhin nach dem Kläger sucht, noch, dass sie über ein solches Kontaktnetz verfügt, dass eine landesweite Suche nach ihm gelingen könnte. Dies gilt umso mehr für den Vater, der ja sogar jeglichen Kontakt mit dem Kläger von sich aus ablehnt.
Auch kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 a.E. AsylG). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Großstädten Pakistans bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Mit Blick auf die Zumutbarkeit innerstaatlicher Schutzalternativen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem Betroffenen nur dann vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Im Falle fehlender Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gilt auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Für die Frage, ob der Betroffene vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Betroffenen an (BVerwG, U.v. vom 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11).
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten, die hier als verfolgungsfreier Landesteil zur Verfügung stehen, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background Information, including actors of protection and internal relocation (Independent Advisory on Country Information (IAGCI) – Home Office, Inländische Fluchtalternative), Juni 2017, S. 35f.; EASO, Pakistan Länderüberblick, 2015, S. 43). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener, junger und arbeitsfähiger Mann mit einer 10-jährigen Schulbildung und wenn auch geringer Berufserfahrung in einer pakistanischen Großstadt bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kläger, möglicherweise nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, gewissen Übergangszeiten und mit Hilfe durch sein entfernteres familiäres Netzwerk, seinen Lebensunterhalt eigenständig sicherstellen kann.
2. Die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
a) Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – juris Rn. 8ff.) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen.
Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis liegt nicht vor. In den Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) und eines nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 AsylG regelmäßig – so auch hier – die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 36).
b) Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem muss eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende Gefährdungssituation vorliegen und es muss sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht unter Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vortrags des Klägerbevollmächtigten zur sicherheitspolitischen Lage in Pakistan, der vorgelegten medizinischen Unterlagen keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei seiner Rückkehr in sein Heimatland zu erkennen. Nach Satz 2 der Vorschrift liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18) wird davon ausgegangen, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hinderten. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist also nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris Rn. 10).
Die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG sind auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105). Gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (Satz 1); der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (Satz 2). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (Satz 3). Ergänzend zu den in § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG genannten Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung sind auch weiterhin die Kriterien heranzuziehen, die das Bundesverwaltungsgericht als Mindestanforderungen an ein qualifiziertes fachärztliches Attest herausgearbeitet hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129, 251 ff.). Danach muss sich aus dem fachärztlichen Attest nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt, etwa mit Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden, deren Behandlungsbedürftigkeit, der bisherige Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) sowie im Fall einer auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützten PTBS, deren Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen werden, in der Regel auch eine Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht wurde.
Die vorgelegten Atteste entsprechen nicht den rechtlichen Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen.
Weder der Befund des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 6. Februar 2013, noch das ärztliche Attest des Herrn Dr. med. B. vom 15. April 2019 lassen darauf schließen, dass es sich um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handelt und dass sich diese im Fall einer Rückkehr nach Pakistan wesentlich verschlechtern würde. Der Befund vom 6. Februar 2013 ist zudem veraltet und enthält lediglich die Feststellung einer „nicht mehr frischen, möglicherweise chronisch verlaufenden Infektion mit Hepatitis B Virus“. Das Attest vom 15. April 2019 enthält darüber hinaus die Feststellung, dass seit 2016 keine Anzeichen mehr für ein Hepatitis B Virus gab und es am 26. September 2018 nicht mehr nachweisbar gewesen sei. Aktuell bestehe keine Behandlungsbedürftigkeit, jedoch seien Kontrollen notwendig.
Zudem könnte eine Hepatitis B – Infektion auch in Pakistan behandelt werden (Auskunft der Deutschen Botschaft an das VG München v. 8.5.2017; Auswärtiges Amt, Lagebericht 2018, S. 24f.). Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes kann man sich in den staatlichen Krankenhäusern in Pakistan auch bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, sodass sie für weite Teile der Bevölkerung ohnehin erschwinglich sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht 2018, S. 24f.). Das Gericht geht daher davon aus, dass Hepatitis B in Pakistan ohne weiteres behandelbar ist, wenn auch nicht mit dem in der Bundesrepublik gängigen Standard. So ist der Kläger hinsichtlich etwaiger Kontrolluntersuchungen auf den Standard seines Heimatlandes zu verweisen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Damit vermag der Kläger die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht zu widerlegen. Der Kläger ist ein junger und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem auch angesichts seiner Erkrankungsgeschichte zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
3. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
4. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG erfolgte ermessensgerecht. Die Länge der Frist liegt exakt in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens und begegnet keinen Bedenken. Besondere Anhaltspunkte für ein Abweichen wurden nicht vorgetragen und liegen auch ersichtlich nicht vor. Ermessensfehler sind ebenso wenig ersichtlich. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts verwiesen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


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