Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag – Keine hinreichenden Verfolgungsgründe dargelegt

Aktenzeichen  Au 4 K 18.30929

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30634
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

An der Glaubhaftmachung des Verfolgungsschicksals fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH Kassel BeckRS 2015, 48296). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden. Bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten nach § 102 Abs. 2 VwGO auch ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung subsidiären Schutzes; er hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 7. Mai 2018 ist, auch in Bezug auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien und Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt dabei dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, einen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Der Kläger hat seine Verfolgungsgründe vor allem darauf gestützt, dass er in Sierra Leone Ärger mit der Familie eines Sportlers gehabt habe, die ihn durch … hätten töten lassen wollen. Das Gericht nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nrn. „1 und 2“, folgt ihr und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der vom Kläger geschilderten Bedrohung durch die … und die Familie des anderen Sportlers allenfalls um eine Verfolgung bzw. Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure handeln könnte. Voraussetzungen des § 3c Nr. 3 AsylG liegen hier aber nicht vor, wie das Bundesamt zutreffend unter 3. des angefochtenen Bescheids ausführt.
Ergänzend dazu wird ausgeführt, dass selbst wenn davon ausgegangen werden würde, dass es sich bei der vom Kläger geschilderten Bedrohung durch die … und die Familie des von ihm verletzten Sportlers durch eine Verfolgung bzw. Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Betracht käme, lägen die Voraussetzungen des § 3c Nr. 3 AsylG nicht vor. Der Kläger hat selbst ausgeführt, dass die Polizei sofort nach dem Überfall durch die … gekommen sei und einige der … verhaftet habe. Es ist dem Kläger demnach zuzumuten, sich im Falle einer tatsächlichen Bedrohung durch die andere Familie zunächst an die Sicherheitsbehörden zu wenden. Gerade weil es sich bei dem Kläger um einen bekannten Sportler Sierra Leones handeln soll, wird der Staat und damit die Polizei alles tun, um den Kläger vor Bedrohungen und Verletzungen zu schützen.
Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Das Gericht nimmt insofern Bezug auf die ausführliche und richtige Begründung des angefochtenen Bescheids unter Nr. „3.“, folgt ihr und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde (Ziffer 4 des Bescheids). Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung in den Gründen dieser Entscheidung abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dem Kläger ist die Rückkehr als alleinstehendem, jungen und gesunden Mann zuzumuten. Er hat angegeben, dass er studiert und vor seiner Ausreise gut verdient habe. Es ist nichts ersichtlich, warum dies nach seiner Rückkehr nicht mehr der Fall wäre.
Die Klage war danach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.§§ 708 ff. ZPO.


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