Verwaltungsrecht

Erfolgloser, auf Konversion zum Christentum gegründeter Asylantrag einer Iranerin

Aktenzeichen  W 8 K 18.32180

Datum:
10.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34583
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1
AsylG § 3, § 4, § 25, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1 Ohne Abgabe einer Klagebegründung und ohne Teilnahme an der mündlichen Verhandlung reicht allein die Übersendung einer Taufbescheinigung einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde zum Beleg der Verfolgungsfurcht bei einer Rückkehr in den Iran nicht aus.  (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 In der Rspr. des BayVGH ist geklärt, dass keine Erkenntnisse dahingehend bestehen, dass einem iranischen Asylbewerber allein wegen seiner bisherigen religiösen Betätigung oder gar wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum Christentum bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtliche relevante Verfolgung drohen könnte (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 17180). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Staatliche bzw. nichtstaatliche Repressionen drohen für konvertierte Christen im Iran nur dann, wenn sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung nach außen zeigen wollen (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 17180). Die Annahme asylerheblicher Verfolgung erfordert daher die Überzeugung, dass ein zum Christentum konvertierter iransicher Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr seinen neu angenommenen Glauben aktiv ausüben will bzw. er nur unter dem Verfolgungsdruck auf seine Glaubensausübung verzichten würde. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keiner erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge decken sich mit den zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln.
Das Gericht kommt aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel – ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid – zu dem Ergebnis, dass die Klägerin unglaubhafte Angaben gemacht hat und der Klägerin auch im Übrigen keine (politische) Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen, zumal in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite niemand erschienen ist und die Klägerin offenbar kein Interesse hatte, ihr Anliegen persönlich gegenüber dem Gericht zu vertreten, sowie – trotz Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO – keine Klagebegründung oder sonst ein relevantes Vorbringen erfolgte. Lediglich gut zwölf Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung übersandte der Klägerbevollmächtigte kommentarlos die Taufbescheinigung des Evangelisch-Lutherischen Pfarramtes G. a.M. über die Taufe der Klägerin am 15. September 2018.
Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitergehende Ausführungen.
Ergänzend wird lediglich angemerkt, dass das Gericht ebenso wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im streitgegenständlichen Bescheid ernsthafte Zweifel hat, dass die Klägerin glaubhafte Angaben gemacht hat, weil die Angaben der Klägerin bei der Bundesamtsanhörung im Vergleich zu den im psychiatrischen Gutachten vom 7. Dezember 2017 und im ärztlichen Attest vom 27. September 2018 zitierten Aussagen erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten aufweisen. Auf die Widersprüchlichkeit ihres Vorbringens ist die Klägerin im Klageverfahren überhaupt nicht eingegangen. Mangels Klagebegründung und mangels Erscheinens in der mündlichen Verhandlung war auch seitens des Gerichts eine weitere Aufklärung nicht möglich.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im streitgegenständlichen Bescheid des Weiteren schon zutreffend darauf hingewiesen, dass allein der formale Akt der Taufe nicht für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft genügt. Diese Auffassung deckt sich mit der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur formalen Konversion. Geklärt ist danach, dass es keine Erkenntnisse dahingehend gibt, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung oder gar schon wegen eines bloßen formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte. Erforderlich wäre vielmehr, dass im Falle einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben will bzw. nur gezwungenermaßen, unter den Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten würde. Staatliche bzw. nichtstaatliche Repressionen drohen für konvertierte Christen im Iran nur dann, wenn sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung nach außen zeigen wollen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 19.7.2018 – 14 ZB 17.31218; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris m.w.N.). Dahingehendes hat die Klägerin im Klageverfahren nicht glaubhaft gemacht.
Schließlich bestehen auch aus gesundheitlichen Gründen keine Bedenken gegen eine Rückkehr der Klägerin in den Iran, insbesondere auch nicht angesichts ihrer psychischen Erkrankung. Aktuelle qualifizierte ärztliche Bescheinigungen hat die Klägerin nicht vorgelegt. Die letzten ärztlichen Unterlagen sind über ein Jahr alt. Zur Behandlungsmöglichkeit von psychischen Erkrankungen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffende Ausführungen gemacht, denen sich das Gericht anschließt. Auch die Behandlung von psychischen Erkrankungen im Iran ist möglich. Primäre Gesundheitsdienstleistungen sind kostenlos. Die Regierung im Iran versucht, eine kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. In zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (siehe nur BFA, Bundesamt für Fremdwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 3.7.2018, S. 80 ff.; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik (Mirtazapin, Alternativen Sertralin, Citalopram, Fluvoxamin), vom 9.8.2017; vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskünfte an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 16.9.2018 sowie vom 11.4.2018).
Aktuelle Erkenntnisse über die Erkrankung der Klägerin, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, liegen dem Gericht nicht vor. Insbesondere fehlt es an einer aktuellen qualifizierten ärztlichen Bescheinigung gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG.
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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