Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines äthiopischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  8 ZB 18.31891

Datum:
24.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13647
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 müssen Personen wegen ihrer Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die einer der in Äthiopien bis Sommer 2018 als Terrororganisation eingestuften Organisation der Ginbot7, OLF oder ONLF nahesteht, oder wegen einer exilpolitischen Tätigkeit für eine solche Organisation bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen befürchten (vgl. VGH München BeckRS 2019, 3422). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache beurteilt sich nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einlegung, sondern nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Berufungszulassungsantrag. Eine ursprünglich bestehende Grundsatzbedeutung entfällt daher, wenn die Rechts- oder Tatsachenfrage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag geklärt worden ist (vgl. BGH BeckRS 2019, 2702). (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Reichen die in das gerichtliche Asylverfahren bereits eingeführten Erkenntnismittel zur Beurteilung der geltend gemachten Gefahren aus, kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte unter Berufung auf die eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen, wenn es seine Sachkunde ggf. im Rahmen der Beweiswürdigung darstellt und belegt (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 50244). demgegenüber kann sich das gerichtliche Ermessen dann zu einer Pflicht zur neuerlichen Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist – abweichend von der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Berufungszulassungsverfahrens – grundsätzlich die Bewilligungsreife, d.h. der Zeitpunkt nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen und einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (BVerwG BeckRS 2007, 26678). Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten, die nach der Bewilligungsreife zulasten des Rechtsschutzsuchenden eintreten, sind grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen (VGH München BeckRS 2019, 993). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

B 7 K 17.30920 2018-06-06 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Dem Kläger wird für das Berufungszulassungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin P. Ö., E., beigeordnet.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht mehr vor.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage,
„ob äthiopische Staatsangehörige als (einfaches) Mitglied der in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation TBOJ/UOSG mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, wenn diese Organisation der von der äthiopischen Regierung als terroristisch eingestuften Vereinigung OLF nahe steht “,
nicht erfüllt. Die Frage weist keinen Klärungsbedarf mehr auf, weil sie inzwischen auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des Senats auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann. Der Senat hat entschieden, dass infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 und der daraus folgenden Situation Personen wegen ihrer Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die – wie die TBOJ/UOSG – einer der in Äthiopien bis Sommer 2018 als Terrororganisation eingestuften Organisationen der Ginbot7, OLF oder ONLF nahesteht, oder wegen einer exilpolitischen Tätigkeit für eine solche Organisation bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien grundsätzlich nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen befürchten müssen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 – juris; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30257 – juris; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30274 – juris; U.v. 12.3.2019 – 8 B 18.30252 – juris).
Für die Klärung einer Tatsachenfrage bedarf es auch nicht der Rechtskraft der erlassenen Entscheidungen des Senats. Da das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung in Tatsachenfragen nicht beitragen kann (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), ist eine höchstrichterliche Klärung der Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse durch das Berufungsgericht in aller Regel weder möglich noch erforderlich (vgl. Berlit in Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand März 2019, § 78 Rn. 147; vgl. auch Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 144; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 38).
Der Umstand, dass die bezeichnete Grundsatzfrage erst während des laufenden Zulassungsverfahrens und nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist geklärt wurde, kann die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen. Denn die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache beurteilt sich nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einlegung, sondern nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Eine ursprünglich bestehende Grundsatzbedeutung entfällt daher, wenn die Rechts- oder Tatsachenfrage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag geklärt worden ist (vgl. BGH, B.v. 12.2.2019 – I ZR 189/17 – juris Rn. 3; Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 145, 150; § 124a Rn. 256 f.). Nur dann, wenn eine zunächst grundsätzlich klärungsbedürftige Frage nachträglich durch eine Entscheidung des Obergerichts geklärt wird und das angefochtene Urteil von dieser Entscheidung abweicht, kann die Grundsatzrüge unter bestimmten Voraussetzungen in eine Divergenzrüge umgedeutet und dem zunächst wegen grundsätzlicher Bedeutung begründeten Zulassungsantrag stattgegeben werden (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.2015 – 3 B 70.15 u.a. – BVerwGE 153, 169 = juris Leitsatz 3 und Rn. 9; B.v. 27.4.2017 – 1 B 6.17 – juris Rn. 7; B.v. 19.12.2017 – 8 B 7.17 u.a. – ZOV 2018, 54 = juris Rn. 1; BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163 = juris Rn. 23). Das gilt auch im Falle des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG, der § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nachgebildet ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.1999 – 27 ZB 98.31112 – juris). Eine solche Abweichung liegt hier jedoch nicht vor, weil das angegriffene Urteil nicht im Widerspruch zu den genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2019 und 12. März 2019 steht.
2. Der Kläger kann seinen Zulassungsantrag auch nicht auf einen Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) stützen.
Der Kläger beanstandet die verwaltungsgerichtliche Ablehnung seines in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2018 gestellten Beweisantrags, der auf die Einholung amtlicher Auskünfte von Amnesty International und der schweizerischen Flüchtlingshilfe zum Beweis für die Tatsache zielte, dass äthiopischen Staatsangehörigen als Mitglied der in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation TBOJ/UOSG, die mit der von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften Oromo-Befreiungsfront (OLF) verbunden ist, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische und psychische Misshandlungen oder Haft drohen.
Die Ablehnung eines formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisantrags verletzt nur dann die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2016 – 2 BvR 1997/15 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn. 10, jeweils m.w.N.).
Liegen zu einer erheblichen Tatsache bereits amtliche Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen vor, richtet sich die im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung über einen Antrag auf Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO. Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es die vorliegenden Auskünfte oder Gutachten ohne Rechtsverstoß für ungenügend erachtet (§ 412 Abs. 1 ZPO); einer erneuten Begutachtung bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn das Gegenteil der erneut behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist (§ 244 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StPO). Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Das gerichtliche Ermessen kann sich auch dann zu der Pflicht neuerlicher Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. Schließlich kann die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten auch darauf beruhen, dass die Fragestellung der bisherigen Gutachten sich – auf Grund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Rechtsprechungsänderung – als unzureichend erweist. Reichen indes die in das Verfahren bereits eingeführten Erkenntnismittel zur Beurteilung der geltend gemachten Gefahren aus, kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte unter Berufung auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen, wenn es seine Sachkunde ggf. im Rahmen der Beweiswürdigung darstellt und belegt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2013 – 10 B 34.12 – NVwZ-RR 2013, 620 = juris Rn. 4 m.w.N.).
Die Begründung des Zulassungsantrags zeigt nicht auf, dass den Auskünften und Gutachten, auf die das angefochtene Urteil und die Ablehnung der Beweisanträge gestützt sind, derartige Mängel anhaften.
Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung dieses Beweisantrags damit begründet, dass es aufgrund der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel selbst über ausreichende Sachkunde verfüge bzw. damit bereits eine breite fachliche Basis für die Beurteilung der in Rede stehenden Fragen vorhanden sei. Das Gericht hat insoweit insbesondere auf die Einführung aktueller Erkenntnismittel wie des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amts vom 22. März 2018 sowie der Stellungnahme von Günter Schröder vom 18. Februar 2018 an das Verwaltungsgericht Würzburg sowie dessen frühere Stellungnahmen verwiesen und ausgeführt, dass der aktuelle Lagebericht vom 22. März 2018 der bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, insbesondere dem Verwaltungsgericht Bayreuth und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, erst gegen Mitte April 2018 bekannt gegeben worden sei und der Beweisbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits auf den 26. März 2018, also vor dem Bekanntwerden dieses Lageberichts, datiere. Der Beweisantrag verdeutliche nicht im Ansatz, inwieweit die beantragten weitergehenden Auskünfte überhaupt nochmals neuere bzw. bessere bzw. detailliertere Erkenntnisse bringen sollten. Der Lagebericht vom 22. März 2018 berücksichtige jedenfalls bereits die aktuelle Entwicklung; soweit mit dem Beweisantrag Fragen der rechtlichen Bewertung aufgeworfen worden seien, obliege diese dem Gericht. In den Entscheidungsgründen setzt sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung, ob dem Kläger aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung ein Anspruch auf die Zuerkennung der geltend gemachten Rechtspositionen zusteht, mit den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen ausführlich auseinander (vgl. UA S. 14 bis 18). Es beleuchtet hierbei insbesondere die Auskünfte des Leibniz Instituts für Globale und Regionale Studien vom 30. Januar 2017 sowie die Stellungnahmen von Günter Schröder vom 15. Februar 2017 und 18. Februar 2018 und begründet unter Würdigung dieser Auskünfte sowie der Aussagen des Auswärtigen Amts im Lagebericht vom 22. März 2018 seine Entscheidung, dass der Kläger nicht zu dem gefährdeten Personenkreis gehört, der im Falle seiner Rückkehr oder Abschiebung wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, von äthiopischen Behörden in asylrechtlich relevanter Weise belangt zu werden.
Der Kläger hat schon nicht dargelegt, warum die in das Verfahren eingeführten und vom Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung gewürdigten Erkenntnismittel nicht ausreichend oder sonst unzureichend gewesen sein sollen. Der Einwand, der Lagebericht vom 22. März 2018 berücksichtige nicht die aktuellste Lage, nachdem Abiy Ahmed zum neuen Premierminister gewählt worden sei, reicht hierfür nicht aus, weil er nicht aufzeigt, inwiefern sich hierdurch die Erkenntnislage zur Beurteilung der geltend gemachten Gefahren gegenüber der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Auskunftslage geändert haben soll. Das Verwaltungsgericht hatte im Rahmen seiner Entscheidung die innenpolitischen Entwicklungen in Äthiopien im Frühjahr 2018 und den am 16. Februar 2018 ausgerufenen (neuerlichen) Ausnahmezustand im Blick (vgl. UA S. 15), auch wenn die im April 2018 erfolgte Wahl Abiy Ahmeds zum Premierminister im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22. März 2018 noch nicht berücksichtigt werden konnte. Der Verweis des Klägers auf den Beweisbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. März 2018 greift schon deshalb nicht durch, weil der in das Verfahren eingeführte Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 22. März 2018, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, den Gerichten zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen hatte. Die Ablehnung des Beweisantrags durch das Verwaltungsgericht erweist sich daher als mit dem Prozessrecht vereinbar.
Zudem ergibt sich aus obigen Ausführungen (vgl. unter Nr. 1), dass gerade die Wahl von Abiy Ahmed zu einer grundlegenden Verbesserung der politischen Verhältnisse in Äthiopien geführt hat. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Veröffentlichungen im Internet geltend macht, trotz der Wahl von Abiy Ahmed bestehe weiterhin die Gefahr der Verletzung der Menschenrechte und das Land befinde sich in einer schwerwiegenden politischen Krise, wendet er sich gegen die richterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Im Asylprozess kann die Verletzung materiellen Rechts als solche nicht zu einer Berufungszulassung führen, weil § 78 Abs. 3 AsylG – anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – den Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel“ an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerade nicht vorsieht. Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris Rn. 3; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – juris Rn. 4). Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
4. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger und die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten für das Zulassungsverfahren folgen aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 1 ZPO. Dabei ist es unerheblich, dass das Begehren des Klägers, die Zulassung der Berufung zu erreichen, aus den unter Nr. 1 und Nr. 2 genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr hat (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ist – abweichend von der Beurteilung der Erfolgsaussicht des Zulassungsverfahrens – grundsätzlich die Bewilligungsreife, d.h. der Zeitpunkt nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen und einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – AuAS 2008, 11). Nur ausnahmsweise ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert hat. Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten, die nach der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags zulasten des Rechtsschutzsuchenden eintreten, sind grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 01.02.2019 – 11 C 18.1631 – juris Rn. 12; BVerfG, B.v. 22.8.2018 – 2 BvR 2647/17 – NVwZ-RR 2018, 873 = juris Rn. 15 m.w.N.; BVerwG, B.v. 21.1.2019 – 1 PKH 49.18 u.a. – juris Rn. 6).
So verhält es sich hier. Im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (3.9.2018) waren die unter Nr. 1 angeführten Grundsatzentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2019 bzw. 12. März 2019 zu der grundsätzlich bedeutsamen Frage der Gefahr flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgungsmaßnahmen für äthiopische Staatsangehörigen wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit für eine Organisation, die einer in Äthiopien bis Sommer 2018 als Terrororganisation eingestuften Organisation nahesteht, noch nicht erlassen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Zulassungsantrag wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung daher voraussichtlich noch Erfolg gehabt.
Der Kläger hat durch die vorgelegte aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgewiesen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gegeben sind. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Rechtsschutzsuchenden aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kommt es – anders als für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe – nicht auf die Bewilligungsreife, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2012 – 8 C 12.653 – BayVBl 2013, 480 = juris Rn. 8; B.v. 27.7.2017 – 15 C 14.2047 – BayVBl 2018, 755 = juris Rn. 15).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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