Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Asylbewerbers aus Sierra Leone wegen coronabedingter Unmöglichkeit der Existenzsicherung im Falle der Rückkehr

Aktenzeichen  9 ZB 20.31924

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36197
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2
EMRK Art. 3
ZPO § 227

 

Leitsatz

1. Trotz äußerst schwieriger Lebensbedingungen in Sierra Leone bestehen keine begründeten Zweifel daran, dass für junge, gesunde und arbeitsfähige Männer dort auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin die Möglichkeit besteht, ihren Lebensunterhalt zumindest durch Gelegenheitsarbeiten sicherzustellen und sie sich nicht unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK besorgen ließe, die zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde (BVerwG BeckRS 2019, 18363). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Da das weltweite Pandemiegeschehen noch von einer großen Dynamik gekennzeichnet ist, die eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern nicht erlaubt, liegt hierin keine verallgemeinerungsfähige Tatsachenfrage. Möglich wäre aktuell allenfalls eine Momentaufnahme, der sich keine belastbaren Rückschlüsse für zukünftige Entwicklungen entnehmen ließen, die deshalb nur von sehr begrenzter Aussagekraft wäre und eine verallgemeinerungsfähige grundsätzliche Klärung von Tatsachen gerade nicht ermöglichte (vgl. VGH Mannheim BeckRS 2020, 10260). (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Lehnt das Verwaltungsgericht einen Antrag auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung ab, liegt hierin nur dann einen Verletzung des Anspruchs auf Gewähr rechtlichen Gehörs, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (BVerwG BeckRS 2020, 8326). (Rn. 11) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Das Fehlen einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung kann ein erheblicher Grund für eine Terminänderung sein, weshalb sich dann angesichts des hohen Rangs des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Verlegungsermessen nach § 173 S. 1 VWGO i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich auf eine entsprechende Verpflichtung des Gerichts verdichtet (vgl. OVG Lüneburg BeckRS 2020, 22184). (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 30 K 17.70084 2020-08-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2020 – 9 ZB 20.31403 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen, mit dem schon keine konkrete Frage formuliert wird, nicht gerecht.
Soweit dem Zulassungsvorbringen entnommen werden kann, dass grundsätzlich geklärt werden soll, ob die Aussage, dass ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone ein Existenzminimum – wenn auch durch Gelegenheitsjobs – erwirtschaften kann, angesichts der aktuellen Covid-19 Pandemie, insbesondere für Rückkehrer, noch aufrechterhalten werden kann, ist jedenfalls die allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausgehende Klärungsbedürftigkeit einer solchen Fragestellung nicht ausreichend dargelegt.
Der Kläger verweist auf einen Bericht der Weltbank vom 1. Juni 2020, wonach die Pandemie die jüngsten Bemühungen der Haushaltskonsolidierung zurückgeworfen habe; das Haushaltsdefizit werde von 2,9% des BIP im Jahr 2019 auf 8,9% ansteigen, der Anteil der Staatsverschuldung am BIP werde voraussichtlich um 4,3% auf 71% steigen und das Land müsse mit ersthaften nachteiligen fiskalischen Belastungen für den Schuldendienst fertig werden. Der Ausbruch von Covid-19 und die Unterbrechung der globalen Lieferkette habe die Preise nach oben gedrückt; im ersten Quartal 2020 sei die Inflation auf 15,6%, hauptsächlich verursacht durch den sprunghaften Anstieg der Lebensmittelpreise, gestiegen. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten des Landes seien durch Covid-19 beeinträchtigt. Die Prognosen gingen von einem Rückgang von 12 bis 16% des BIP im Dienstleistungssektor aus. Die verstärkte Isolation der Arbeitskräfte könne die örtliche Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigen und das Wachstum der Landwirtschaft verlangsamen. Auf der Nachfrageseite erkläre der abrupte Rückgang der Investitionen weitgehend die Schrumpfung im Jahr 2020. Das Verwaltungsgericht übersehe außerdem, dass in diversen, auch beispielhaft angeführten Medien von Experten davon berichtet werde, wie die Covid-Pandemie das ohnehin dürftige Gesundheitssystem unter Druck setze, dass Sierra Leone laut Robert Koch Institut ein Risikogebiet sei und nach den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes strikte Präventionsmaßnahmen gelten würden, die zu starken wirtschaftlichen Einbrüchen führten.
Mit alldem ist aber nicht dargetan, dass trotz der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten äußerst schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone zumindest begründete Zweifel daran bestehen, dass für junge, gesunde und arbeitsfähige Männer dort weiterhin die Möglichkeit besteht, ihren Lebensunterhalt – zumindest durch Gelegenheitsarbeiten – sicherzustellen und sie sich nicht unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinden würden, weshalb eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu besorgen und ein nationales Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen sein könnte (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12). In Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Kläger auch nicht dargetan, dass sich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG trotz des Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen einer vorliegenden Extremgefahr, wegen der er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde, für ihn nicht auswirkt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – juris Rn. 20, 23; OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris Rn. 38, 48; VGH BW, U.v. 26.6.2019 – A 11 S 2108/18 – juris Rn. 131 ff. m.w.N.). Der Kläger legt selbst dar, dass dem angeführten Bericht der Weltbank zu Folge der restriktive finanzpolitische Kurs zur Haushaltskonsolidierung seit dem Covid-19-Ausbruch von einem expansiveren finanzpolitischen Kurs abgelöst wurde, weil die Regierung auf die Pandemie reagierte. Darüber hinaus habe das BSL Monetary Policy Committee (MPC) am 18. März 2020 den Leitzins um 150 Basispunkte auf 15% gesenkt und eine Sonderkreditfaziliät in Höhe von 500 Le eingerichtet, um die Auswirkungen von Covid-19 auf die Wirtschaft auszugleichen sowie einem Rückgang des Gesamtangebots entgegenzuwirken. Soweit die Landes- und Seegrenzen nach den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes geschlossen sind, gilt dies nicht für Warenverkehr. Ohnehin gilt Sierra Leone nach den zuletzt am 27. Oktober 2020 aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen als von Covid-19 bisher weniger betroffen, wenn das Land auch nach wie vor als Risikogebiet eingestuft wird. Eine nächtliche Ausgangssperre ist zwischenzeitlich aufgehoben worden. Auch ansonsten gibt es im Land aktuell keine pandemiebedingten Beschränkungen. Die Bevölkerung bleibt lediglich aufgefordert, die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, größere Menschenansammlungen zu meiden und in der Öffentlichkeit Mund- und Nasenschutz zu tragen. Verstöße können geahndet werden.
Anhand des Zulassungsvorbringens ist außerdem nicht zu ersehen, dass die aufgeworfene Fragestellung überhaupt verallgemeinernd, zumindest im Hinblick auf Umstände bzw. Merkmale, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden (vgl. BayVGH BW, U.v. 26.6.2019 – A 11 S 2108/18 – juris Rn. 30) und nicht nur nach Würdigung der konkreten Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2020 – 9 ZB 20.31477 – juris Rn. 4). Dies ergibt sich nicht schon aus dem Zulassungsvorbringen, dass sich der größte Teil der Asylantragsteller aus jungen, gesunden und arbeitsfähigen Männern zusammensetzt, für die von Bedeutung ist, ob sie in Sierra Leone ein Existenzminimum erwirtschaften können. Damit ist nicht dargelegt, dass jeder Rückkehrer aus dieser Gruppe, ohne dass es auf das Hinzutreten weiterer Umstände ankäme, so gefährdet wäre, dass ihm bei seiner Rückkehr stets eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht.
Ferner fehlt es an einer Tatsachenfrage von verallgemeinerungsfähiger Tragweite auch deshalb, weil das weltweite Pandemiegeschehen noch von einer großen Dynamik gekennzeichnet ist, die eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern, wie etwa Sierra Leone, (noch) nicht erlaubt (BayVGH, B.v. 16.6.2020 – 9 ZB 20.31250 – juris Rn. 4 m.w.N; BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 48; OVG NW, B.v. 21.9.2020 – 2 A 2255/20.A – juris Rn. 7). Möglich wäre allenfalls eine Momentaufnahme, der sich indes keine belastbaren Rückschlüsse für zukünftige Entwicklungen entnehmen ließen, die deshalb nur von sehr begrenzter Aussagekraft wäre und eine verallgemeinerungsfähige grundsätzliche Klärung von Tatsachen gerade nicht ermöglichte (vgl. VGH BW, B.v. 8.5.2020 – A 4 S 1082/20 – juris Rn. 5). Anderes hat auch der Kläger mit den benannten Erkenntnismitteln und den darin enthaltenen Einschätzungen zu zukünftigen (wirtschaftlichen) Entwicklungen, die letztlich aber ungewiss bleiben, nicht aufgezeigt.
Aktuelle Entwicklungen, die einer Abschiebung entgegenstehen, wären im Übrigen im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ggf. wäre ihnen mit einem Folgeantrag zu begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2020 – 9 ZB 20.31250 – juris Rn. 4; U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 48).
2. Die Berufung ist nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht den Anträgen des Klägers auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 6. August 2020 nicht nachgekommen ist.
Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2006 – 10 B 9.06 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 6.6.2018 – 15 ZB 18.31230 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 7.4.2020 – 5 B 30.19 D – juris Rn. 15 zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO m.w.N.). Vorliegend ist weder gegenüber dem Erstgericht noch im Zulassungsverfahren gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) ein solcher erheblicher Grund dargelegt worden.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe“ ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13; B.v. 28.4.2008 – 4 B 47.07 – juris Rn. 22 jeweils m.w.N.). Letzteres verlangt, dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten im Prozess zu behaupten, wobei das rechtliche Gehör auch das Recht eines Beteiligten einschließt, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2009 – 6 B 32/09 – juris Rn. 3). Das Fehlen einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung kann ein erheblicher Grund für eine Terminänderung sein, weshalb sich dann angesichts des hohen Ranges des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Verlegungsermessen nach § 173 Satz 1 VwGO i.V. mit § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich zu einer entsprechenden Verpflichtung des Gerichts verdichtet (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2020 – 15 ZB 19.425 – juris Rn. 43 m.w.N.). Allerdings ist der Beteiligte gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren das rechtliche Gehör zu verschaffen, sodass letztlich nur eine ihm trotz zumutbaren eigenen Bemühens um die Erlangung rechtlichen Gehörs verweigerte oder abgeschnittene Möglichkeit zur Äußerung eine Gehörsverletzung darstellt. Deshalb sind rechtfertigende „erhebliche“ Gründe im Sinne des § 227 ZPO nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (BVerwG, B.v. 29.4.2004 – 3 B 118.03 – juris Rn. 3; vgl. auch B.v. 12.2.2018 – 2 B 63.17 – juris Rn. 12 m.w.N., NdsOVG, B.v. 3.9.2020 – 10 LA 144/20 – juris Rn. 16).
a) Der Kläger führt in der Begründung seines Zulassungsantrags aus, dass das Verwaltungsgericht entgegen § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO verfahrensfehlerhaft seinen Anträgen auf Terminsverlegung nicht stattgegeben habe. Der Kläger hat auf die Ladung vom 25. Juni 2020 mit Schreiben vom 2. Juli 2020 die Verlegung des anberaumten Termins zu einer mündlichen Verhandlung am 6. August 2020 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung auf einen Zeitraum ab Oktober 2020 zu verlegen. Er hat dies damit begründet, dass er sich durch den Rechtsanwalt seines Vertrauens unterstützen lassen wolle und sein Berater im Asylverfahren seit 2014, der derzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Berufungszulassungsverfahren, der seit dem 19. Juni 2020 Rechtsassessor sei, die Zulassung zum Rechtsanwalt voraussichtlich erst im August oder September 2020 erlangen werde. Nachdem dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juli 2020 mitgeteilt wurde, dass seinem Antrag nicht stattgegeben werde, weil dem Kläger bereits jetzt freistehe, sich eines „anwaltschaftlichen Prozessbeistands“ zu bedienen, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2020 erneut die Verlegung des mündlichen Verhandlungstermins, wobei er ausführte, sich erfolglos um einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt bemüht zu haben, einzig der nunmehrige Bevollmächtigte sei zur anwaltlichen Vertretung bereit, was aber erst nach dessen Zulassung zur Anwaltschaft möglich sei. Auch diesen neuerlichen Antrag auf Terminsverlegung hat das Verwaltungsgericht daraufhin mit begründetem Beschluss vom 13. Juli 2020 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Der Kläger hat mit den von ihm angegebenen Verlegungsgründen nicht dargetan, dass ihm eine sachgerechte erstinstanzliche Prozessführung ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht möglich wäre (vgl. BVerwG, B.v. 27.06.2007 – 3 B 130.06 – Rn. 8 m.w.N.). Mit der Begründung seiner Verlegungsanträge oder seinem Zulassungsvorbringen ist bei der vorliegenden Sachlage nicht plausibel gemacht, warum sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht – wie auch geschehen – durch seinen langjährigen Berater als nicht anwaltlichen, aber rechtskundigen Bevollmächtigten gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO vertreten lassen konnte und eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung überhaupt in Betracht kommt. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO können sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer in dieser Vorschrift näher konkretisierten Hochschule vertreten lassen. Darüber hinaus ist als Bevollmächtigter vor dem Verwaltungsgericht u.a. aber auch eine Person mit Befähigung zum Richteramt vertretungsbefugt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Die Befähigung zum Richteramt hatte der heutige anwaltliche Prozessbevollmächtigte mit dem Bestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung erworben (§ 5 Abs. 1 DRiG). Er hat dies in der mündlichen Verhandlung am 6. August 2020, in der die Vertretung nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO durch den nunmehr Bevollmächtigten tatsächlich stattgefunden hat, im Übrigen durch Vorlage einer Kopie des betreffenden Zeugnisses auch nachgewiesen. Weder der im Zulassungsverfahren angeführte Umstand, dass der Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig sei, weshalb ein Dolmetscher zur mündlichen Verhandlung geladen wurde, noch seine ebenfalls angesprochene einfache Herkunft begründen die Notwendigkeit einer Prozessvertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt. Der Kläger verweist selbst darauf, dass er seine Rechte („nur“) durch rechtskundige Berater der Refugee Law Clinic Munich e.V., für die auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Zulassungsverfahren tätig war, wahren konnte. Auch dass der Kläger habe befürchten müssen, dass sein Prozessvertreter als Bevollmächtigter nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO zurückgewiesen werden könnte, oder wegen des Umstands, dass er dann unentgeltlich für den Kläger tätig werden müsste, mit einer qualitativ geringwertigeren Prozessvertretung zu rechnen wäre, ist weder ausreichend dargetan, noch sonst ersichtlich. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, nachdem der Kläger darauf hinweist, dass sein Bevollmächtigter seit 2014 als Berater der Refugee Law Clinic Munich e.V. auf der Grundlage von § 6 RDG unentgeltlich Rechtsdienstleistungen erbringe, sein vollstes Vertrauen genieße und seinen Fall genau kenne. Die vom Kläger angesprochene Zurückweisung nach § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO käme überdies nur dann in Betracht, wenn der betreffende Bevollmächtigte nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO in intellektueller Hinsicht, aus emotionalen Gründen oder wegen Missbrauchs seiner Stellung zur Verhinderung eines effektiven Verfahrens und einer gerechten Entscheidungsfindung als Prozessbevollmächtigter ungeeignet ist (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 67 Rn. 15). Sie ist hier aber auch nicht erfolgt.
b) Soweit der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auch noch darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht seinen Antrag auf Verlegung mit Beschluss vom 13. Juli 2020 ablehnte, ohne ihm zuvor die Gelegenheit zu geben, sein erfolgloses Bemühen um einen anwaltlichen Beistand glaubhaft zu machen (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO), kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen. Da es nach den vorstehenden Ausführungen schon an der Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO fehlt und der Kläger darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten war (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2009 – 6 B 32/09 – juris Rn. 3), kommt es für die Entscheidung auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht dem Kläger die Glaubhaftmachung, dass er einen Rechtsanwalt nicht rechtzeitig habe mandatieren können, ohne vorheriges entsprechendes Verlangen absprechen dufte, nicht an. Bei dieser Konstellation entfällt auch nicht die Notwendigkeit der Darlegung, dass die Entscheidung auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruhen kann (vgl. NdsOVG, B.v. 3.9.2020 – 10 LA 144/20 – juris Rn. 17).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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