Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines malischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  15 ZB 19.30527

Datum:
19.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2262
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 78 Abs. 3, Abs. 4, § 83b

 

Leitsatz

1 Die Frage, ob unter den von ihm geschilderten Umständen für einen Asylbewerber ein Abschiebungsverbot vorliegt, ist in dieser Allgemeinheit von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung iSv § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich, weil die Antwort hierauf von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängt, deshalb nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich daher in einem Berufungsverfahren in dieser Allgemeinheit nicht stellen würde (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 20067). (Rn. 9) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage muss hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im Ausgangsbescheid und damit – über § 77 Abs. 2 AsylG – auch anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu entscheiden sein könnte (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 24967). (Rn. 9) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (BVerwG BeckRS 9998, 50061) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen wäre (wie BayVGH BeckRS 2018, 21862). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 29 K 17.46274 2018-12-10 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger – ein nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. Juli 2017, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Mali oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht München das vom Kläger durch Klageerhebung initiierte gerichtliche Verfahren wegen teilweiser Klagerücknahme teilweise ein und wies die Klage im Übrigen – d.h. hinsichtlich des zuletzt noch gestellten Antrags, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2017 zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen – ab. Zur Begründung nahm das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und weiche von obergerichtlicher Rechtsprechung ab; ferner habe das Verwaltungsgericht ihm gegenüber den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 78 Abs. 3 AsylG) sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Der vom Kläger behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 24.4.2018 – 8 ZB 18.30874 – juris Rn. 4; B.v. 6. Juni 2018 – 15 ZB 18.31230).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. In der Sache wendet sich der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen gegen die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung, ohne damit jedoch eine über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedürftigkeit einer entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage hinreichend darzulegen.
Die in der Antragsbegründung als grundsätzlich angesehene Frage, ob „unter den vom Kläger geschilderten Umständen ein Abschiebungsverbot“ für ihn vorliege, ist in dieser allgemeinen Formulierung schon von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich, weil die Antwort auf diese von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängig ist, sie deshalb nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 8 m.w.N.). Im Übrigen muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im Bescheid vom 21. Juli 2017 und damit – über § 77 Abs. 2 AsylG – auch anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (BayVGH, B.v. 20.9.2018 – 15 ZB 18.32223 – juris Rn. 12; OVG LSA, B.v. 23.8.2018 – 3 L 293/18 – juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, B.v. 31.7.2018 – 19 A 1675.17.A – juris Rn. 12 m.w.N.). Dem wird die Antragsbegründung mit dem pauschalen Vorbringen, es seien diverse nach Bescheiderlass eingetretene Umstände nicht berücksichtigt worden, nämlich
– dass nach Quellen aus dem Jahr 2018 im Norden Malis trotz eines unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens nach wie vor Bürgerkrieg herrsche und dass sich die Instabilität seit 2013 vom Norden bis ins Zentrum Malis ausgebreitet habe, dass die Zahl an bewaffneten Gruppen, die Angriffe ausführten, wachse und dass der Ausnahmezustand daher erst im Jahr 2017 zuletzt erweitert worden sei,
– dass rückgeführte Malier laut dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts zwar keine Repressalien von staatlicher Seite zu befürchten hätten, allerdings gegebenenfalls in den Herkunftsgemeinden und Familien gesellschaftlich als Versager gebrandmarkt würden,
– dass die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht generell nicht darauf schließen ließen, dass Rückkehrer in Südmali willkommen seien, sowie
– dass Mali zu den ärmsten Ländern der Erde zähle, dass über 50% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebe und dass das Armutsrisiko auch für die junge Bevölkerung besonders hoch sei,
nicht gerecht. Unabhängig davon, dass die Antragsbegründung sich nicht damit auseinandersetzt, dass bzw. ob die als nachträglich betitelten Umstände bereits zu dem gem. § 77 Abs. 1 AsylG relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (10. Dezember 2018) vorlagen, erfolgt mit den aufgezeigten Erwägungen jedenfalls keine substantiierte Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Bescheids und damit über § 77 Abs. 2 AsylG auch des angegriffenen Urteils vom 10. Dezember 2018, wonach der Sachvortrag des Antragstellers u.a. als unglaubhaft eingestuft wurde und wonach für den Kläger zudem die Möglichkeit des internen Schutzes (§ 3e AsylG) in Südmali bestehe, zumal es sich bei ihm um einen volljährigen, jungen und erwerbsfähigen Mann handele, bei dem – auch unter Berücksichtigung seiner überdurchschnittliche Schulbildung, seiner Ausbildung zum Elektriker sowie seiner Arbeitserfahrung – davon auszugehen sei, dass er nach seiner Rückkehr auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiären Rückhalt in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zur Existenzsicherung zu erzielen.
b) Inwieweit – wie der Kläger behauptet – die angefochtene Entscheidung von obergerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), gibt der Zulassungsantrag nicht an.
c) Nicht näher substantiiert ist auch die Behauptung, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO). Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 15 ZB 17.30494 – juris Rn. 24 m.w.N.; B.v. 5.9.2018 – 15 ZB 18.32208 – juris Rn. 4; B.v. 8.10.2018 – 15 ZB 17.30545 – juris Rn. 17). Nähere Darlegungen finden sich auch hierzu in der Zulassungsbegründung nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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