Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines staatenlosen Palästinensers aus dem Gazastreifen

Aktenzeichen  15 ZB 20.30526

Datum:
16.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9545
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1, § 78 Abs. 3, Abs. 4
RL 2011/95/EU Art. 15 lit. c
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für einen staatenlosen Palästinenser aus dem Gazastreifen kommt unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG nicht in Betracht, weil dort für Zivilpersonen kein so hoher Gefahrengrad vorliegt, dass praktisch jeder allein aufgrund seiner Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder gar getötet werden könnte. Die militärischen Auseinandersetzungen mit Israel oder innerhalb verschiedener palästinensischer Gruppen stellen keine allgegenwärtige Gefahr für jeden Bewohner des Gazastreifens dar. (Rn. 9 – 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegen aufgrund der humanitären Situation im Gazastreifen, die von israelischen Einfuhrkontrollen sowie der schwierigen Versorgungslage mit Nahrungsmitteln und Energie geprägt ist, nicht vor. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Grundbedürfnisse wie Ernährung, Unterkunft und medizinische Versorgung nicht wie in der Vergangenheit jedenfalls durch die Unterstützung von Hilfeorganisationen auf einem Niveau gesichert werden könnten, das eine generelle Leibes- oder Lebensgefahr für die Bevölkerung ausschließt. (Rn. 9) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Ein Anspruch eines staatenlosen Palästinensers aus dem Gazastreifen auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG wäre auch dann zweifelhaft, wenn mit dem VGH Mannheim (BeckRS 2019, 31472) als Bewertungsmaßstab  eine “umfassende Beurteilung auch anderer gefahrbegründender Umstände” herangezogen würde. (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 17 K 17.42863 2019-12-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Die Kläger – ein aus dem Gazastreifen stammender staatenloser Palästinenser – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 29. Mai 2017, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, ihm die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung in die palästinensischen Autonomiegebiete oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 wies das Verwaltungsgericht München die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter (teilweiser) Aufhebung des Bescheids vom 29. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt
Die vom Kläger als grundsätzlich angesehenen Fragen,
„1. a) Stehen Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95/EU der Auslegung und Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, wonach eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (in dem Sinne, dass eine Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit im betroffenen Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein) in denjenigen Fällen, in denen diese Person nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, nur vorliegen kann, wenn eine Mindestzahl an bereits zu beklagenden zivilen Opfern (Tote und Verletzte) festgestellt worden ist?
1. b) Falls Frage 1. a) bejaht wird: Ist die Beurteilung, ob eine Bedrohung in diesem Sinne eintreten wird, auf Grundlage einer umfassenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen? Wenn nicht: Welche anderen unionsrechtlichen Anforderungen bestehen an diese Beurteilung?“
rechtfertigen unter Berücksichtigung seines Vorbringens in der Antragsbegründung keine Berufungszulassung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
Das klägerische Vorbringen richtet sich von vornherein nicht gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), sodass der Senat wegen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG hierauf von vornherein nicht einzugehen hat. Auch im Übrigen vermag der Kläger mit seiner Antragsbegründung die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung nicht darzulegen:
a) Das Verwaltungsgericht hat gem. Art. 77 Abs. 2 AsylG auf die als zutreffend eingestufte Begründung des angegriffenen Bescheids des Bundesamts vom 29. Mai 2017 Bezug genommen. In diesem Bescheid wird ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 4 AsylG) mangels ernsthaften Schadens unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abgelehnt, weil nach der allgemeinen Lage im Gazastreifen kein Konflikt im Sinne der genannten Regelung bestehe. Die militärischen Auseinandersetzungen mit Israel oder innerhalb verschiedener palästinensischer Gruppen stellten keine allgegenwärtige Gefahr für jeden Bewohner des Gazastreifens dar. Außerdem bestehe dort derzeit kein militärischer Konflikt mit Israel oder der Fatah. Größere Kampfhandlungen rivalisierender Gruppen oder mit dem israelischen Staat seien derzeit nicht bekannt. Es sei daher nicht erkennbar, dass die Lage in der Herkunftsregion des Klägers einen so hohen Gefahrengrad aufweise, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder gar getötet werden könnte. Die engen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gem. Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK aufgrund der humanitären Lage im Gazastreifen lägen ebenfalls nicht vor. Aufgrund der israelischen Einfuhrkontrollen sowie der schwierigen Versorgungslage mit Nahrungsmitteln und Energie bestünde keine Gefahrenlage i.S. von Art. 3 EMRK. Es lägen auch keine ausreichenden Hinweise dafür vor, dass die Grundbedürfnisse wie Ernährung und Unterkunftsversorgung sowie die medizinische Versorgung nicht wie in der Vergangenheit jedenfalls durch die Unterstützung von Hilfsorganisationen auf einem Niveau gesichert sei, das eine generelle Leibes- oder gar Lebensgefahr für die Bevölkerung ausschließe. Individuelle gefahrerhöhende Umstände seien vom Kläger nicht vorgetragen worden und lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamts auch nicht vor. Ferner sei keine extreme Gefahrenlage ersichtlich, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führte.
Zudem hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 19. Dezember 2019 mit näherer Begründung und unter Bezugnahme auf diverse Erkenntnisquellen ergänzend ausgeführt, dass in den palästinensischen Autonomiegebieten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht (mehr) vorlägen. Insbesondere fehle es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an der erforderlichen Gefahrendichte. Erhebliche individuelle Gefahren in dem Sinne, dass gerade der Person des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohe, lägen nicht vor. Fehlten individuelle gefahrerhöhende Umstände, so könne ausnahmsweise für einen Betroffenen gleichwohl eine außergewöhnliche Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften und individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dazu sei ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Dies sei nach der gut dokumentierten Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten in Bezug auf Todes- und Verletzungsfälle nicht gegeben. So habe es im Jahr 2019 nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (19. Dezember 2019) 71 Todesopfer und 11.453 Verletzte gegeben. Eine gravierende Verschlechterung der Lage zeichne sich nicht ab (zur Darstellung der Entwicklung in den letzten Jahren vgl. im Einzelnen die Darstellung auf Seite 11 des angegriffenen Urteils). Insbesondere sei nicht konkret abzusehen, dass israelische Truppen in einer Großoperation erneut (wie im Jahr 2014) den Gazastreifen angreifen oder ihn gar besetzen würden. Nicht ausreichend sei, dass eine solche Veränderung der Lage nicht gänzlich auszuschließen sei. Setze man unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel die Zahlen für das Jahr 2016 und 2017 exemplarisch ins Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung (1,9 Millionen Bewohner) und berücksichtige man weiterhin, dass die Gefahr, Opfer von israelischen (Gegen-) Angriffen zu werden, außerhalb der unmittelbaren Grenznähe und militärisch genutzter Ziele angesichts der geringen Größe des Gazastreifens zwar nicht ausgeschlossen, aber doch geringer sei, fehle es bei einem Verhältnis von deutlich weniger als 0,1% im Jahr auseinandersetzungsbedingt getöteten oder verletzten Zivilisten ersichtlich an der erforderlichen Dichte der willkürlichen Übergriffe für jeden dort Lebenden. Zwar bedürfe es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung. Sei allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens – wie hier – weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermöge sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken. Zudem sei die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich. Zur ergänzenden Begründung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Ablehnung der Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 AufenthG in Bezug auf den Kläger (alleinstehender, arbeitsfähiger, gesunder junger Mann, bei dem davon auszugehen sei, dass er sich ein Existenzminimum selbst erwirtschaften könne), wird im Einzelnen auf Seiten 13 ff. des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts verwiesen.
b) Der Kläger lässt hiergegen zur Antragsbegründung vorbringen, die als grundsätzlich angesehenen Fragen (s.o.) würden in Anlehnung an ein mit Beschluss vom 29. November 2019 ergangenes Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Europäischen Gerichtshof mit Blick auf unionsrechtliche Kriterien zur Auslegung einer ernsthaften individuellen Bedrohung i.S. von Art. 15 Buchst. c i.V. mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95/EU gestellt. Zur näheren Begründung zitiert die Antragsbegründung über mehrere Seiten wörtlich Passagen aus den Gründen des Vorlagebeschlusses (VGH BW, B.v. 29.11.2019 – A 11 S 2374/19 u.a. – juris Rn. 1, Rn. 5 – 12). Die dort am Beispiel von Afghanistan aufgeworfene Fragestellung sei – so die Antragsbegründung weiter – auf die Lage in Gaza übertragbar. Die aufgeworfenen Grundsatzfragen seien verallgemeinerungsfähig, da sie eine große Personengruppe – nicht nur alle palästinensischen Asylantragsteller – beträfen. Es könne im Berufungsverfahren eine grundsätzliche Klärung der aufgeworfenen Fragen erfolgen. Die Grundsatzfragen seien auch entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht zur Ermittlung der Gefahrendichte die (bisherige) Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zur exkludierenden Betrachtung des Risikos, verletzt oder getötet zu werden [zu Risikoquoten von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11.10 – juris Rn. 20 f.], zugrunde gelegt habe, ohne zu prüfen, ob Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95/EU der Auslegung und Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegenstünden.
c) Mit dieser Argumentation und der von ihm aufgeworfenen Fragen vermag der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht zu begründen.
Der von ihm behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2019 – 15 ZB 19.33299 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Die Antragsbegründung des Klägers erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es fehlt bereits an einer hinreichenden rechtlichen Aufarbeitung der aufgeworfenen Grundsatzfrage, insbesondere an einer hinreichenden Durchdringung der Materie. Insoweit ist es jedenfalls nicht ausreichend, die im Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Gerichtshof der Europäischen Union (B.v. 29.11.2019 – A 11 S 2374/19 u. A 11 S 2375/19 – juris) enthaltene(n) Frage(n) wiederzugeben und unter schlicht wörtlicher Zitierung der als einschlägig angesehenen Passagen pauschal auf die Begründung dieses Beschlusses zu verweisen (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2020 – 13a ZB 20.30107 – juris Rn. 14). Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im anschließenden Berufungsverfahren anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (BayVGH, B.v.6.6.2019 – 15 ZB 19.32031 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.9.2019 – 15 ZB 19.33299 – juris Rn. 9 m.w.N.). Vorliegend ist nicht dargetan, dass es gerade im Fall des Klägers von der Beantwortung der aufgeworfenen Frage abhängt, ob die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen: Insbesondere fehlt jegliche Darlegung, weshalb im Einzelfall des Klägers bei der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg angedachten Bewertung „auf Grundlage einer umfassenden Beurteilung auch anderer gefahrbegründender Umstände“ (VGH BW, B.v. 29.11.2019 a.a.O. juris Rn. 5) eine Schutzgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Betracht käme (vgl. auch insofern BayVGH, B.v. 17.1.2020 – 13a ZB 20.30107 – juris Rn. 14), zumal der Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ein ganz anderer Sachverhalt zugrunde liegt: Während der Kläger des vorliegenden Falls aus dem Gazastreifen stammt und nach den von der Antragsbegründung nicht infrage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts volljährig, alleinstehend und arbeitsfähig ist, betrifft der Vorlagebeschluss vom 29. November 2019 Asylsuchende mit erhöhter Vulnerabilität (alleinerziehender Witwer sowie verheirateter Kläger mit fünf Kindern) sowie aus einem ganz anderen Herkunftsland (Afghanistan, Provinz Nangarhar).
2. Ohne dass es darauf für die hier zu treffende Entscheidung des Senats ankommt, dürfte ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG im Übrigen auch dann zweifelhaft sein, wenn der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg angedachte Bewertungsmaßstab einer „umfassenden Beurteilung auch anderer gefahrbegründender Umstände“ herangezogen wird. Insofern wäre – neben der individuellen Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Klägers sowie der im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts (Seite 6) thematisierten ergänzenden Sicherung der Grundbedürfnisse durch Hilfsorganisationen – zu berücksichtigen, dass der Kläger, auch wenn der Gazastreifen insgesamt flächenmäßig überschaubar ist, durch Aufenthalt in Regionen, die sich nicht in unmittelbarer Grenznähe und in der Nähe potenzieller militärischer Ziele befinden, das Risiko, Opfer von militärischen Operationen zu werden, durch eigene Aufenthaltsentscheidung weiter minimieren kann (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2018 – 15 ZB 18.32223 – juris Rn. 14; vgl. auch die Erwägungen auf Seite 12 des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2019).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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