Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines türkischen Asylybewerbers

Aktenzeichen  9 ZB 18.33046

Datum:
10.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7387
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Asylentscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, muss das Vorbringen, mit dem der Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend gemacht wird, zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf bislang nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthalten, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (BayVGH BeckRS 2018, 28784). (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Art. 103 Abs. 1 GG statuiert keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (BVerfG BeckRS 2018, 5920). Die Garantie der Gewähr rechtlichen Gehörs gibt den Verfahrensbeteiligten insbesondere keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweise erhebt (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 3481). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.33922 2018-10-09 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der Frage, „ob Erdogan-Gegner, die mit der Verteilung eines Flugblatts mit dem Inhalt ‚Nein zur Politik von Erdogan‘, ‚Nein zum Präsidialsystem‘ sowie vor allem ‚Freiheit für die Kurden‘ erwischt werden, nicht wegen separatistischer Betätigungen belangt werden“, fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger die angeblich gegen ihn gerichteten Bedrohungen oder gar Übergriffe in Folge der Verteilung von Flugblättern schon nicht geglaubt, sie jedenfalls nicht als ausreisemotivierend, sondern als einmalige, allenfalls lokale Angelegenheit angesehen (s. UA S. 21). Es ist ohne weitere Erläuterung nicht nachvollziehbar, wieso der Verteilung von Flugblättern für eine Verfolgungsgefahr des Klägers dennoch Bedeutung zukommen kann.
Außerdem ist auch die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht substantiiert dargetan. Das Verwaltungsgericht ist nach ausführlicher Darstellung der politischen Lage in der Türkei auf der Basis eingeführter Erkenntnismittel davon ausgegangen, dass der Kläger auch bei Wahrunterstellung der von ihm behaupteten einfachen Mitgliedschaft in der HDP nicht Adressat von Verfolgungsmaßnahmen wäre und die behauptete Verhaftung oder Bedrohung allenfalls als lokaler Amtswalterexzess zu bewerten sei. Deshalb käme auch eine Fluchtalternative in der Westtürkei für ihn in Betracht. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte oder andere Gerichtsentscheidungen oder Erkenntnisse, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dem genügt die bloße Behauptung im Zulassungsantrag nicht, dass sich Personen, die Flugblätter mit separatistischem Inhalt verteilten, zu Tausenden in türkischen Gefängnissen befänden.
2. Soweit der Kläger insoweit meint, zur Klärung der tatsächlichen Gefährdung von Personen, die Flugblätter mit separatistischem Inhalt verteilen, sei eine Beweisaufnahme erforderlich, und damit einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) vorzubringen beabsichtigt, kann auch dies nicht zur Zulassung der Berufung führen. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30163 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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