Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  9 ZB 20.30929

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9702
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S.  1

 

Leitsatz

Die bloße Behauptung, dass sich die Missstände im Gesundheitssystem in Sierra Leone im Rahmen der „Corona-Pandemie“ verstärken und die medizinische Versorgung insofern vollständig zusammenbreche, genügt nicht den Darlegungsanforderungen an eine grundsätzlich bedeutsame Tatfrage.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.31735 2020-02-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob eine chronische HIV-Infektion sowie eine chronische Erkrankung an Hepatitis B in Sierra Leone behandelt werden kann, fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Dass der Kläger wegen einer nach dem ärztlichen Befund/Gutachten vom 21. März 2017 ggf. vorliegenden chronischen Hepatitis B überhaupt einer Behandlung bedarf, wurde von diesem weder gegenüber dem Bundesamt für … noch gegenüber dem Verwaltungsgericht, zudem auch nicht mit dem Zulassungsantrag, substantiiert geltend gemacht. Solches ergibt sich insbesondere auch nicht aus den von ihm im Asylverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Hinsichtlich der HIV-Infektion ist das Verwaltungsgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 7. November 2019, auf den es in seinem Urteil vom 20. Februar 2020 gemäß § 84 Abs. 4 VwGO inhaltlich Bezug genommen hat, davon ausgegangen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt des Therapiebeginns im CDC-Stadium A2 und somit im Anfangsstadium nach der CDC-Klassifikation befunden hat. Es hat unter Berücksichtigung des vorgelegten ärztlichen Attests vom 23. Juni 2017, welches insoweit nur allgemeine Angaben enthalte und nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG genüge, hieraus geschlossen, dass bereits nicht hinreichend erkennbar sei, dass ein Abbruch jeglicher Behandlung eine schwerwiegende und alsbaldige Verschlimmerung seiner Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nach sich ziehen werde.
Darüber hinaus ist auch die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht substantiiert dargetan. Das Verwaltungsgericht hat außerdem weitere Ermittlungen zur HIV-Infektion des Klägers nicht als erforderlich angesehen, weil es nach der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunftslage davon ausging, dass eine antiretrovirale Therapie bzw. eine Behandlung gemäß WHO-Richtlinien in Sierra Leone vom Kläger (kostenlos) erlangt werden könne, wenn auch das bisherige Medikament des Klägers (Genvoya) dort nicht erhältlich sei. Dass die Umstellung der Medikation oder eine Behandlung durch andere Ärzte als spezialisierte Hämatologen eine unzumutbare Verschlechterung darstellten bzw. den Schweregrad für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen könnten, sei weder den vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu entnehmen noch vorgetragen worden. Soweit gewisse Behandlungskosten entstünden, sei der erwerbsfähige Kläger, der vor seiner Ausreise gearbeitet habe und auf die Unterstützung durch Familienangehörige zurückgreifen könne, in der Lage, diese aufzubringen.
Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen all dem nicht substantiiert entgegentritt, setzt es sich auch nicht mit den dem erstinstanzlichen Urteil zugrundeliegenden Erkenntnismitteln auseinander. Zur Begründung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit wäre hier erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 9 ZB 19.34123 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem genügen die schon unsubstantierten, insbesondere aber auch in keiner Weise belegten Hinweise darauf, dass sich die Missstände im Gesundheitssystem in Sierra Leone im Rahmen der „Corona-Pandemie“ verstärken und die medizinische Versorgung insofern vollständig zusammenbreche, nicht. Soweit insoweit von ggf. zu befürchtenden zukünftigen Entwicklungen die Rede ist, wäre solchen unter Umständen im Wege eines Folgeantrags zu begegnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Asyl).


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