Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  9 ZB 19.34317

Datum:
13.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1267
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 2, § 154 Abs. 2, § 159 S. 1
ZPO § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

Es ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht eines besonderen Hinweises, dass es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.31563 2019-10-25 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je ein Viertel. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Kläger sind Staatsangehörige Sierra Leones. Der Kläger zu 1. ist mit der Klägerin zu 2. verheiratet; die Kläger zu 3. und 4. sind deren in Deutschland geborene Kinder. Sie begehren die Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klagen mit Urteil 25. Oktober 2019 abgewiesen. Hiergegen richten sich die Anträge auf Zulassung der Berufung der Kläger.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben erfolglos.
1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Soweit der Kläger zu 1. vorträgt, das Verwaltungsgericht habe seine angebliche Unglaubwürdigkeit primär damit begründet, dass er keine ausreichenden Gründe für seinen Übertritt zum christlichen Glauben wie für seine Verfolgung vorgetragen habe, ihn aber nicht nennenswert befragt habe, führt dies nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der Asylbewerber selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.), ist die Frage der Hinwendung des Klägers zu 1. zum christlichen Glauben bereits nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat insoweit unter Bezugnahme auf Erkenntnismittel ausgeführt, dass die Religionsfreiheit in Sierra Leone garantiert, respektiert und geschützt werde. Im Übrigen wurde der Kläger zu 1. ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 21. Oktober 2019 zu seinem Verfolgungsschicksal umfangreich angehört. Das Verwaltungsgericht hat die Unglaubhaftigkeit des vom Kläger geschilderten Verfolgungsschicksals in den Entscheidungsgründen daraufhin mit erheblich gesteigertem Vortrag und ungenauen, unkorrekten und ausweichenden Antworten des Klägers begründet. Das Verwaltungsgericht traf auch keine weitergehende Hinweis- oder Nachfragepflicht. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet nämlich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine (mögliche) Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Es ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht eines besonderen Hinweises, dass es – soweit entscheidungserheblich – im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 9 ZB 19.34121 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Soweit der Kläger anführt, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zu dem von ihm geschilderten Vorfall als unglaubhaft angesehen, weil die vorgelegte Zeitung eine offensichtliche Fälschung sei, hierzu aber keinen Beweis erhoben, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos, weil das Verwaltungsgericht den Zeitungsartikel bereits nicht als entscheidungserheblich angesehen hat. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr darauf abgestellt, dass die Veröffentlichung nicht geeignet sei, die im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Anhörung bestehenden Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, die sich nicht nur auf sein Verfolgungsschicksal, sondern auch auf seine gesamten Lebensumstände beziehen, auszuräumen.
Soweit das Zulassungsvorbringen zur Klägerin zu 2. ausführt, das Verwaltungsgericht habe ihre Glaubwürdigkeit schon aufgrund der Tatsache, dass ihr nach eigener Aussage ein “Posten” als Anführerin der Bunde-Society angeboten worden sei, der nach den Erkenntnissen des Gerichts mit erheblichen Vorteilen verbunden sei und es daher per ses unglaubhaft sei, wenn die Klägerin zu 2. behaupte, sie habe diesen Posten nicht annehmen wollen, lässt sich dies den Urteilsgründen so nicht entnehmen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Klägerin zu 2. gegen ihren Willen gezwungen werden sollte, Anführerin der Bundu-Society zu werden. Die erheblichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin zu 2. begründet das Verwaltungsgericht damit, dass die Klägerin zu 2. nur oberflächliche, pauschale und teilweise widersprüchliche Angaben gemacht habe und nicht der Eindruck bestehe, dass die Klägerin zu 2. über etwas selbst Erlebtes berichte. Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin – wie sich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2019 entnehmen lässt – auch mehrmals gebeten, genauer zu schildern.
2. Der von der Klägerin zu 2. geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 9 ZB 19.34121 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Abgesehen davon, dass die Fragestellung bereits nicht konkret formuliert wird und Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit fehlen, ist die im Zulassungsvorbringen angeführte “Frage der alternativlosen Unterstellung von sich nicht aus den Erkenntnismitteln ergebenden angeblichen Tatsachen” in Bezug auf die zum Verfahrensmangel oben angeführte Begründung hier nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 2. wegen ausweichender und unsubstantiierter Aussagen zum gesamten Verfolgungsgeschehen abgestellt. Abgesehen davon geht das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative, sowie davon aus, dass die Klägerin zu 2. von der Geheimgesellschaft nicht in ganz Sierra Leone ausfindig gemacht werden könnte. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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