Aktenzeichen 10 ZB 18.2628
AufenthG § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a, § 60 Abs. 7, § 95 Abs. 2 Nr. 2
EMRK Art. 8
Leitsatz
Die Darlegungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel müssen erkennen lassen, in welchem rechtlichen Rahmen die dargelegten Gesichtspunkte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen sollen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 K 18.336 2018-10-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 27. Februar 2018 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei Nachweis der Straffreiheit auf ein Jahr befristet wurde.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht entsprochen (2.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers gemäß §§ 53 ff. AufenthG als rechtmäßig erachtet. Der Kläger habe durch das Erschleichen von Duldungen den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht und sei deswegen am 6. September 2017 zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen zu je 10,- EUR verurteilt worden. Das darauf gestützte Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Gründen sei noch aktuell. Dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG stehe kein nach § 55 AufenthG typisiertes Bleibeinteresse gegenüber. Auch im Übrigen seien keine Umstände ersichtlich, die ein gewichtiges Bleibeinteresse des Klägers begründen könnten. Seine Familienangehörigen verfügten über kein Bleiberecht. Ein solches ergebe sich für den Kläger auch nicht aus gesundheitlichen Gründen, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Asyl(folge) verfahren zur Feststellung eines befristeten Abschiebungsverbots verpflichtet worden sei. Die Entscheidung sei gemäß § 42 Satz 1 AsylG im vorliegenden Verfahren bindend, so dass der Kläger derzeit das Bundesgebiet nicht verlassen müsse und sich sein Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, letztlich gegenwärtig auf die Möglichkeit des Erhalts eines legalen Aufenthalts reduziere. Im Rahmen der Interessenabwägung sei einerseits die zu erwartende generalpräventive Wirkung der Ausweisung einzustellen. Andererseits habe der Kläger einen tatsächlichen fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufzuweisen. Abgesehen davon seien besondere Integrationsleistungen nicht ersichtlich. Die Ausweisung sei schließlich auch unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK angemessen. Der Kläger sei im Herkunftsland verwurzelt, seine Ehefrau und die im Bundesgebiet geborenen Kinder hätten kein Aufenthaltsrecht. Ein (Wieder-)Einleben in die aserbaidschanischen Verhältnisse könne von ihnen ebenfalls erwartet werden. Die vom Kläger benötigte medizinische Behandlung sei gewährleistet, weil die Ausweisung nur dann zur Rückkehr in die Heimat führe, wenn dort die medizinische Versorgung finanziell gesichert sei. Ansonsten beschränke sich die Wirkung der Ausweisung darauf, die Verfestigung des Aufenthalts zu verhindern.
Die vom Kläger in der Zulassungsbegründung dagegen vorgebrachten Einwendungen genügen bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Danach sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Das Darlegungsgebot erfordert deshalb eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 10 ZB 17.1343 – juris Rn. 4; B.v. 5.12.2018 – 9 ZB 18.904 – juris Rn. 3 m.w.N.), insbesondere eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil (vgl. Happ in Eyermann, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 62 ff. m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Der Kläger trägt vor, dass er „sehr gut in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert“, aber auch in erheblicher Weise erkrankt sei, so dass er nicht in der Lage wäre, sich allein um die Kinder zu kümmern. Insofern könne ihm auch nicht vorgehalten werden, dass er auf Sozialleistungen angewiesen sei. Im Asylfolgeverfahren sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG festgestellt worden. Auf die diesbezüglichen Entscheidungen werde Bezug genommen und sie würden zum Inhalt des gegenständlichen Antrags gemacht. Im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung seien die mit der Verschleierung der Identität einhergehenden strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen nicht derart schwerwiegend, dass nicht von der Ausweisung hätte Abstand genommen werden können.
Der Vortrag des Klägers lässt damit aber keine substantielle Erörterung oder ausreichende Durchdringung der Materie erkennen. Er übt allgemein Kritik am erstinstanzlichen Urteil, ohne aber auf die Begründung des Urteils einzugehen oder sich damit auseinanderzusetzen. Es wird schon nicht dargelegt, in welchem rechtlichen Rahmen die von ihm dargelegten Gesichtspunkte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen sollten. Sofern sich der Kläger mit seiner Zulassungsbegründung durch den Verweis auf seine Integrationsleistung und seine gesundheitliche Konstitution gegen die Abwägungsentscheidung des Erstgerichts nach § 53 Abs. 2 AufenthG wenden wollte, lassen sich aus den Ausführungen keine substantiellen, abwägungserheblichen Aspekte ableiten. Insbesondere die familiäre Situation hat das Verwaltungsgericht eingehend gewürdigt. Aus dem Urteil geht, anders als dies der Kläger darstellt, auch nicht hervor, dass sein Sozialleistungsbezug negativ gewertet worden wäre. Schließlich hat das Verwaltungsgericht eingehend dargelegt, weshalb sich die Wirkung der Ausweisung wegen des nach § 42 Satz 1 AsylG bindend festgestellten Abschiebungsverbots derzeit darauf beschränkt, dass dem Kläger kein legaler Aufenthalt eingeräumt werden kann, er aber das Bundesgebiet nicht verlassen muss und deswegen der gesundheitlichen Situation keine überragende Bedeutung beizumessen ist. Auf diese Ausführungen des Gerichts geht der Kläger ebenfalls nicht ein.
Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
2. Da der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg hat, war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das Verfahren der Prozesskostenhilfe bedarf es keiner Kostenentscheidung, weil keine Gerichtskosten anfallen. Aus dem gleichen Grund erübrigt sich eine Streitwertfestsetzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).