Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag mangels Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör

Aktenzeichen  13a ZB 16.30466

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112326
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 3
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrages schließen (BVerfG BeckRS 2015, 55650), sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG BeckRS 2003, 23847 u. BeckRS 9998, 155340). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 16.30359 2016-08-17 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. August 2016 bleibt ohne Erfolg.
Soweit sich der Kläger auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, macht er keinen der in § 78 Abs. 3 AsylG genannten Zulassungsgründe geltend. Das ist zwar der Fall bei der weiter von ihm erhobenen Rüge eines Verfahrensmangels, jedoch ist sein Antrag insoweit unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG nicht vorliegen.
Der Kläger trägt insoweit vor, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen nicht berücksichtigt. Damit habe es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO verletzt. So sei die Annahme, ihm drohe kein Verfolgungsschicksal im Irak, weil er immerhin dort mehrere Monate habe unbehelligt leben können, falsch und widerspreche seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und seinem schriftsätzlichen Vortrag. Vielmehr seien zwischen seiner Flucht aus seinem Heimatdorf nach Bagdad und dem endgültigen Verlassen des Irak nur wenige Wochen vergangen. Auch im Übrigen habe das Verwaltungsgericht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht richtig gewertet.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B. v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrages schließen (BVerfG, B. v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238 zu BVerfGE 47, 182), sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, B. v. 23.7.2003 – 2 BvR 624/01 – NVwZ-RR 2004, 3; B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133/146; BayVerfGH, E. v. 7.7.2015 – Vf. 3-VI-15 – BayVBl 2015, 853 zu VerfGHE 47, 57).
Gemessen an diesen höchstrichterlichen Grundsätzen war dem Kläger das rechtliche Gehör nicht versagt. Wie aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht, hat sich das Verwaltungsgericht mit den vom Kläger geschilderten persönlichen Verhältnissen befasst (UA S. 6). Es ist aber zu der Einschätzung gelangt, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch für subsidiären Schutz vorliegen. Dabei hat es auch berücksichtigt, dass der Kläger seine ursprünglichen Angaben zur Inhaftierung und dem nachfolgenden Brandanschlag in der mündlichen Verhandlung präzisiert hat. Die Annahme des Bundesamts, der Kläger habe sich nach den Geschehnissen unbehelligt noch mehrere Monate im Irak aufhalten können, wird vom Verwaltungsgericht nicht wiederholt. Allerdings sieht es den klägerischen Vortrag auch in Hinblick auf die Datumsangaben weiterhin als vage an, nachdem der Kläger nur ungefähre Zeiträume nennen könne. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör jedoch grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, E. v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B. v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris; B. v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8). Insbesondere gewährt das Recht auf rechtliches Gehör keinen Anspruch darauf, dass gegnerisches Vorbringen berücksichtigt wird (BayVerfGH, E. v. 4.12.2012 – Vf. 17-VI-12 – VerfGH 65, 262).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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