Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  3 ZB 18.1697

Datum:
15.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1200
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 30, Art. 108 Abs. 8, Abs. 9 S. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Regelung des Art. 108 Abs. 8 BayBesG entfaltet keine echte Rückwirkung, weil sie nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip können aber Grenzen setzen, wenn etwa die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Umstand, dass der Gesetzgeber eine einheitliche Stichtagsregelung nicht getroffen hat, führt nicht dazu, dass die streitige Bestimmung willkürlich wäre. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 1 K 17.873 2018-06-12 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Juni 2018 wird der Streitwert für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf 37.869,70 ? und für das Antragsverfahren auf 38.183,26 ? festgesetzt.

Gründe

I.
1. In der Sache geht es um die Stichtagsregelung des Art. 108 Abs. 9 Satz 1 BayBesG, die beim Erlass des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410), das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, den Übergang von der alten Regelung (des früheren Bundesbesoldungsrechts) auf das neue Recht regeln sollte und durch eine Änderung der Absatzreihenfolge – ohne inhaltliche Veränderung – zum neuen Absatz 8 wurde (GVBl. 2018 S. 286). Die Bestimmung lautet:
1Anwärter und Anwärterinnen in Laufbahnen mit einem Eingangsamt der Besoldungsgruppen bis A 10, die sich am 31. Juli 2010 in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf befinden und ab dem 1. Januar 2011 in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden, erhalten ein Grundgehalt nach Anlage 3 mindestens in der Höhe, das sich unter Anwendung der §§ 27 bis 30 des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung ergibt.
2. Der 1973 geborene Kläger wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsinspektoranwärter und mit Wirkung zum 14. Oktober 2013 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsinspektor ernannt. Ab dem 14. Oktober 2013 erhielt der Kläger ein Grundgehalt aus der Besoldungsgruppe A 9/Stufe 1. Seinen Antrag, das Grundgehalt ab 14. Oktober 2013 aus der Stufe 7 zu berechnen, lehnte das Landesamt für Finanzen mit Bescheid vom 2. März 2017 und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2017 ab.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Juni 2018 ab. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Da der Kläger erst mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden sei, habe er sich zum 31. Juli 2010 nicht in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf befunden. Die Anwendung des Art. 108 Abs. 8 BayBesG sei daher nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ausgeschlossen. Dieses Ergebnis sei auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen zu korrigieren. Insbesondere verstoße die Regelung des Art. 108 Abs. 8 BayBesG nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht des Klägers auf amtsangemessene Alimentation oder das Rechtsstaatsprinzip. Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Stichtagsregelung nicht erfüllt, da er sich am 31. Juli 2010 nicht in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf befand. Seine Einwendungen hiergegen greifen sämtlich nicht durch:
a. Die Regelung des Art. 108 Abs. 8 BayBesG entfaltet keine echte Rückwirkung (zum Begriff siehe etwa BVerfG, B.v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – juris Rn. 42). Eine echte Rückwirkung liegt nur vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Antragsbegründung verkennt offensichtlich die Voraussetzungen für das Vorliegen einer echten Rückwirkung.
b. Die Bestimmung entfaltet für die Person des Klägers auch keine unechte Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn die Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betreffende Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerwG, U.v. 22.3.2018 – 7 C 30.15 – juris Rn. 35; BVerfG, B.v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07 – juris Rn. 43; BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – juris Rn. 151). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind aber erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, B.v. 10.10.2012 a.a.O.). Hier sind bereits keine Bestandsinteressen des Klägers betroffen. Die vom ihm zitierte verfassungsrechtliche Rechtsprechung (B.v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a. – juris Rn. 57) bezieht sich nur auf das Vertrauen der von der unechten Rückwirkung betroffenen Personen. Der Kläger ist aber von der streitigen Regelung nicht erfasst. Daran ändert auch nichts, dass er vor dem Stichtag eine Einstellungszusage (20.7.2010) erhalten hat. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Die bloße Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig fortbestehen, genießt keinen besonderen Schutz (BVerwG, U.v. 22.3.2018 a.a.O. Rn. 36).
c. Die Stichtagsregelung in Art. 108 Abs. 8 BayBesG ist weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Dass die Fraktionen Bündnis 90/Grüne und SPD einen anderen Stichtag (31.12.2010) präferierten und einen Vertrauensschutz auch gegenüber denjenigen gewährleistet wissen wollten, die ihre Ausbildung im öffentlichen Dienst vor Inkrafttreten des neuen Dienstrechts begonnen hatten, lässt die Entscheidung des Gesetzgebers nicht willkürlich erscheinen, sondern zeigt nur eine andere, aber rechtlich nicht zwingende Stichtagsregelung auf. Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber keine einheitliche Stichtagsregelung getroffen hat, führt nicht dazu, dass die streitige Bestimmung willkürlich wäre. Der Gesetzgeber durfte, worauf der Beklagte im Antragsverfahren zutreffend hingewiesen hat, im Hinblick auf die Verschiedenheit der Beamtenverhältnisse zwischen Beamten auf Widerruf, auf Probe und Lebenszeit unterscheiden und unterschiedliche Stichtage (31.12.2010 in Art. 106, 107 BayBesG) festlegen. Mit seinem Einwand, “dies sei als Differenzierungskriterium nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar”, legt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar.
d. Dass Anwärter in anderen Bundesländern teilweise eine Besserstellung gegenüber Anwärtern im Freistaat Bayern erfahren, liegt in den unterschiedlichen (föderalen) Gesetzgebungszuständigkeiten begründet.
e. Warum der Kläger meint, die Ziff. 3.1.5 der BayVwVBes sei für ihn günstig, erschließt sich dem Senat nicht. Der Kläger erhielt nach ab dem 14. Oktober 2013 ein Grundgehalt aus der ersten mit einem Wert ausgewiesenen Stufe der Besoldungsgruppe A 9. Das entspricht sowohl der Gesetzes- (Art. 30 BayBesG) als auch der Weisungslage.
2. Zu dem vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geht die Darlegung letztlich nicht über das hinaus, was zur Begründung der Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt ist. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens haben sich dabei nicht ergeben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 42 und 47 GKG, weil es um wiederkehrende Leistungen geht, wobei ein Rückgriff auf Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs im Hinblick auf § 42 GKG nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2019 – 3 C 16.1639 und 1820).
Für die Streitwertbemessung ist nach § 42 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG der dreifache Jahresbetrag des bei Klageerhebung geltend gemachten Anspruchs maßgebend unter Hinzurechnung der gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bei Einreichung der Klage fälligen Beträge (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2019 – 3 C 16.1639, 3 C 16.1820 – juris Rn. 9 ff.).
Die nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bei der Einreichung der Klage fälligen Beträge, auf die sich das Klagebegehren bezieht, belaufen sich ausweislich des Schreibens der Landesanwaltschaft Bayern vom 10. Januar 2020 auf 24.529,90 ?. Dem hinzurechnen sind nach § 42 Abs. 1 GKG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren 13.339,80 ? (370,55 ? x 36) und für das Antragsverfahren 13.653,36 ? (379,26 ? x 36).
Damit beträgt der Streitwert für das verwaltungsgerichtliche Verfahren 37.869,70 ? und für das Antragsverfahren 38.183,26 ?. Entsprechend war die erstinstanzliche Festsetzung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auf diesen Betrag zu ändern.
Mit diesem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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