Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Schülerbeförderungskosten

Aktenzeichen  7 ZB 19.1313

Datum:
1.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9643
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG Art. 3 Abs. 2 S. 8
SchBefV § 3 Abs. 2, Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Ist ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Art. 3 Abs. 2 S. 8 SchKfrG handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist, bei welcher eine Wiedereinsetzung selbst bei unverschuldeter Unkenntnis der gesetzlichen Frist in der Regel nicht möglich ist. (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Schülerbeförderungspflicht besteht kein freies Wahlrecht zwischen dem öffentlichen Personennahverkehr und der Erstattung bei Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 3 K 18.300 2019-06-03 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.144,32 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
I.
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Erstattung von Kosten für die Beförderung ihrer – auch im Schuljahr 2016/2017 einer Grundschule zugewiesenen – Tochter mit dem privaten Kraftfahrzeug. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, die Klage sei unbegründet, kumulativ auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt. Es hat im Wesentlichen argumentiert, ein Anspruch der Kläger bestehe bereits deshalb nicht, weil § 3 SchBefV davon ausgehe, dass der Aufgabenträger die Auswahl hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Beförderungsmöglichkeiten selbst treffe. Vorliegend hätten jedoch die Kläger die Entscheidung, ihre Tochter mit dem Privat-PKW zur Grundschule zu bringen, selbst getroffen, ohne dass diese Art der Beförderung jemals, insbesondere nicht für das streitgegenständliche Schuljahr, beantragt und von der Beklagten genehmigt worden sei. Es hätte der Beklagten oblegen, über die Art des Beförderungsmittels zu entscheiden und zwar auch für den Fall, dass die Tochter der Kläger subjektiv oder objektiv nicht in der Lage gewesen wäre, öffentliche Verkehrsmittel zur Schule zu nutzen. Als weitere selbständig tragende Begründung („abgesehen davon“) hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es ergebe sich nicht, dass die Beförderung mit dem privaten Kraftfahrzeug die einzig mögliche und/oder rechtmäßige gewesen und daher das Ermessen der Beklagten hinsichtlich der Auswahl des Beförderungsmittels auf Null reduziert gewesen wäre. Insbesondere seien andere Verkehrsmittel nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SchBefV nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher sei. Der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs sei – aus näher vom Verwaltungsgericht ausgeführten Gründen – weder wirtschaftlicher als das unzweifelhaft kostengünstigere öffentliche Verkehrsmittel noch sei der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs notwendig gewesen. Insbesondere aus dem förderdiagnostischen Bericht vom 6. März 2015, dem Zuweisungsbescheid des staatlichen Schulamts vom 7. September 2015 oder dem ärztlichen Attest vom 14. November 2017 ergebe sich nicht, dass die Tochter der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, den öffentlichen Personenverkehr zu nutzen. Ausweislich des Aktenvermerks vom 1. Juli 2015 benötige die Tochter der Kläger auch keinen Schulwegbegleiter. Weder die Tochter noch der Schulweg wiesen Besonderheiten auf, aufgrund derer die Tochter der Kläger zwingend von zu Hause zur Schule gebracht werden müsse und dies nur mit dem privaten Kraftfahrzeug möglich sei. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergebe sich weder aus Art. 3 SchKfrG noch sei die Beklagte zur Erstattung fiktiver Schülerbeförderungskosten verpflichtet. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht die Abweisung der Klage selbständig tragend („zudem“) darauf gestützt, dass die Kostenerstattung am 4. Dezember 2017 und damit entgegen Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG nicht bis 31. Oktober für das vorangegangene Schuljahr bei der Beklagten beantragt worden sei. Bei der Frist des Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG handle es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, für die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG nicht zum Tragen komme. Auch sei schon zweifelhaft, ob der Antrag formgerecht und inhaltlich schlüssig gestellt worden sei. Abgesehen davon seien auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht erfüllt. Letztlich hätten die Kläger auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung auf Basis einer Zusicherung. Eine die Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG – insbesondere das Schriftformerfordernis – erfüllende Zusicherung könne den Akten nicht entnommen werden. Jedenfalls liege diese nicht in der Niederschrift über die Aussage des Klägers zu 1 vom 22. Januar 2016, in der er sich auf eine lediglich mündliche Äußerung des Ersten Bürgermeisters vom 28. September 2015 beziehe.
Ist ein Urteil – wie vorliegend – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2016 – 3 B 38.16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 266; BayVGH, B.v. 1.7.2019 – 14 ZB 18.1542 – juris Rn. 7 m.w.N.). Ist der geltend gemachte Zulassungsgrund nur bezüglich einer Begründung gegeben, kann diese Begründung nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 Rn. 2).
Dem entspricht das Zulassungsvorbringen der Kläger nicht. Hinsichtlich der beiden selbständig tragenden Argumente – der Antrag auf Kostenerstattung sei verspätet gestellt und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich, weil es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG um eine materielle Ausschlussfrist handle (nachfolgend 1.) sowie ein Kostenerstattungsanspruch bestehe auch nicht aufgrund einer Zusicherung des Ersten Bürgermeisters (nachfolgend 2.) – legen die Kläger Zulassungsgründe nicht erfolgreich dar. Somit kommt es auf die Ausführungen der Kläger zu den weiteren tragenden Begründungen des Verwaltungsgerichts nicht an. Diese können nicht zur Zulassung der Berufung führen.
1. Hinsichtlich der Begründung des Verwaltungsgerichts, ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung sei (zudem) ausgeschlossen, da der Antrag auf Kostenerstattung für das Schuljahr 2016/2017 am 4. Dezember 2017 verspätet gestellt und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG bereits deshalb nicht möglich sei, weil es sich bei der Frist des Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKrfG um eine gesetzliche Ausschlussfrist handle, rechtfertigt der diesbezüglich einzig geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eine Zulassung der Berufung nicht.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nichtrevisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 4 ZB 19.1671 – juris Rn. 10 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung substantiiert darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Diesen Darlegungsanforderungen kommt das Zulassungsvorbringen nicht nach. Es reicht nicht aus, dass die Kläger eine Frage formulieren, die nach ihrer Auffassung grundsätzliche Bedeutung hat, ansonsten aber ohne weitere substantiierte Erläuterung lediglich abstrakt die weiteren Darlegungsanforderungen einer grundsätzlichen Bedeutung benennen.
Ungeachtet dessen ist die von den Klägern formulierte Frage, ob „im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG, bei einem Verstreichen der Antragsfrist, eine Wiedereinsetzung nach Art. 32 BayVwVfG möglich“ ist, nicht klärungsbedürftig. Denn eine Frage ist auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie zwar nicht ausdrücklich entschieden ist, bereits ergangene Entscheidungen aber ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der aufgeworfenen Frage geben (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 38 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 28.5.1997 – 4 B 91.97 – NVwZ 1998, 172). Dies ist vorliegend der Fall. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass materiellrechtliche Ausschlussfristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zulassen, wenn das einschlägige materielle Recht dies vorsieht (BVerwG, U.v. 3.6.1988 – 8 C 79.86 – NVwZ 1988, 1128). Unter einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist versteht man nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine vom materiellen Recht gesetzte Frist, deren Nichteinhaltung den Verlust einer materiellrechtlichen Rechtsposition zur Folge hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1993 – 6 C 10.92 – NVwZ 1994, 575 Rn. 16 m.w.N.). Sie ist für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich und steht nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, sofern das einschlägige Recht keine Ausnahme vorsieht. Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG um eine materielle Ausschlussfrist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem geklärt, dass materielle Ausschlussfristen, sofern sie wie vorliegend auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, auch im Bereich der Erstattung von Schülerbeförderungskosten möglich sind (BVerwG, U.v. 22.10.1993 – 6 C 10.92 – a.a.O.). Im Übrigen stellt auch Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG klar, dass Ausschlussfristen in jedem Fall einzuhalten sind, so dass bereits dem Gesetz zu entnehmen ist, dass eine Wiedereinsetzung selbst bei unverschuldeter Unkenntnis der gesetzlichen Frist in der Regel nicht möglich ist.
Dass Besonderheiten vorliegen, warum trotz Versäumung einer materiellen Ausschlussfrist im Rahmen einer Nachsichtgewährung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, tragen die Kläger nicht vor. Zwar bedient sich die Rechtsprechung im Falle schuldlos versäumter wiedereinsetzungsfeindlicher Fristen zur Gewährung materieller Gerechtigkeit des Instituts der Nachsichtgewähr. Es ist anerkannt, dass sich Behörden ausnahmsweise dann nicht auf die Versäumung einer die Anspruchsberechtigung vernichtenden Frist berufen dürfen, wenn sie die Einhaltung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (HessVGH, U.v. 13.9.2016 – 6 A 53/15 – juris Rn. 61 m.w.N.). Mit ihren in Bezug auf Art. 32 BayVwVfG geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigen die Kläger zwar Gründe auf, warum die Fristversäumung aus ihrer Sicht nicht verschuldet war, sie legen jedoch nicht dar, warum bei ihnen trotz Versäumung der materiellen Ausschlussfrist ausnahmsweise die Gewährung von Nachsicht in Betracht gekommen wäre. Ungeachtet dessen, ob der Vortrag im Schriftsatz vom 17. Februar 2020 noch rechtzeitig erfolgte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), lassen sich diesem keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der dazu führen würde, dass sie sich vorliegend nicht auf den Fristablauf berufen darf. Denn aus der Niederschrift über das Gespräch vom 22. Januar 2016 geht nicht hervor, dass die Beklagte ausdrücklich oder schlüssig zugesagt hätte, dass die Kläger die Frist des Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG nicht hätten einhalten müssen. Diese Niederschrift gibt lediglich die Auffassung der Kläger wieder, dass Fahrtkosten zu erstatten seien. Auch dem sonstigen Akteninhalt ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die Beklagte durch eigenes Fehlverhalten verhindert hätte, dass die Kläger ihren Antrag auf Kostenerstattung fristgerecht gestellt haben.
2. Hinsichtlich der Argumentation des Verwaltungsgerichts, ein Anspruch auf Kostenerstattung ergebe sich auch nicht auf Grundlage einer Zusicherung, rechtfertigt das Zulassungsvorbringen der Kläger ebenfalls keine Zulassung der Berufung. Der diesbezüglich geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Mit ihrem Einwand, „zu bestimmen ist der objektive Erklärungswert, d.h. wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form und nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung, analog §§ 157, 133 BGB, eine Erklärung der Behörde verstehen kann und durfte“, zeigen die Kläger keine ernstlichen Zweifel auf. Da Inhalt der Niederschrift vom 22. Januar 2016 allenfalls eine vom Kläger zu 1 wiedergegebene mündliche Erklärung des Ersten Bürgermeisters der Beklagten ist, kann es vorliegend nicht darauf ankommen, wie der Kläger zu 1 seine Erklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert verstehen durfte. Zusicherungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG der Schriftform. Dass der Erste Bürgermeister am 28. September 2015 ihnen gegenüber eine schriftliche Erklärung des behaupteten Inhalts abgegeben hat, behaupten die Kläger nicht.
II.
Lediglich ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Beklagte als Aufgabenträgerin erfüllt ihre Schülerbeförderungspflicht vorrangig mit Hilfe des öffentlichen Personennahverkehrs. Andere Verkehrsmittel sind nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher ist (§ 3 Abs. 2 SchBefV). Im Einzelfall kann sie zur Erfüllung ihrer Beförderungspflicht Wegstreckenentschädigung für den Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs anbieten (§ 3 Abs. 3 Satz 1 SchBefV). Aus diesen Regelungen folgt, dass wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur ausnahmsweise der Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs zulässig ist, nämlich soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher ist (§ 3 Abs. 2 Satz 2 SchBefV).
Hierfür ist es erforderlich, im Vorfeld einen Antrag auf Billigung der Privatfahrten bei der Behörde zu stellen. Denn es würde dem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Vorrang des öffentlichen Personennahverkehrs zuwiderlaufen, wenn, wie die Kläger wohl meinen, nach freier Wahl ein privates Kraftfahrzeug eingesetzt werden könnte und die Kosten dafür immer zu erstatten wären (BayVGH, B.v. 28.4.2008 – 7 ZB 07.1035 – juris Rn. 11). Ein solches eigenes Wahlrecht haben die Kläger gerade nicht.
Die Kläger haben im Vorfeld keinen entsprechenden Antrag gestellt. Sie haben zwar für insgesamt drei Schuljahre Fahrtkostenerstattung beantragt (20.3.2015 für 2014/2015, 3.6.2016 für 2015/2016, 4.12.2017 für 2016/2017). Diese Schreiben enthalten ausdrücklich jeweils nur einen Antrag auf „Erstattung der täglichen Fahrtkosten mit dem Privat-Pkw“ für das jeweils laufende Schuljahr. Auch aus der Niederschrift vom 22. Januar 2016 ist kein Antrag auf Billigung der Privatfahrten zu entnehmen.
Ein solcher Antrag war auch nicht entbehrlich. Die Beklagte hatte die private Schülerbeförderung nicht bereits gebilligt. Eine Billigung kann nicht aus der Kenntnis des tatsächlichen Umstands, dass die Kläger ihre Tochter in früheren Schuljahren mit ihrem Privatfahrzeug zur Schule gebracht haben, geschlossen werden. Aus dem Vermerk vom 17. März 2015 ist lediglich abzuleiten, dass die Beklagte zwar davon ausgegangen war, dass dem Grunde nach Beförderungskosten zu erstatten seien, nicht aber findet sich hierin bereits eine Billigung des Einsatzes des Privatfahrzeugs der Kläger.
Ferner war das Auswahlermessen der Beklagten nicht auf Null reduziert. Die private Schülerbeförderung mit dem Auto war nicht die einzig rechtlich mögliche Art der Beförderung. Die Beklagte hätte auch bei der Auswahl eines alternativen Verkehrsmittels jenseits des öffentlichen Personennahverkehrs ein Wahlrecht. Nach Aktenlage spricht nichts dafür, dass es der Tochter der Kläger unzumutbar war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder alternativen Verkehrsmitteln jenseits der privaten Beförderung zur Schule zu gelangen. Weder der Förderdiagnostische Bericht vom 6. März 2015 noch das ärztliche Attest von Frau Dr. Sch. vom 14. November 2017 weisen auf eine dies rechtfertigende gesundheitliche Einschränkung hin. Nach Einschätzung des Staatlichen Schulamts war auch ein Schulwegbegleiter nicht nötig. Warum also andere alternative Beförderungsmöglichkeiten (insbes. Schulbus oder Sammeltaxi) von vornherein hätten ausscheiden sollen, ist nicht ersichtlich.
Der Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs war vorliegend auch nicht deshalb ausnahmsweise notwendig (§ 3 Abs. 2 Satz 2 SchBefV), weil sich dadurch die regelmäßige Abwesenheitsdauer von der Wohnung an mindestens drei Tagen in der Woche um jeweils mehr als zwei Stunden verkürzt hätte (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2005 – 7 B 02.2005 – juris LS 1). Es wäre der Schülerin möglich gewesen, mit dem Bus RBO 6043 um 7.24 Uhr zur Schule und um 13.24 Uhr zurück nach Hause zu fahren. Der tägliche Schulweg hätte sich folglich insgesamt auf deutlich unter zwei Stunden belaufen, unabhängig davon, dass die Fahrtdauer mit dem Privatfahrzeug für die Vergleichsberechnung (18 Minuten einfach) in Abzug zu bringen wäre. Bei Abfahrt im Heimatort mit dem Regionalbus um 7.24 Uhr hätte die Tochter der Kläger um 7.55 Uhr und damit rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn (8.00 Uhr) in der A.-Grundschule sein können. Zwar wird aus pädagogischer Sicht empfohlen, dass die Kinder bereits zwischen 7:45 und 7:55 Uhr anwesend sein sollten, um die sog. Vorviertelstunde nutzen zu können. Jedoch handelt es sich dabei lediglich um ein Angebot der Schule in Form einer pädagogischen Empfehlung, an dem die Tochter der Kläger nicht verpflichtend teilnehmen musste. Damit die sog. „Buskinder“ ihre Verkehrsmittel nach Schulschluss erreichen, ermöglicht die Schule diesen, mittags bereits drei Minuten früher aufzubrechen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wäre der Tochter der Kläger also möglich und zumutbar gewesen.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO
Streitwertfestsetzung: § 52 Abs. 3 Satz 1 VwGO


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