Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Nichtvorliegens eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  20 ZB 15.30138

Datum:
3.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45798
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 I 2 Nr. 3, 78 III Nr. 2, 3
VwGO § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

An einer Begründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO fehlt es nicht schon dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 14.30637 2015-05-18 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war abzulehnen, da weder der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) noch die beklagte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) der streitgegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vorliegt.
1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel der fehlenden Begründung der Entscheidung (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 6 VwGO) liegt tatsächlich nicht vor. Eine Entscheidung ist nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn die Begründung entweder überhaupt nicht erfolgt ist oder wenn sie zu wesentlichen Streitpunkten unterblieben ist. Nur dann, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, fehlt es an einer Begründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO. Eine Begründung fehlt in diesem Sinne nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind (Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 56). Nach diesem Maßstab ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO „nicht mit Gründen versehen“.
So führt das Verwaltungsgericht auf Seite 9 des Urteils vom 18. Mai 2015 (Rn. 29) aus, dass seiner Auffassung nach in ganz Somalia ein derart hoher Gefahrengrad bestehe, dass jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben ausgesetzt ist. Das Verwaltungsgericht kommt also in der Begründung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wie sie insbesondere auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt sind, vorliegen. Im Weiteren führt das Verwaltungsgericht auch unter Bezugnahme auf mehrere im Einzelnen konkret benannte Quellen zum Ausmaß der Gewalt aus. Zu dem Aspekt, dass die diesen Quellen vorliegenden Zahlen aufgrund der schlechten Auskunftslage für Somalia kein vollständiges Bild der quantitativen Gefahr für Leib und Leben einer Zivilperson abgeben, führt das Verwaltungsgericht auch mehrfach (vgl. S. 10 insb. Rn. 31) aus, dass die Zahl der tatsächlichen Todesopfer tatsächlich wohl höher liege als in den Auskünften beziffert ist, dass also eine hohe Dunkelziffer bestehen dürfte. Daneben stellt das Verwaltungsgericht fest, dass in der Person des Klägers gefahrerhöhende Umstände bestehen. Das Verwaltungsgericht geht daher auf die wesentlichen Prüfungsschritte für die Annahme des subsidiären Schutzstatus ein. Von einer gänzlich lückenhaften Urteilsbegründung, in der auf einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile überhaupt nicht eingegangen würde, kann daher keineswegs die Rede sein. Im Ergebnis bemängelt die Beklagte nur die Art und Weise, wie das Verwaltungsgericht zu seiner Einschätzung zur subsidiären Schutzberechtigung gelangt. Eine fehlende Urteilsbegründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO liegt daher nicht vor.
2. Aber auch eine Divergenz von einer Entscheidung eines Obergerichts nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt nicht vor. Voraussetzung für eine Divergenz ist grundsätzlich, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil einen Rechtssatz aufstellt, der von einem Rechtssatz des jeweiligen Obergerichtes abweicht (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 78 AsylG, Rn. 19). Keine Divergenz begründet jedoch die lediglich unrichtige Anwendung eines Rechtssatzes (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42 unter Verweis auf BVerwG, NVwZ 1997, 191).
Die Beklagte argumentiert im Antragsschriftsatz (S. 5), dass das Verwaltungsgericht ersichtlich von dem Rechtssatz ausgehe, auf die Voraussetzungen für das Vorliegen einer zum Anspruch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG beachtlichen Wahrscheinlichkeit könne sich eine wertende Gesamtbetrachtung auch dann auswirken, wenn die nötige Eintrittsschwelle nach der Relation der Opferzahlen zur Zivilbevölkerung weit entfernt sei, so dass auch in diesem Fall die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit möglich sei. Dieser Rechtssatz lässt sich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2015 nicht entnehmen. Denn das Verwaltungsgericht geht in der genannten Entscheidung ersichtlich von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum subsidiären Schutz im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts aus (vgl. Rn. 26 d. Urteils v. 18.5.2015 und die dort zitierten Gerichtsentscheidungen). Das Verwaltungsgericht begründet unter Nennung verschiedener Zitate aus Auskunftsdokumenten, weshalb es im Falle des Klägers von gefahrerhöhenden Umständen ausgeht und weshalb es von einem konkreten Risiko für Leib und Leben des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgeht. Dass es dagegen, wie die Beklagte argumentiert, davon ausgeht, dass ein derartiges Risiko aufgrund wertender Betrachtung auch dann vorliege, wenn die zahlenmäßige Relation zwischen Gesamtbevölkerung und Todesfällen weit unterhalb der „Eintrittsschwelle“ liege, lässt sich dem aber nicht entnehmen.
Im Ergebnis bemängelt die Beklagte, dass das Verwaltungsgericht das Risiko für das Leben oder die Unversehrtheit einer Zivilperson, konkret des Klägers, unzutreffend ermittelt hat. Damit werden letztlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend gemacht. Diese stellen aber nach der abschließenden Regelung des § 78 Abs. 3 AsylG keinen Berufungszulassungsgrund dar.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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