Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag zur Übertragung der Notdienstverpflichtung von Filial- auf Hauptapotheke

Aktenzeichen  22 ZB 20.1035

Datum:
17.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19001
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ApBetrO § 23 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2

 

Leitsatz

Allein die Nähe zur Bereitschaftspraxis reduziert das durch § 23 Abs. 2 ApBetrO eröffnete Ermessen nicht dergestalt, dass einem Antrag auf Genehmigung der Übernahme von Notdiensten der Filialapotheken durch die Hauptapotheke stattgegeben werden muss. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 18.6095 2019-11-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Für das Zulassungsverfahren wird der Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger macht einen Anspruch auf Übertragung von Notdiensten von Filialapotheken auf die von ihm betriebene Hauptapotheke geltend.
Mit Bescheid vom 28. November 2018 erteilte die beklagte Bayerische Landesapothekerkammer dem Kläger die Genehmigung zur Übertragung der Notdienste an drei Samstagen im Jahr 2019 von einer Filialapotheke auf die vom Kläger betriebene Hauptapotheke. Der entsprechende Genehmigungsantrag des Klägers vom Oktober 2018 wurde dagegen abgelehnt, soweit er weitergehend die Übertragung der Notdienste derselben Filialapotheke an einem weiteren Samstag sowie einer weiteren Filialapotheke an drei Samstagen jeweils im Jahr 2019 betraf.
Mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 13. September 2019 wurde ein weiterer Antrag des Klägers vom August 2019 auf die Genehmigung der Übertragung des Notdienstes von den zwei Filialapotheken auf die Hauptapotheke an insgesamt drei Sonntagen im Jahr 2019 abgelehnt.
Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 28. November 2018 am 13. Dezember 2018 eine Verpflichtungsklage, in die er mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 den Bescheid vom 13. September 2019 einbezog. Zuletzt begehrte er in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2019 zum einen die Verpflichtung der Beklagten, den auf den 22. Dezember 2019 entfallenden Notdienst einer Filialapotheke auf die Hauptapotheke zu übertragen, hilfsweise, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden. Zum anderen beantragte der Kläger die Feststellung, dass der Kläger einen Anspruch auf Übertragung der weiteren Notdienste von den Filialapotheken auf die Hauptapotheke im für das Jahr 2019 beantragten Umfang hatte, hilfsweise, dass er einen Anspruch auf Neubescheidung im gleichen Umfang hatte.
Mit Urteil vom 26. November 2019 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder Anspruch auf die beantragte Übertragung des Notdienstes am 22. Dezember 2019, noch auf Neubescheidung seines Antrags. Das Begehren des Klägers beurteile sich nach § 23 Abs. 2 ApBetrO, dessen Tatbestand erfüllt sei. Dass bei einer Verlagerung des Notdienstes von der betreffenden Filialapotheke auf die nur wenige Meter entfernt gelegene Hauptapotheke die Arzneimittelversorgung weiterhin gesichert sei, sei unstreitig. Es bedürfe vorliegend, wie die Beklagte zutreffend erkannt habe, auf der Tatbestandsebene keines berechtigten Grundes für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft an einem Sonntag. Die Ermessensausübung im Bescheid vom 13. September 2019 begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte habe ihr Ermessen erkannt, ihre Entscheidung am Zweck der Norm ausgerichtet und die entscheidungserheblichen Umstände, einschließlich der Grundrechtsposition des Klägers aus Art. 12 GG, nicht fehlgewichtet. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte bei der Ermessensausübung die Verlagerung von Notdiensten innerhalb eines FiliaIverbundes an das Vorliegen eines berechtigten Grundes knüpfe. Die dahingehende, vom Vorstand der Beklagten gebilligte Grundsatzentscheidung stelle der Sache nach eine generalisierte Ausübung des nach § 23 Abs. 2 ApBetrO eingeräumten Ermessens dar, in der die Beklagte die zu treffenden Einzelentscheidungen vorstrukturiere. Damit werde erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass Befreiungen von der Pflicht zur Dienstbereitschaft, die über die mit der Allgemeinverfügung vom 12. Juni 2012 ohnehin gewährten allgemeinen Befreiungen hinausgingen, nur aus singulären Anlässen möglich seien, aber nicht zu Dauerbefreiungen allein deshalb führen könnten, weil sie betriebswirtschaftlich vorteilhaft seien. Auch die Ermessenserwägungen der Beklagten im Einzelnen würden sich als ermessensfehlerfrei erweisen. Die Beklagte habe ihre Entscheidung an Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in Urteilen vom 26. Mai 2011 (Az. 3 C 21.10 und 3 C 22.10) ausgerichtet, wenn sie maßgeblich auf die unerwünschte Entwicklung von Schwerpunktapotheken sowie die gleichmäßige Verteilung der Notdienstapotheken auf das Gebiet des Notdienstkreises abstelle. Besondere Gründe von derartigem Gewicht, dass sie ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten würden, habe der Kläger nicht aufgezeigt. Sein Verweis auf die Nähe der Hauptapotheke zu einer ärztlichen Bereitschaftspraxis würde gegenüber den von der Beklagten genannten gegenläufigen Gesichtspunkten nicht durchgreifen. Soweit der Kläger eine besondere Abstimmung des Warenlagers der Hauptapotheke auf die Bereitschaftspraxis benenne, habe die Beklagte zu Recht auf die normativ gebotene Vorratshaltung (§ 15 ApBetrO) verwiesen. Zusammengefasst führe der Kläger im Kern betriebliche und wirtschaftliche Vorteile ins Feld. Diesen könne jedoch entgegengehalten werden, dass die Gestaltung des Notdienstes kein Instrument sei, um die Wettbewerbssituation zwischen den teilnehmenden Apotheken zu verändern, sondern darauf angelegt sein solle, die Belastungen und Nachteile, die die Teilnahme am Notdienst zwangsläufig mit sich bringe, möglichst gleichmäßig – und somit möglichst wettbewerbsneutral – auf alle Apotheken zu verteilen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht durch normative oder faktische Entwicklungen überholt. Soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass er hinsichtlich der übrigen, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits in der Vergangenheit liegenden Notdienste seiner Filialapotheken an Samstagen und Sonntagen einen Anspruch auf Übertragung auf die Hauptapotheke, hilfsweise auf Neubescheidung gehabt habe, sei die Klage unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sind.
1. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
a) Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn durch den Vortrag des Rechtsmittelführers ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f. m.w.N.).
b) Der Kläger meint im Wesentlichen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten seien ermessensfehlerfrei ergangen. Es sei rechtlich zu beanstanden, wenn aufgrund einer generalisierten Ausübung des nach § 23 Abs. 2 ApBetrO eingeräumten Ermessens bestimmte Kriterien im Einzelfall nicht oder nicht ordnungsgemäß gewürdigt werden könnten. In den vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 26. Mai 2011 – 3 C 21.10 und 3 C 22.10 – entschiedenen Fällen möge eine generalisierte Ausübung dergestalt möglich gewesen sein, dass die Richtlinien bestimmte berechtigte Gründe definierten, die im Einzelfall zu Befreiungen führen könnten, nicht hingegen zu einer dauerhaften Befreiung auf der Basis rein betriebswirtschaftlicher Erwägungen. Das Gericht habe sich jedoch nicht zu der Frage geäußert, wie solche Richtlinien zu bewerten seien, wenn weitere Aspekte hinzutreten würden, die im Interesse der Allgemeinheit eine Verlagerung des Notdienstes begründeten, wie vorliegend zum Beispiel die räumliche Nähe von Bereitschaftspraxis und Hauptapotheke. Der Regelung in § 23 Abs. 2 ApBetrO und den Gemeinwohlbelangen einer hochwertigen und flächendeckenden Arzneimittelversorgung werde nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn das Verwaltungsgericht an die Bewilligung einer Ausnahme im Rahmen der Ermessensentscheidung strengere Anforderungen stelle als an sonstige Befreiungen von der Betriebspflicht außerhalb der üblichen Öffnungszeiten.
Aus den Darlegungen des Klägers ergeben sich keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Verlagerung von Notdiensten im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 2 ApBetrO dann nicht vom Vorliegen eines berechtigten Grundes abhängig gemacht werden dürfte, wenn die Verlagerung einem öffentlichen Interesse dienen soll. Das öffentliche Interesse kann ggf. einen solchen berechtigten Grund für eine Verlagerung von Notdiensten darstellen und im Rahmen der Ermessensentscheidung der Beklagten entsprechend berücksichtigen werden.
Hiervon ist ersichtlich auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Es hat ausgeführt (UA S. 13 f.), der Verweis des Klägers auf die Nähe seiner Hauptapotheke zu einer ärztlichen Praxis würde gegenüber den von der Beklagten genannten gegenläufigen Gesichtspunkten nicht durchgreifen. Soweit der Kläger eine besondere Abstimmung des Warenlagers der Hauptapotheke auf die Bereitschaftspraxis benenne, habe die Beklagte zu Recht auf die normativ gebotene Vorratshaltung (§ 15 ApBetrO) verwiesen. Zusammengefasst führe der Kläger im Kern betriebliche und wirtschaftliche Vorteile ins Feld. Diesen könne jedoch entgegengehalten werden, dass die Gestaltung des Notdienstes kein Instrument sei, um die Wettbewerbssituation zwischen teilnehmenden Apotheken zu verändern, sondern darauf angelegt sein solle, die Belastungen und Nachteile, die die Teilnahme am Notdienst zwangsläufig mit sich bringe, möglichst gleichmäßig und somit möglichst wettbewerbsneutral auf alle Apotheken zu verteilen. Das Verwaltungsgericht ist entsprechend zur Bewertung gelangt, dass die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden ist (UA S. 11 ff.).
Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nicht, weshalb die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten entgegen dieser Bewertung des Verwaltungsgerichts ermessensfehlerhaft sein sollten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der von ihm betonte Vorteil einer Nähe der Hauptapotheke zur Bereitschaftspraxis Vorrang gegenüber denjenigen Gründen eingeräumt werden müsste, die gegen eine Verlagerung des Notdienstes sprechen. Unabhängig davon überzeugt die Behauptung des Klägers nicht, gerade die von ihm angestrebte Verlagerung des Notdienstes diene einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sowie Gesundheitsdienstleistungen. Zwar leuchtet ein, dass die räumliche Nähe der ggf. den Notdienst versehenden Hauptapotheke einen Vorteil für die Patienten der Bereitschaftspraxis darstellen kann. Für Kunden der Filialapotheken dagegen bedeutet eine Verlagerung des Notdienstes zur von ihrer Wohnung weiter entfernten Hauptapotheke tendenziell einen Nachteil. Im Bescheid der Beklagten vom 28. November 2018 (dort S. 5 f.) wurde dazu ausgeführt, nach der Statistik „Die Apotheke, Zahlen, Daten, Fakten, 2018“ der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sei festzuhalten, dass ein Großteil der im Nacht- und Notdienst erworbenen Präparate rezeptfrei seien (ca. 39%), also häufig weder ein Arztbesuch noch der ärztliche Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen werde. Bei dem Anteil der eingelösten rezeptpflichtigen Arzneimittel sei es auch so, dass diese häufig nicht aus einer Bereitschaftspraxis kämen, sondern die Verordnungen oft bereits unter der Woche ausgestellt und dann erst im Notdienst eingelöst würden. Insoweit sei die Nähe bestimmter Apotheken zu einer Bereitschaftspraxis bei der Einteilung des Apothekendienstes kein maßgebliches Kriterium. Darüber hinaus möge die Hauptapotheke des Klägers zwar näher an der Bereitschaftspraxis liegen als die zwei Filialapotheken und daher für einen Patienten, der die Bereitschaftspraxis in Anspruch nehmen müsse, bequemer zu erreichen sein. Für einen anderen Patienten möge allerdings eine der Filialapotheken günstiger gelegen sein. Die gleichmäßige Verteilung der Notdienste auf alle Apotheken des Kreises diene auch der gleichmäßigen Begünstigung aller Einwohner.
d) Weiter rügt der Kläger, der Verordnungsgeber habe angenommen, dass § 23 Abs. 2 ApoBetrO bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Verlagerung von Notdiensten innerhalb eines Filialverbundes bereits zulasse; dies solle auch ohne einen singulären Anlass möglich sein, solange die Bevölkerung in ländlichen Regionen dadurch nicht durch längere Wege belastet würde. Deshalb sei im Rahmen der letzten Novelle der ApoBetrO im Jahr 2012 – entgegen dem ursprünglichen Verordnungsentwurf – keine Veranlassung gesehen worden, eine Verlagerung von Notdiensten unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb von Filialapothekenverbünden zu ermöglichen.
Das Gericht hat dazu ausgeführt (UA S. 14 f.), die Äußerungen im Verfahren zum Erlass der Vierten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung würden keine Rückschlüsse auf den Willen des historischen Gesetzgebers zulassen, der (allein) bei der Auslegung der Norm berücksichtigt werden könnte; diese Vorschrift sei bei dieser Gelegenheit gerade nicht geändert worden. Der Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 61/1/12, Empfehlung des Gesundheitsausschusses zu Art. 1 Nr. 26), dessen Zustimmung nach § 21 ApoG erforderlich gewesen sei, lasse sich zusammengefasst allein entnehmen, dass der Bundesrat keinen Sonderregelungsbedarf gesehen habe und im Übrigen in der vorgeschlagenen Änderung eine Abkehr von dem Grundsatz der angemessenen und gleichmäßigen Beteiligung aller Apotheken am Notdienst gesehen habe, der er normativ keinen Vorschub habe leisten wollen. Für eine Einschränkung oder Vorstrukturierung der Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 2 ApoBetrO im Einzelfall gebe dies nichts her.
Diese Bewertung wird durch die klägerischen Darlegungen nicht infrage gestellt. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Stellungnahme des Bundesrates (a.a.O., S. 19 f.) betraf die von der Bundesregierung vorgeschlagene Ergänzung des § 23 Abs. 2 ApoBetrO um einen zweiten Satz, womit eine Verlagerung von Notdiensten unter bestimmten Voraussetzungen (berechtigtes Interesse, angemessene Entfernung zwischen den Apotheken und Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln) innerhalb von Filialapothekenverbünden ermöglicht werden sollte. In der Stellungnahme heißt es insbesondere, es sei bereits jetzt im Einzelfall möglich, von der Dienstbereitschaft zu befreien, insofern bestehe kein Sonderregelungsbedarf. Dass eine Hauptapotheke und bis zu drei zusätzliche Filialapotheken im Rahmen einer Apothekenbetriebserlaubnis betrieben würden, habe allein verwaltungstechnisch-organisatorische Gründe und begründe in keiner Weise eine unterschiedliche Regelung von Haupt- und Filialapotheken im Rahmen der Apothekenbetriebsordnung. Gerade durch die Ablehnung der vorgeschlagenen Neuregelung wird deutlich, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Vierten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 die Übertragung von Notdiensten innerhalb eines Filialverbunds gegenüber der bisher geltenden Rechtslage nicht erschweren, aber auch nicht erleichtern wollte. Dies gilt auch für den Ermessensspielraum bei Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 ApoBetrO, wie er nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2011 – 3 C 21.10 und 3 C 22.10 – besteht.
e) Der Kläger meint zudem, § 23 Abs. 2 ApoBetrO sei wie § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2 ApoBetrO als Ausnahmeregelung zu verstehen, die – wie sich aus der Historie der Verordnungsgebung ergebe – auch ausdrücklich auf Filialverbünde zu beziehen sei. Träten wie vorliegend noch Interessen der Allgemeinheit an einer Notdienstverlagerung hinzu, sei von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen, jedenfalls aber von einem intendierten Ermessen. Die Historie belege, dass der Verordnungsgeber die Filialverbundenheit und damit die kaufmännischen Entscheidungen des Filialleiters, die Nacht- und Notdienste in einer seiner Apotheken zu konzentrieren, per se als hinreichend berechtigte Gründe im Sinne von § 23 Abs. 2 ApoBetrO anerkannt habe. Nur in solchen Fällen, in denen in ländlichen Regionen aufgrund der Entfernung der Filialapotheken zueinander zu befürchten gewesen wäre, dass Teilen der Bevölkerung dauerhaft längere Wege zugemutet würden, sollte ausnahmsweise hiervon abgewichen werden.
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt (UA S. 15), wenn § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2 ApoBetrO es Apotheken erlaube, Rezepturarzneimittel in einem Filialverbund zu beziehen und damit die Rezepturherstellung auf eine Apotheke im Filialverbund zu verlagern, beruhe das auf einer ausdrücklichen Regelung des Verordnungsgebers, der die Entscheidung darüber allein der unternehmerischen Freiheit des Apothekeninhabers überlasse. Die Entscheidung über die Verlagerung des Notdienstes im Filialverbund hingegen habe der Verordnungsgeber in das Ermessen der Behörde gestellt und die unternehmerische Freiheit des Apothekeninhabers insoweit begrenzt. Die Grundentscheidung des Verordnungsgebers, nach der jede Apotheke, gleich ob Haupt- oder Filialapotheke, als „Vollapotheke“ alle Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung nicht nur formal erfüllen, sondern auch tatsächlich wahrnehmen solle, sei somit allein für den Bereich der Rezepturherstellung punktuell zurückgenommen.
Die klägerischen Darlegungen erwecken keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Bewertung des Verwaltungsgerichts. Wie sich u.a. aus der oben zitierten Stellungnahme des Bundesrats ergibt, wollte der Verordnungsgeber im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 2 ApoBetrO gerade keine Sonderregelung für Apotheken im Filialverbund schaffen, anders als im Falle des § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2 ApoBetrO. Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist zudem nicht nachvollziehbar, inwieweit im vorliegenden Fall ein allgemeines Interesse an einer Verlagerung des Notdienstes auf die Hauptapotheke vorliegen sollte, wie der Kläger meint. Wenn der Kläger weiter annimmt, eine Konzentration der Durchführung von Notdiensten würde eine verbesserte Arzneimittelversorgung ermöglichen, entspricht dieser Ansatz gerade nicht dem der Apothekenbetriebsordnung zugrundeliegenden Zielsetzung der sogenannten Vollapotheke. Unabhängig davon hat der Kläger auch nicht nachvollziehbar aufgezeigt, inwieweit eine Apotheke, die häufiger als andere Nachtdienste durchführt, eine bessere Versorgungsqualität bieten würde.
f) Schließlich hebt der Kläger hervor, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2020 – 3 C 16.18 – habe die Bedeutung betont, welche den Interessen der Allgemeinheit an der Arzneimittelversorgung bei der Anwendung der Apothekenbetriebsordnung zukomme; das angefochtene Urteil, in dem dieses Interesse keine Berücksichtigung finde, sei bereits insoweit rechtsfehlerhaft.
Aus diesem Vortrag ergibt sich bereits nicht entsprechend dem Darlegungserfordernis gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, inwieweit das Verwaltungsgericht das öffentliche Interesse an der Arzneimittelversorgung entgegen konkreter gesetzlicher Bestimmungen unzureichend berücksichtigt hätte. Unabhängig davon hat der Kläger – wie vorstehend bereits ausgeführt – nicht schlüssig aufgezeigt, inwieweit die von ihm betonten Interessen der Patienten der zur Hauptapotheke nahegelegenen Bereitschaftspraxis mit dem Versorgungsinteresse der Allgemeinheit gleichzusetzen wären.
2. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der weiter behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vorliegt.
Er meint, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der von ihm angenommene Wille des Verordnungsgebers der ApoBetrO im Rahmen der Ermessenserwägungen der zuständigen Behörde Berücksichtigung finden müsse. Ferner sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann Geltung beanspruchen könne, wenn nicht wirtschaftliche Interessen des jeweiligen Apothekeninhabers, sondern im Wesentlichen oder sogar ausschließlich die Interessen der Allgemeinheit für eine Notdienstverlagerung sprächen. Es sei außerdem absehbar, dass mit zunehmender „Filialisierung der Apothekenlandschaft“ das Interesse an derartigen Notdienstverlagerungen steige.
Damit hat der Kläger nicht aufgezeigt, inwieweit sich vorliegend eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellen würde. Im Zuge der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung wollte der Verordnungsgeber die Voraussetzungen für die Übertragung von Notdiensten auf der Grundlage des § 23 Abs. 2 ApoBetrO gerade nicht ändern, wie vorstehend bereits näher ausgeführt wurde. Weiter hat der Kläger nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass im vorliegenden Fall die von ihm beantragte Übertragung von Notdiensten im Wesentlichen oder sogar ausschließlich Interessen der Allgemeinheit dienen sollte. Zum einen dient nach der Einschätzung des Verordnungsgebers gerade die gleichmäßige Verteilung von Notdiensten auf alle Apotheken dazu, möglichst einer Versorgung der Bevölkerung insgesamt Rechnung zu tragen. Zum anderen kann daraus, dass der Kläger seine Befreiungsanträge nach § 23 Abs. 2 ApoBetrO auch mit Interessen der nahegelegenen Bereitschaftspraxis und deren Patienten begründet hat, nicht geschlossen werden, dass damit nicht zumindest ebenso seinen legitimen wirtschaftlichen Interessen Rechnung getragen werden soll. Eine Rechtssache gewinnt schließlich nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung, dass der zugrundeliegende Sachverhalt möglicherweise einer größeren Zahl vergleichbarer Fälle entspricht. Die sich vorliegend stellenden Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris; BayVGH, B.v. 18.10.2011 – 22 BV 10.1820 – juris) bereits geklärt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert bemisst sich nach § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben