Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Erteilung einer Verfahrensduldung

Aktenzeichen  M 25 E 21.4686

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
EMRK Art. 8
AufenthG § 10 Abs. 3, § 25 Abs. 5, § 28 Abs. 1 Nr. 1, § 60a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Da Asylbewerber nach Abschluss ihres Asylverfahrens bei Beantragung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck der Visumpflicht unterliegen und eine Befreiung vom Erfordernis der Einreise mit dem entsprechenden Visum nur im Ermessenswege in Betracht kommt, greift auch in diesen Fällen die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des erforderlichen Visumverfahrens üblicherweise einhergehender Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in das Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Duldung zunächst für die Dauer von drei Monaten.
Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 6. Oktober 2014 ins Bundesgebiet ein und stellte hier am 3. August 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 wurde sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gestellte Eilantrag wurde mit Beschluss vom 21. März 2017 abgelehnt. Die ebenfalls erhobene Klage wurde mit Urteil vom 3. Mai 2017 als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Der Antragsteller ist seit 21. März 2017 vollziehbar ausreisepflichtig.
Vom 11. September 2017 bis 10. August 2020 war der Antragsteller untergetaucht. Am 17. April 2020 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Antrag auf Wiederaufgreifen seines Asylverfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2020 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Klage blieb ohne Erfolg.
Am 28. Oktober 2020 legte der Antragsteller beim Antragsgegner seinen pakistanischen Reisepass vor, der am 6. Februar 2020 ausgestellt wurde und bis 4. Februar 2025 gültig ist und zeigte seine beabsichtigte Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen an.
Der Antragsteller erhielt am 1. September 2020 eine Duldung, die nach Verlängerung bis zum 11. Januar 2020 gültig war. In der Folgezeit erhielt der Antragsteller eine Grenzübertrittsbescheinigung zur freiwilligen Ausreise mit einer Ausreisefrist bis 22. Februar 2021, die bis 22. April 2021 verlängert wurde. Danach erhielt der Antragsteller von 22. April 2021 bis 9. Juli 2021 wegen der bevorstehenden Eheschließung wiederum eine Duldung, danach wieder Grenzübertrittsbescheinigungen, deren Ausreisefrist fortlaufend bis 15. Oktober 2021 verlängert wurde.
Am 4. Januar 2021 registrierte sich der Antragsteller bei der Deutschen Botschaft in I* … zur Terminvergabe zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung.
Die Eheschließung des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen erfolgte am 9. Juli 2021.
Mit Schreiben vom 3. September 2021 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zunächst für die Dauer von 3 Monaten zu erteilen.
Zur Begründung trug der Bevollmächtigte im Wesentlichen vor, dass der Antragsteller bereit sei, das Visumsverfahren nachzuholen. Allerdings gebiete der dem Antragsteller zustehende Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG, dass der Antragsteller die Wartezeit im Bundesgebiet verbringen dürfe, zumal die Wartezeit wegen der Antragsflut von afghanischen Staatsangehörigen zwei bis zweieinhalb Jahre betragen dürfte. Die Angaben auf der Internetseite der Botschaft in I… würden in keinster Weise mit der Realität übereinstimmen. Zudem leide die Ehefrau an schwerwiegenden Erkrankungen (HIV und rezidivierende depressive Störung), die eine so lange Trennungsdauer unzumutbar machten. Es könne den Eheleuten auch nicht zugemutet werden, dass sie die gesamte Zeit in Pakistan verbrächten, da die Ehefrau dann ihre Arbeit und ihre Wohnung aufgeben müsste. Deshalb sei dem Antragsteller eine Duldung für die Wartezeit bis zum Termin bei der Botschaft zu erteilen.
Mit Schreiben vom 20. September 2021 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Ein Duldungsgrund liege nicht vor. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig. Es sei grundsätzlich mit Art. 6 GG vereinbar, dass die Eheleute für den Zeitraum des Visumsverfahrens getrennt seien. Der Antragsgegner sei bereit, eine Vorabzustimmung zu erteilen. Die notwendige Dokumentenprüfung sei zudem schon im Rahmen der Eheschließung erfolgt. Gleichwohl sehe der Antragsgegner auf Grund der beim Bayerischen Landtag gestellten Petition von einer Abschiebung bis zur Entscheidung im Petitionsausschuss ab. Mit einer Entscheidung sei ab Oktober 2021 zu rechnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, also der Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
1. Vorliegend ist bereits kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da der Antragsgegner zugesichert hat, dass er von einer Abschiebung bis zum Abschluss des Petitionsverfahrens absehe. Mit einer Entscheidung ist ab Oktober 2021 zu rechnen. Aus diesem Grund liegt eine besondere Eilbedürftigkeit nicht vor.
2. Überdies hat der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch auf Aussetzung der Abschiebung (Erteilung einer Duldung) glaubhaft gemacht.
Gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
a. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine Verfahrensduldung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (effektiver Rechtsschutz als rechtliches Abschiebungshindernis; § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG).
Grundsätzlich kann vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Einreise ohne das erforderliche Visum nur gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder an der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 10 CE 20.404 – Rn. 11 unter Verweis auf VGH BW, B.v. 20.9.2018 – 11 S 1973/18 – juris Rn. 21).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Ein solcher ist jedoch gem. § 82 Abs. 1 AufenthG zwingende Voraussetzung.
Im Übrigen scheitert die Erteilung eines Aufenthaltstitels an der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist, vor seiner Ausreise nur ein Aufenthaltstitel nach dem 5. Abschnitt des AufenthG erteilt werden oder wenn er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat, § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG besteht vorliegend nicht.
„Gesetzlicher Anspruch“ in diesem Sinne ist nur ein Anspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Ein Anspruch liegt damit auch im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null nicht vor (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12/19 – juris Rn. 52 m.w.d.Rspr.; U.v. 17.12.2015 – 1 C 31.14 – juris Rn. 20 f). Da auch Asylbewerber nach Abschluss ihres Asylverfahrens bei Beantragung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck der Visumpflicht unterliegen (BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 10 C 19.1849 – juris Rn. 7 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 3.5.2019 – 13 PA 97/19 – juris Rn. 16 m.w.N.) und eine Befreiung vom Erfordernis der Einreise mit dem entsprechenden Visum nur im Ermessenswege in Betracht kommt, greift auch in diesen Fällen die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.
So liegt der Fall hier. Als Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels kommt auf Grund der Eheschließung des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Betracht. Allerdings fehlt es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 AufenthG, der Einreise des Antragstellers mit dem erforderlichen Visum. Dass von diesem Erfordernis gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden „kann“, genügt den obigen Anforderungen an einen strikten Rechtsanspruch nicht.
Aber auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des AufenthG ist nicht ersichtlich. Der Asylantrag des Antragsstellers sowie sein Wiederaufgreifensantrag in Bezug auf Abschiebungsverbote sind bestandskräftig abgelehnt, so dass eine Erteilung nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG nicht in Betracht kommt. Auch die besonderen Konstellationen der § 25 Abs. 4, 4a und 4b AufenthG liegen nicht vor. Ebensowenig hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Insofern fehlt es bereits an einer Ermessensreduzierung auf Null. Denn seine Ausreise ist auch unter Berücksichtigung seiner familiären Lebenssituation nicht unzumutbar (s.u.).
b) Ein rechtliches Ausreisehindernis ergibt sich auch unter Berücksichtigung der familiären Situation des Antragstellers aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles unzumutbar wäre, das Visumsverfahren nachzuholen.
Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt vermitteln. Dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigter Weise in Deutschland lebenden Familienangehörigen. Die Ausländerbehörden sind verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigter Weise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und sie entsprechend ihrem Gewicht in den behördlichen Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris). Ebenso wenig wie Art. 6 GG gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Recht des Ausländers in einen bestimmten Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Ein Staat ist vielmehr berechtigt, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – EGMR – U.v. 18.10.2006 (Üner) Nr. 46410/99 – juris). Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens berühren. Eingriffe sind unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft und müssen ein ausgewogenes Gewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herstellen. Dabei ist eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durchzuführen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.3.2010 – 1 C 8.09 – juris m.w.N. zur Rechtsprechung des EGMR).
Nach diesen Maßgaben erweist sich die Nachholung des Visumverfahrens für den Antragsteller als zumutbar.
In den Blick zu nehmen ist zunächst, dass die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Dabei dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende erforderliche Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des erforderlichen Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind daher prinzipiell eng auszulegen (BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15/14, U.v. 11.1.2011 – 1 C 23/09 – juris). Es ist auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des erforderlichen Visumverfahrens üblicherweise einhergehender Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in das Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08; B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 5625/10 – jeweils juris).
Vorliegend ist bei der Entscheidung, ob eine vorübergehende Trennung des Antragstellers und seiner Ehefrau zumutbar ist, zu berücksichtigen, dass sich die Eheleute erst seit April 2020 kennen. In der nachfolgenden Zeit verfügten die Eheleute auf Grund der bestehenden Wohnsitzauflage des Antragstellers bislang über keine gemeinsame Ehewohnung, so dass die eheliche Lebensgemeinschaft nur mittels Besuchskontakten geführt werden konnte. Zudem ist dem Antragsteller spätestens seit dem Schreiben des Antragsgegners vom 21. Januar 2021 bewusst, dass er das Visumsverfahren durchzuführen hat. Gleichwohl ist der Antragsteller die Ehe eingegangen. Damit konnten die Eheleute im Zeitpunkt ihrer Eheschließung nicht darauf vertrauen, dass sich eine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ohne größere verfahrensrechtliche Anstrengung allein durch Schaffung von Fakten herstellen lassen könnte (vgl. dazu BayVGH, B.v. 7.9.21 – 19 C 21.835 – beckonline BeckRS 2021, 27757 Rn. 19).
Die Ehefrau des Antragstellers ist auch nicht auf die besondere Unterstützung des Antragsstellers auf Grund ihrer Erkrankungen angewiesen. Die Ehefrau des Antragstellers ist wegen ihrer rezidivierenden depressiven Störung bereits seit 25. Januar 2016 in Behandlung, also bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem sie den Antragsteller noch gar nicht kannte. Bezüglich ihrer HIV Infektion besteht ausweislich der vorgelegten Atteste derzeit ein guter Immunstatus. Sie arbeitet und versorgt selbständig ihren Haushalt. Eine Hilfebedürftigkeit ist nicht ersichtlich.
Auch aus der Dauer des Visumsverfahrens ergibt sich aller Voraussicht nach keine Unzumutbarkeit. Der Antragsteller hat sich bereits am 4. Januar 2021 bei der Deutschen Botschaft in I* … registriert. Damit ist nach den aktuellen Erkenntnissen mit einer Terminvergabe Anfang 2022 zu rechnen (Internetseite der Deutsche Botschaft I* … unter https://pakistan.diplo.de/pk-de/service/-/2370756 aufgerufen am 7. Oktober 2021). Die nachfolgende Bearbeitungszeit liegt wohl bei weiteren 6 bis 12 Monaten (vgl. VG München, U.v. 27.7.21 – M 4 K 20.3169 – beckonline BeckRS 2021, 25072 Rn. 40; Internetseite der Deutsche Botschaft I* … unter https://pakistan.diplo.de/pk-de/service/-/2370756 aufgerufen am 7. Oktober 2021). Da der Antragsteller vor Kurzem wegen der Eheschließung die erforderlichen pakistanischen Urkunden bereits bei der Deutschen Botschaft in I* … überprüfen ließ, entfallen diesbezügliche Bearbeitungszeiten (ca. 4 Monate). Die Deutsche Botschaft in I* … hat das entsprechende Aktenzeichen mit E-Mail vom 5. Juli 2021 bereits angefordert. Zudem geht aus der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten E-Mail des Auswärtigen Amtes vom 12. April 2021 hervor, dass durch verschiedene Maßnahmen (Umbau, Personalmehrung) die Bearbeitungszeiten mittelfristig verkürzt werden sollen. Damit geht das Gericht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Eheleute in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus des Antragstellers geheiratet haben, derzeit von einer angemessenen Trennungszeit aus. Weiter hat es der Antragsteller selbst in der Hand die Trennungszeit weiter dadurch zu verkürzen, dass er die vom Antragsgegner eingeräumte Möglichkeit einer Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV wahrnimmt. Im Übrigen bleibt es den Eheleuten unbenommen, durch gegenseitige Besuche die Trennungszeit zu überbrücken. Dem Antragsteller steht hierfür die Möglichkeit offen, in Pakistan ein Schengen-Visum zu beantragen, das in der Regel innerhalb von 14 Tagen erteilt wird (Internetseite der Deutsche Botschaft I* … unter https://pakistan.diplo.de/pk-de/service/-/2370756 aufgerufen am 7. Oktober 2021).
c. Die Ausreise des Antragstellers ist auch nicht tatsächlich unmöglich.
Der Antragsteller verfügt über einen gültigen pakistanischen Reisepass. Als Staatsangehöriger Pakistans ist es ihm daher möglich, in seine Heimat zurückzukehren. Ebenso bestehen Flugverbindungen nach Pakistan und der Antragsteller ist reisefähig. Eine Reiseunfähigkeit ergibt sich auch nicht aus den Attesten von Frau Dr. C* … vom 1. Februar 2021 und 5. Juli 2021, wobei letzteres nur eine Selbstverständlichkeit wiedergibt nämlich, dass ein medizinscher Notfall während eines Flugs möglichst vermieden werden sollte, ohne eine konkrete Einschätzung dazu abzugeben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer solchen Notfallsituation beim Antragsteller ist. Für die Einschätzung einer medizinischen Notfallsituation fehlt es laut Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Antragsgegners vom 8. Februar 2021 im Übrigen an einer genauen Angabe zu Symptomen, einer Lungenfunktionsdiagnostik und einer Darlegung zum bisherigen Verlauf der Erkrankung.
3. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung im Ermessenswege nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Solche dringenden humanitären oder persönlichen Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen strebt der Antragsteller nicht nur eine „vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet“ an, sondern einen Daueraufenthalt.
Damit war der Antrag insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs.


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