Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf vorläufiges Vorrücken in das nächste Ausbildungsjahr als Fachlehrer

Aktenzeichen  AN 2 E 20.01517

Datum:
4.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24953
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
GG Art. 3, Art. 12
BayFISO § 12 Abs. 4, § 23
BayEUG Art. 52 Abs. 2
VwVfG § 46

 

Leitsatz

1. Ein Anordnungsanspruch auf vorläufige Zulassung zum nächsten Ausbildungsabschnitt setzt voraus, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung über die Nicht-Versetzung rechtswidrig ist und bei rechtmäßiger Beurteilung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Versetzung zu rechnen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung erstreckt sich nur darauf, ob die Schule bei ihrer Entscheidung den Sinngehalt der einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften erkannt und beachtet hat, ob sie frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich entschieden hat, und ob die Tatsachen und Feststellungen, die der pädagogischen Wertung zu Grunde liegen, vollständig ermittelt wurden und einer sachlichen Überprüfung standhalten; schließlich muss die pädagogische Beurteilung in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und darf den Erfordernissen rationaler Abwägung nicht widersprechen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Vorgehensweise, bei der allein aufgrund der Pandemiesituation eine Ausnahme von der Rundungsregel des § 23 Abs. 2 S. 3 BayFISO gewährt werden würde, würde aller Voraussicht nach einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG darstellen.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mit Blick auf die Gleichwertigkeit von Abschlussprüfungen sollte auch in Pandemiezeiten das Abhalten von Abschlussprüfungen in herkömmlicher Weise – soweit dies mit den infektionsschutzrechtlichen Vorgaben vereinbar ist – ein vorrangiges Ziel sein. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
5. Verfahrensverstöße, die Fehler im Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings betreffen, sind in der Regel nicht geeignet, einen Anspruch auf eine Neu- und Besserbewertung der Prüfungsleistung zu bewirken, sondern können grundsätzlich nur zu einer erneuten Prüfung führen. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Studierender am … … … in … und durchläuft die vierjährige Ausbildung zum Fachlehrer an Allgemeinbildenden Schulen im Fachlehrgang Ernährung, Gestaltung und Kommunikationstechnik. Er befand sich im Ausbildungsjahr 2019/2020 in seinem dritten Ausbildungsjahr.
Die Ausbildung gliedert sich wie folgt:
„Studierende, die nach dem mittleren Schulabschluss eine zweijährige Ausbildung im Bereich Hauswirtschaftslehre an der Berufsfachschule abgeschlossen haben, durchlaufen im Anschluss am … … eine zweijährige Ausbildung, die sich aus einer pädagogisch-methodisch-didaktischen Ausbildung und einer ergänzenden fachlichen Ausbildung zusammensetzt. Nach diesen zwei Jahren findet die fachliche Abschlussprüfung sowie die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung statt. Im Anschluss an die erfolgreich absolvierte zweijährige Ausbildung kann ein Erweiterungsfach (Sport oder Kommunikationstechnik) belegt werden. Die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung fand im Ausbildungsjahr 2019/2020 vom 25. bis 29. Mai 2020 statt.“
Studierende, die wie der Antragsteller, direkt nach dem mittleren Schulabschluss ihre Ausbildung am Staatsinstitut III beginnen, durchlaufen eine vierjährige Ausbildung. In den ersten drei Jahren werden die fachlichen Grundlagen in den Fächern Ernährung, Gestaltung und Kommunikationstechnik erlernt und am Ende dieser drei Jahre in der fachlichen Abschlussprüfung abgeprüft. Nach bestandener fachlicher Abschlussprüfung erfolgt das Vorrücken in das vierte Ausbildungsjahr (pädagogisch-methodisch-didaktische Ausbildung), das mit der pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung (Erste Lehramtsprüfung) abschließt.
Der Antragsteller legte am 20. Mai 2020 sowie am 7., 8., 9. und 10. Juli 2020 die einzelnen Teilprüfungen der fachlichen Abschlussprüfung ab. Mit Prüfungsbescheid vom 20. Juli 2020 wurde ihm das Nichtbestehen mitgeteilt und dass er nicht in das vierte Ausbildungsjahr vorrücken dürfe. Sowohl im Fach „Praxis Gestaltung“ als auch im Fach „Theorie Ernährung“ habe der Antragsteller die Prüfungsnote „mangelhaft“ erhalten. Eine Wiederholung der Prüfung sei im darauffolgenden Ausbildungsjahr möglich.
Die Jahresfortgangsnote in beiden Fächern ist unstreitig die Note „ausreichend“.
Gegen den Prüfungsbescheid erhob der Antragsteller Widerspruch, der nach Aktenlage noch nicht beschieden wurde.
Mit Schreiben vom 6. August 2020 beantragte der Antragsteller, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, im Wege des Eilrechtsschutzes
„dem Antragsteller vorläufig die Erlaubnis zum Vorrücken in die pädagogisch-didaktische Ausbildung gem. § 12 Abs. 4 FISO zu gestatten.“
Zur Antragsbegründung führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass das zweite Studienjahr der Studierenden mit Ausbildung dem dritten Studienjahr des vierjährigen Ausbildungsgangs des Antragstellers entspreche und dass am Ende des Ausbildungsjahres auch dieselben Klausuren geschrieben würden. In diesem Ausbildungsjahr sei jedoch wegen der Beschränkungen in Folge der Corona-Pandemie zunächst der Präsenzunterricht ab dem 18. März 2020 ausgefallen, dann sei am 22. April 2020 mitgeteilt worden, dass der zweijährige Ausbildungsgang keine fachliche Abschlussprüfung ablegen müsse. Der Ausbildungsgang des Antragstellers jedoch habe die fachliche Abschlussprüfung ablegen müssen.
Ein Anordnungsgrund sei gegeben, denn das vierte Ausbildungsjahr des Antragstellers beginne am 8. September 2020. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus Art. 12 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot. Ohne sachlichen Grund sei dem zweijährigen Ausbildungsgang die fachliche Abschlussprüfung erlassen worden. Die Ausbildungsgänge würden jedoch parallel verlaufen und der Parallelausbildungsgang habe keinerlei tatsächliche Mehrbelastung im Vergleich zum Ausbildungsgang des Antragstellers. Die berufliche Vorbildung der anderen Studierenden im Parallelausbildungsgang sei kein sachlicher Grund für eine Besserstellung.
Bezüglich seiner Jahresfortgangsnoten führte der Antragsteller aus, dass in seinem Fall die „Überwiegensregelung“ des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO nicht hätte angewendet werden dürfen. Der Antragsteller habe in den Fächern „Praxis Gestaltung“ und „Theorie Ernährung“ jeweils die Jahresfortgangsnote 4 und Prüfungsnote 5 erhalten. Somit habe dies in beiden Fächern die Note 4,5 ergeben. Ohne Anwendung der „Überwiegensregelung“, hätte der Antragsteller in beiden Fächern die Endnote 4 „ausreichend“ erhalten.
Die Prüfungsarbeit im Fach „Ton“ sei unfair abgelaufen, da eine Prüfungsgruppe ungleich behandelt worden sei. So hätten die Prüflinge ein Werkstück aus Ton herstellen müssen. Als Vorgabe seien die Maße 16 cm x 12 cm vorgegeben worden, ohne Angaben dazu, welches Maß die Höhe und welches Maß die Länge darstellen solle. In einem der Prüfungsräume sei die Aufgabenstellerin zur Prüfungsaufsicht anwesend gewesen und habe den dortigen Prüflingen mitgeteilt, welches Maß die Länge darstellen solle. Diese Information habe dem Antragsteller gefehlt, der die Maße in der Folge falsch interpretiert habe. Der Antragsteller erreichte in der Prüfung „Ton“ 2,5 von 20 Punkten.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller im Fach „Praxis Gestaltung“ und im Fach „Theorie Ernährung“ die Prüfungsnote „mangelhaft“ und die Jahresfortgangsnote „ausreichend“ erhalten habe. Die Prüfungsgesamtnote setze sich für jedes geprüfte Fach aus der Prüfungsnote und der Jahresfortgangsnote zusammen. Die Bewertung erfolge nach den schulrechtlichen Notenstufen im Sinne des Art. 52 Abs. 2 BayEUG (siehe §§ 23 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 4 Satz 2 FISO). Bei der Bildung der Gesamtnote seien die Prüfungsnote und die Jahresfortgangsnote gleichwertig (§ 23 Abs. 2 Satz 2 FISO). Nach der Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO gebe bei einem Durchschnitt von n,5 in der Regel die Prüfungsnote den Ausschlag. Dementsprechend habe bei dem Antragsteller, der in beiden Fächern die Note 4,5 erreicht habe, die Prüfungsnote „mangelhaft“ den Ausschlag zur Gesamtnote „mangelhaft“ gegeben. Der Antragsteller müsse die Prüfung im nächsten Jahr wiederholen, § 26 FISO.
Nicht durchgreifend sei das Argument der Ungleichbehandlung im Vergleich zum zweijährigen Ausbildungsgang. Zum einen liege schon kein vergleichbarer Sachverhalt im Sinne des Art. 3 GG vor, da die Ausbildungsgänge sich im Aufbau grundlegend voneinander unterscheiden würden. So baue der zweijährige Ausbildungsgang auf eine Ausbildung auf. Im Anschluss könne optional ein drittes Jahr angehängt werden. Der vierjährige Ausbildungsgang beinhalte in den ersten drei Jahren eine grundlegende fachliche Ausbildung. Dass sich Unterrichtsinhalte und Prüfungen teilweise decken würden, stehe dem nicht entgegen und sei häufig bei Hochschulen mit breitem Portfolio zu beobachten. Zudem hätte hier – selbst bei Vorliegen von vergleichbaren Sachverhalten – eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung vorgelegen. Das Bayerische Staatministerium für Unterricht und Kultus habe mit Schreiben vom 21. April 2020 bestimmt, dass im Rahmen der zweijährigen Ausbildung die jeweilige Gesamtnote auf Grundlage der Jahresfortgangsnote gebildet werden solle und eine fachliche Abschlussprüfung für diese Studierenden entfallen solle. Hintergrund der Regelung sei gewesen, dass pandemiebedingt der Präsenzunterricht sowie Prüfungen im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 26. April 2020 ausgeschlossen gewesen seien. In den verbleibenden Wochen des Schuljahres hätten die Studierenden des zweijährigen Ausbildungsgangs dann ab dem 25. Mai 2020 ihre pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfungen (Erste Lehramtsprüfung und Einstellungsprüfung, § 32 FISO) ablegen müssen. Eine Verschiebung der ersten Lehramtsprüfung sei nicht möglich gewesen. Die Ausbildung hätte sonst in das kommende Schuljahr hinein verlängert werden müssen. Dies wäre erheblich nachteilig für die Studierenden gewesen, da sie nicht in den Vorbereitungsdienst zum September 2020 hätten eingestellt werden können. Die Einstellung hätte um ein Schuljahr verschoben werden müssen. Dies wiederum hätte die ohnehin angespannte Personalsituation an den Schulen weiter verschärft. Daher habe man von der fachlichen Abschlussprüfung abgesehen und ausschließlich auf die Jahresfortgangsnoten abgestellt.
Im Ausbildungsgang des Antragstellers hingegen sei es zu keiner solchen zeitlichen Kollision gekommen, denn bei diesem Ausbildungsmodell erfolge nach dem dritten Ausbildungsjahr lediglich die fachliche Abschlussprüfung und erst ein Jahr später die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung. Trotz des pandemiebedingten Verschiebens einzelner Prüfungsteile sei es deshalb bei diesem Ausbildungsgang zu keinerlei Nachteilen gekommen, die es gerechtfertigt hätten, nur auf die Jahresfortgangsnote abzustellen. Individuelle Prüfungsvorbereitung habe auch während der Schulschließung stattfinden können. Dokumente hierzu seien online bereitgestellt worden.
Hierauf erwiderte der Antragsteller, dass die beiden Studiengänge zum selben Beruf hinführen und die vorhandene Berufsausbildung eine Ungleichbehandlung nicht sachlich rechtfertige. Die Begründung, dass die Abschlussprüfung im zweijährigen Ausbildungsgang nicht organisatorisch zu bewältigen gewesen wäre, sei nicht nachvollziehbar. So hätte man die Prüfungen des vierjährigen Ausbildungsgangs – wenn es zu Verzögerungen gekommen wäre – in die Ferien verschieben können. Die Behauptung, dass die in der fachlichen Abschlussprüfung vorkommenden Inhalte vollumfänglich im Präsenzunterricht vor der Schließung der Schule behandelt worden seien, sei falsch. Das Fach „Ton“ habe gerade erst begonnen und sei dann pandemiebedingt abgebrochen worden. Der Basiskurs „Ton“ habe bereits zwei Jahre zurückgelegen. Das Zurverfügungstellen von Lehrmaterial über eine digitale Lernplattform habe nicht in ausreichendem Umfang stattgefunden. Eine dieser Plattformen sei der „Schulmanager“ gewesen. Dem Antragsteller sei jedoch nicht klar gewesen, dass dort auch Material zur Verfügung gestellt worden sei, sodass der Antragsteller sich den „Schulmanager“ erst am 6. Mai 2020 heruntergeladen habe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung kann auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus sonstigen Gründen geboten.
Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl glaubhaft machen kann, einen Anspruch auf Zulassung zum pädagogisch-didaktischen Ausbildungsabschnitt (Anordnungsanspruch) zu haben, als auch, dass die Notwendigkeit besteht, Rechtsschutz zu gewähren, bevor eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache ergeht (Anordnungsgrund).
1. Am Anordnungsgrund der Dringlichkeit bestehen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits am 8. September 2020 das nächste Ausbildungsjahr beginnt, keine Zweifel.
2. Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller Tatsachen glaubhaft machen kann, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung über seine Nicht-Versetzung rechtswidrig ist und er bei rechtmäßiger Beurteilung seines Rechtsbegehrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit rechnen darf, in das nächste Ausbildungsjahr versetzt zu werden (BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 54. Edition, Stand: 1.7.2020, § 123 Rn. 118).
a) Der Antragsteller ist vom Vorrücken in das nächste Ausbildungsjahr (pädagogisch-didaktische Ausbildung) ausgeschlossen, da er die hierfür erforderliche fachliche Abschlussprüfung voraussichtlich nicht bestanden hat, § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Studienordnung für das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern vom 9. August 2005, zuletzt durch § 1 Abs. 120 der Verordnung vom 26. März 2019 (FISO). Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 FISO erhält die Erlaubnis zum Vorrücken in die pädagogisch-didaktische Ausbildung, wer die erforderliche fachliche Abschlussprüfung bestanden hat.
Die fachliche Abschlussprüfung hat der Antragsteller nicht bestanden. Die fachliche Abschlussprüfung wird am Ende der fachlichen Ausbildung (im Ausbildungsgang des Antragstellers nach drei Jahren) abgelegt, siehe § 19 FISO. Die Festsetzung der Prüfungsergebnisse ergibt sich aus § 23 FISO. Demnach gilt zunächst § 10 Abs. 4 Satz 2 FISO entsprechend, der bestimmt, dass die Bewertung mit den Notenstufen gemäß Art. 52 Abs. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) erfolgt und Zwischennoten nicht zulässig sind. Gemäß Art. 52 Abs. 2 BayEUG werden die Leistungen nach folgenden Notenstufen bewertet:
sehr gut
= 1
(Leistung entspricht den Anforderungen in besonderem Maße)
gut
= 2
(Leistung entspricht voll den Anforderungen)
befriedigend
= 3
(Leistung entspricht im Allgemeinen den Anforderungen)
ausreichend
= 4
(Leistung weist zwar Mängel auf, entspricht aber im Ganzen noch den Anforderungen)
mangelhaft
= 5
(Leistung entspricht nicht den Anforderungen, lässt jedoch erkennen, dass trotz deutlicher Verständnislücken die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind)
ungenügend
= 6
(Leistung entspricht nicht den Anforderungen und lässt selbst die notwendigen Grundkenntnisse nicht erkennen)
Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 FISO sind bei der Bildung der Gesamtnote die Jahresfortgangsnote und die Prüfungsnote gleichwertig. Gemäß Satz 3 gibt bei einem Durchschnitt von n,5 in der Regel die Prüfungsnote den Ausschlag. Nach § 23 Abs. 4 FISO hat die Prüfung nicht bestanden, wer in einem Prüfungsfach eine schlechtere Gesamtnote als „ausreichend“ (Nr.1) oder die Prüfungsnote „ungenügend“ (Nr. 2) hat (zur Verhältnismäßigkeit dieser Bestehensregelung: BayVGH, B.v. 25.11.2011 – 7 CE 11.2445 – juris).
b) Unstreitig hat der Antragsteller in den hier streitgegenständlichen Fächern „Praxis Gestaltung“ und „Theorie Ernährung“ jeweils im Jahresfortgang die Note „ausreichend“ erzielt.
In den beiden Prüfungsfächern „Praxis Gestaltung“ sowie „Theorie Ernährung“ hat der Antragsteller jeweils die Prüfungsnote „mangelhaft“ erhalten. Dies ergab somit je einen Durchschnitt von 4,5, was unter Beachtung der Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO zur Bewertung mit der Note „mangelhaft“ und in der Folge zur Bewertung der fachlichen Abschlussprüfung als „nicht bestanden“ geführt hat, § 23 Abs. 3 Nr. 1 FISO.
aa) Bei der Bildung der Gesamtnote steht der Klassen- bzw. Lehrerkonferenz ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht darf daher seine pädagogischen Erwägungen nicht an die Stelle der Erwägungen der Schule setzen. Die fachlich-pädagogische Entscheidung bei der Notengebung beruht auf einer komplexen Bewertung aller Leistungen und der Gesamtpersönlichkeit des Schülers. Die Schule muss bei diesem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die die mit dem Schüler befassten Lehrkräfte im Laufe ihrer fachlich-pädagogischen Tätigkeit erworben haben. Diese komplexen, durch den Leistungs- und Entwicklungsstand des Schülers bedingten Erwägungen lassen sich nicht regelhaft erfassen; sie könnten grundsätzlich auch mit Hilfe von Sachverständigen vom Gericht nicht ersetzt werden. Die spezifisch fachlich-pädagogische Entscheidung über die Notengebung muss daher der Schule überlassen bleiben. Die gerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Schule bei ihrer Entscheidung den Sinngehalt der einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften erkannt und beachtet hat, ob sie frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich entschieden hat, und ob die Tatsachen und Feststellungen, die der pädagogischen Wertung zu Grunde liegen, vollständig ermittelt wurden und einer sachlichen Überprüfung standhalten. Schließlich muss die pädagogische Beurteilung in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und darf den Erfordernissen rationaler Abwägung nicht widersprechen (BayVGH, B.v. 28.9.2009 – 7 ZB 08.2277 – juris).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner gemäß der Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO hier bei einem Durchschnitt von 4,5 die Gesamtnote 5 „mangelhaft“ festgesetzt hat. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO gibt in der Regel die Prüfungsnote den Ausschlag. Der Antragsgegner ist von dieser Regel nicht abgewichen und hat keinen Ausnahmefall angenommen. Diese Entscheidung hat der Antragsgegner frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich, getroffen. Der Antragsgegner führte hierzu aus, dass allein das Vorliegen der Pandemiesituation noch keinen Grund darstelle, von der Regel des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO abzuweichen. Aufgrund des Ruhens des Unterrichtsbetriebs hätte den Studierenden grundsätzlich sogar mehr Zeit zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung gestanden. Der Antragsgegner handhabe die Regelung gewöhnlich so, dass ein Abweichen dann erfolge, wenn eine deutlich zur Note befriedigend tendierende Jahresfortgangsnote (3,67 o.ä.) vorliege und zusätzlich überzeugende Argumente der dieses Fach unterrichtenden Lehrkraft für einen Ausnahmefall vorliegen. Weder im Fach „Theorie Ernährung“ noch im Fach „Praxis Gestaltung“ hätten hierfür jedoch Anträge der Lehrkräfte vorgelegen (siehe hierzu Stellungnahmen der einzelnen Lehrkräfte, Bl. 27 ff. d. Behördenakte).
cc) Zudem sei angemerkt, dass eine Vorgehensweise, bei der allein aufgrund der Pandemiesituation eine Ausnahme von der Regel des § 23 Abs. 2 Satz 3 FISO gewährt werden würde, aller Voraussicht nach einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG darstellen würde. Würde im Falle des Durchschnitts von n,5 nicht die Prüfungsnote, sondern die Jahresfortgangsnote den Ausschlag geben, so würde dies bei allen Prüflingen, deren Durchschnitt bei n,5 liegt zu einer Besserstellung im Vergleich zum Regelfall führen. Ihren Grund hätte diese Besserstellung in der Pandemiesituation, die jedoch alle Studierenden betrifft und nicht nur diejenigen, deren Durchschnitt bei n,5 liegt. Studierende mit einem „glatten“ Durchschnitt würden in diesem Szenario keine Besserstellung erfahren, obwohl auch sie unter Pandemiebedingungen zur Prüfung antreten mussten. Diese Benachteiligung wäre wohl nicht gerechtfertigt. Nach Ansicht der Kammer muss in einer solchen Ausnahmesituation, die alle Studierenden betrifft, auf anderem Wege, beispielsweise durch eine Eingrenzung des Prüfungsstoffes (wie hier im Fach „Ton“ mit der Eingrenzung auf den Stoff des Basiskurses) oder im Rahmen der Bewertung der Prüfung, ein Ausgleich der durch die Pandemie veränderten Umstände erfolgen.
c) Der Antragsteller greift die Richtigkeit der Bewertung der beiden Prüfungen „Praxis Gestaltung“ und „Theorie Ernährung“ an.
aa) Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt bei berufsbezogenen Prüfungen ein Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit durch eine entsprechende Gestaltung des Prüfungsverfahrens. Danach muss er das Recht haben, substantiierte Einwände gegen die Bewertungen seiner Prüfungsleistungen bei der Prüfungsbehörde rechtzeitig und wirkungsvoll vorzubringen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – NVwZ 1993, 681).
Hinsichtlich der verschiedenen Fehlertypen sind unterschiedliche Kontrollmaßstäbe anzuwenden.
Der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen insbesondere formale Aspekte wie z.B. Verfahrensfehler in den Phasen der Leistungsermittlung und -bewertung. Hierzu zählen unter anderem Rügen im Hinblick auf Prüfungsunfähigkeit des Prüflings, Befangenheit eines Prüfers, das Vorliegen äußerer Störungen sowie eine unzureichende Begründung des Prüfungsergebnisses.
Gleiches gilt für die Bewertung der Antworten des Prüflings auf ihre fachliche Richtigkeit oder die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts. Fachwissenschaftliche Fragen dürfen, sofern sich die Antwort im Rahmen einer Bandbreite fachlich vertretbarer Antworten hält, nicht als falsch gewertet werden. Insoweit ist für einen Bewertungsspielraum des Prüfers kein Platz. Dabei reicht aber nicht allein die Behauptung einer fehlerhaften fachlichen Beurteilung aus. Der Antragsteller muss vielmehr darlegen, worin der den Prüfern unterlaufene fachliche Fehler im Einzelnen liegt. Es ist Sache des Prüflings, die Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit seiner Auffassung gegenüber der anderen Auffassung der Prüfer mithilfe objektiver Kriterien einsichtig zu machen. Dazu gehören etwa Belege durch qualifizierte fachwissenschaftliche Äußerungen (BayVGH, B.v. 28.8.2012 – 7 ZB 12.467 – juris).
Demgegenüber sind prüfungsspezifische Wertungen, die vor allem in der konkreten Benotung der Arbeit ihren Niederschlag finden, dem Beurteilungsspielraum und damit der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen, sofern nicht gegen das Willkürverbot verstoßen wird (BVerwG, B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze sind durchgreifende Mängel der beiden Prüfungen im Ergebnis nicht festzustellen.
aaa) Bezogen auf die gesamte fachliche Abschlussprüfung rügt der Antragsteller, dass mit der Pflicht zur Teilnahme an der Abschlussprüfung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen worden sei, da den Studierenden des zweijährigen Ausbildungsgangs die fachliche Abschlussprüfung „erlassen“ wurde und bei diesen Studierenden lediglich die Jahresfortgangsnote herangezogen wurde. Die Studierenden des vierjährigen Ausbildungsgangs hätten die fachliche Abschlussprüfung – trotz der Corona-Pandemie -ablegen müssen.
Eine sachlich nicht gerechtfertigte oder gar willkürliche Ungleichhandlung des vierjährigen Ausbildungsgangs gegenüber dem zweijährigen Ausbildungsgang ist jedoch nicht ersichtlich.
Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 – juris Rn. 94).
Selbst wenn man mit der Antragstellerseite davon ausginge, dass es sich bei den gebildeten Vergleichsgruppen im Wesentlichen um gleiche Sachverhalte handelt, wäre die Ungleichbehandlung der beiden Ausbildungsgänge sachlich gerechtfertigt und keineswegs willkürlich erfolgt.
Der Verzicht auf die Durchführung der fachlichen Abschlussprüfung des zweijährigen Ausbildungsgangs erfolgte ausweislich des Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 21. April 2020 (Bl. 16 d. Behördenakte) „aufgrund der engen Terminsetzungen auf Grundlage von § 49 FISO“. Keineswegs wurde dem zweijährigen Ausbildungsgang seitens des Ministeriums das Ablegen der Abschlussprüfung aufgrund der beruflichen Vorbildung erlassen, wie es antragstellerseits dargestellt wurde. Auch in der Antragserwiderung stellt der Antragsgegner klar: „Dass die Studierenden des zweijährigen Ausbildungsgangs […] bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen müssen, stellt nicht den sachlichen Grund für das Absehen von der fachlichen Abschlussprüfung dar, sondern die zeitliche Kollision zwischen fachlicher und pädagogisch-didaktischer Abschlussprüfung mit der Folge erheblich verzögerter Ausbildungsverlaufs- und Einstellungsvorgänge.“
Die zeitliche Situation am … stellte sich in Ansehung des derzeitigen Streitstands wie folgt dar. Die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung des zweijährigen Ausbildungsgangs fand im Ausbildungsjahr 2019/2020 vom 25. bis 29. Mai 2020 statt. Pandemiebedingt war vom 16. März bis 26. April 2020 kein Präsenzunterricht möglich. Die fachliche Abschlussprüfung ist nach § 23 Abs. 4 Satz 3 FISO Voraussetzung für die Zulassung zur pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung.
Die Terminsetzung der pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung konnte den nachvollziehbaren Angaben des Antragsgegners nach nicht zeitlich verschoben werden. Die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung – die als Erste Lehramtsprüfung und zugleich als Einstellungsprüfung gilt – habe zum regulären Termin stattfinden müssen. Ein Verschieben der Prüfungen und der Korrektur hätte zur Folge gehabt, dass eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst ab September 2020 nicht möglich gewesen wäre. Dies wiederum hätte die ohnehin angespannte Personalsituation an den Schulen weiter verschärft und auch für die Studierenden eine unverhältnismäßige Verzögerung des Ausbildungsabschlusses bedeutet. Aufgrund des fixen Termins der pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung und der Tatsache, dass erst ab dem 26. April 2020 wieder Präsenzunterricht bzw. Prüfungen möglich waren, hätte das Staatsinstitut die fachlichen Abschlussprüfungen des zweijährigen Ausbildungsgangs innerhalb des Zeitraums vom 26. April 2020 bis 25. Mai 2020 organisieren und abhalten müssen. Auch die Korrektur der Arbeiten hätte vor dem 25. Mai 2020 abgeschlossen sein müssen, da die fachliche Abschlussprüfung Voraussetzung für die Zulassung zur pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung ist. Dass dies innerhalb eines Monats nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre, drängt sich förmlich auf und wurde zudem auch nachvollziehbar von dem Antragsgegner dargelegt. Daher habe man im Rahmen des § 49 FISO von der fachlichen Abschlussprüfung abgesehen, ausschließlich auf die Jahresfortgangsnoten abgestellt und die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung wie geplant ab dem 25. Mai 2020 abgehalten.
Zu einer zeitlichen Kollision zwischen der fachlichen Abschlussprüfung und der pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung kam es jedoch nur im zweijährigen Ausbildungsgang. Im vierjährigen Ausbildungsgang, den der Antragsteller durchläuft, gab es keinerlei Terminkollisionen, die dem Abhalten der fachlichen Abschlussprüfungen entgegengestanden hätten. Im vierjährigen Ausbildungsgang findet die pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung erst am Ende des vierten Ausbildungsjahres statt. Dem regulären Ablegen der fachlichen Abschlussprüfungen am Ende des dritten Ausbildungsjahres stand die erst ein Jahr später stattfindende pädagogisch-didaktische Abschlussprüfung somit nicht entgegen.
Die zeitliche Kollision der fachlichen und pädagogisch-didaktischen Abschlussprüfung im zweijährigen Ausbildungsgang, sowie die weitreichenden Konsequenzen im Hinblick auf die Einstellung der Lehrkräfte zum Schuljahr 2020/2021 stellt die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der beiden Ausbildungsgänge dar.
Zudem sollte nach Ansicht der Kammer auch in Pandemiezeiten das Abhalten von Abschlussprüfungen in herkömmlicher Weise – soweit dies mit den infektionsschutzrechtlichen Vorgaben vereinbar ist – ein vorrangiges Ziel sein. Nur so kann eine Gleichwertigkeit der Abschlussprüfungen im Vergleich zu den Abschlussprüfungen früherer und kommender Jahrgänge gewährleistet werden (in diesem Sinne auch Fischer/Dietrich „Prüfungsrecht in Zeiten der Coronavirus-Pandemie“, NVwZ 2020, 657). Dass der vierjährige Ausbildungsgang die fachliche Abschlussprüfung abgelegt hat, ist somit auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit von Abschlussprüfungen und Chancengleichheit der Prüflinge verschiedener Jahrgänge zu befürworten.
Darüber hinaus könnte der Antragsteller – selbst wenn dem zweijährigen Ausbildungsgang in rechtswidriger Weise das Ablegen der Prüfung erlassen worden wäre – allein aus diesem Umstand keine subjektiven Rechte für sich herleiten. Dem stünde der Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ entgegen.
Denn die Anerkennung eines aus einer rechtswidrigen Verwaltungsübung folgenden individuellen Anspruchs auf Einräumung rechtswidriger Begünstigungen auch in allen weiteren Fällen würde die Anerkennung der Befugnis und sogar der Verpflichtung der Verwaltung bedeuten, in Widerspruch zum Gesetz zu entscheiden. Das ist jedoch mit der in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht schlechthin unvereinbar. Diese Bindung bezeichnet die Grenze des Gleichheitssatzes, der auf die Gleichbehandlung im Recht ausgerichtet ist und weder den Anspruch des Bürgers noch die Befugnis der Verwaltung beinhaltet, eine rechtswidrige Gleichbehandlung zu fordern oder zu gewähren. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht oder schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn diese Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen gleichgelagerten Fällen gewährt worden ist (BayVGH, B.v. 18.6.2008 – 4 ZB 08.258 – juris Rn. 4).
bbb) Die Rügen des unzureichenden Zurverfügungstellen von Unterrichtsmaterial über digitale Plattformen und der Ungleichbehandlung durch Heimarbeitsprüfungen greifen nicht durch.
Hinweise, Rügen und Rücktrittserklärungen des Prüflings sind Mittel, einen Mangel im Verfahren anzuzeigen, Abhilfe zu verlangen und in der weiteren Konsequenz dazu, eindeutig kundzutun, dass die nicht korrekte Prüfung ohne Abhilfe (teilweise) nicht gelten soll, und zwar vorsorglich unter dem Vorbehalt, dass der Mangel anerkannt und die Rüge daher berechtigt ist. Die Mitwirkungspflicht resultiert dabei direkt aus dem Prüfungsrechtsverhältnis, ohne dass es einer zusätzlichen normativen Grundlage bedarf. Grundsätzlich gilt: Unterlässt der Prüfling eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge eines Fehlers des Prüfungsverfahrens, so ist ihm die spätere Berufung auf die Beachtlichkeit dieses Fehlers verwehrt (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 214). Die Rüge ist stets unverzüglich zu erheben, wobei grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist. Dazu kommt es auf den Charakter der Störung oder des sonstigen Verfahrensmangels und ferner auf die einzelnen Umstände an, denen zu entnehmen ist, ob der Prüfling ohne schuldhaftes Zögern reagiert hat. Kennt der Prüfling den Mangel, […] so darf er nicht spekulativ abwarten, wie die Prüfung verläuft und welches Ergebnis er dabei erzielt. Andernfalls ist die Rüge nicht nur verspätet, sondern auch deshalb unwirksam, weil es gegen die Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstieße, wenn dem Prüfling auf diese Weise die Möglichkeit eingeräumt würde, sich in Kenntnis des Prüfungsergebnisses für oder gegen einen zweiten Prüfungsversuch zu entscheiden (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 218).
Unter Anwendung dieser Grundsätze stellen sich die im gerichtlichen Verfahren erhobenen Rügen des unzureichenden Zurverfügungstellens von Unterrichtsmaterial über digitale Plattformen und der Ungleichbehandlung durch Heimarbeitsprüfungen als verspätet dar.
Zunächst ist hierzu jedoch auszuführen, dass dem Antragsteller seinen eigenen Angaben nach die Plattform „Schulmanager“ bekannt gewesen sei. Dem Antragsteller sei jedoch nicht klar gewesen, dass dort neben Organisatorischem auch Material zur Verfügung gestellt wurde, sodass der Antragsteller sich den „Schulmanager“ erst am 6. Mai 2020 heruntergeladen habe. Diesen Umstand hat der Antragsteller jedoch selbst zu verantworten. Es wäre seine Obliegenheit gewesen, sich Zugang zu allen Plattformen zu verschaffen, zumal ihm ja bekannt war, dass die Plattform „Schulmanager“ existiert und verwendet wird. Auch wäre er dazu angehalten gewesen, sich selbst darüber zu informieren, über welche Plattformen welche Informationen ausgetauscht werden.
Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass es zu Verzögerungen im Zurverfügungstellen von Online-Materialien gekommen wäre, wäre es auch hier die Obliegenheit des Antragstellers gewesen, dies unverzüglich zu rügen und auf diese Weise dem Antragsgegner die Möglichkeit zu geben, dem Umstand schnellstmöglich abzuhelfen. Die Rüge erst nach der Notenbekanntgabe zu erheben, ist nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht mehr als unverzügliches Handeln anzusehen.
Dieselben Ausführungen gelten für die gerügte Ungleichbehandlung durch Heimarbeitsprüfungen. So hätten teilweise Leistungsnachweise, wie die Anfertigung von Werkstücken, in Heimarbeit stattgefunden. Dies habe zu Vorteilen bei den Studierenden geführt, die zuhause beispielsweise eine Nähmaschine oder Fachleute in der Familie gehabt hätten. Der Antragsteller habe sich rechtstreu verhalten und das Werkstück im Fach „Textil“ selbst angefertigt.
Auch hier wäre es die Obliegenheit des Antragstellers gewesen, einen Mangel (beispielsweise unzureichende Ausstattung mit Arbeitsmaterial zuhause) unverzüglich anzuzeigen und Abhilfe zu verlangen. Nur dann hätte der Antragsgegner, womöglich noch vor dem Ablegen der Prüfung, reagieren und abhelfen können. Ein Abwarten des Endergebnisses der Gesamtprüfung und eine Rüge erst im gerichtlichen Verfahren kann jedoch nicht mehr als unverzüglich gesehen werden.
ccc) Bezüglich des Prüfungsfaches „Praxis Gestaltung“ rügt der Antragsteller, dass im Fach „Ton“ eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Prüfungsgruppen stattgefunden habe. Die Prüfung sei in vier verschiedenen Räumen durchgeführt worden. In einem der Prüfungsräume sei die Aufgabenstellerin zur Prüfungsaufsicht anwesend gewesen und habe den dortigen Prüflingen mitgeteilt, welches Maß die Länge darstellen solle. Diese Information habe dem Antragsteller gefehlt, der die Maße in der Folge falsch interpretiert habe. Der Antragsteller erhielt für die Prüfungsarbeit „Ton“ 2,5 von 20 Punkten. Zwei Mitprüflinge bestätigten die Vorgänge im Prüfungsraum der Aufgabenstellerin schriftlich. Die betreffende Dozentin führte schriftlich aus, dass sie keine Informationen gegeben habe, die nicht in der Prüfungsaufgabe angegeben gewesen seien. Der Sachverhalt konnte im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden.
Die Weitergabe von prüfungsrelevanten Informationen an lediglich einen Teil der Prüflinge würde einen offensichtlichen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, welches gerade im Prüfungsrecht ein besonderes Gewicht hat. Die äußeren Prüfungsbedingungen, wie beispielsweise die (schriftlichen/mündlichen) Angaben zur Lösung der Prüfungsaufgaben müssen deshalb für alle Prüflinge gleich sein. Im Falle der Prüfung im Bereich „Ton“ ist nach Aktenlage zumindest nicht auszuschließen, dass es in einem der Prüfungsräume zu einem Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit gekommen sein könnte. Ein solcher Verstoß würde einen Verfahrensmangel darstellen.
Verfahrensverstöße, die Fehler im Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings betreffen, sind in der Regel nicht geeignet, einen Anspruch auf eine Neu- und Besserbewertung der Prüfungsleistung zu bewirken. Denn Verfahrensfehler können grundsätzlich nicht zu einer Neubewertung der erbrachten Prüfungsleistung führen, sondern nur zu einer erneuten Prüfung. Der Prüfling hat auf der Grundlage seines prüfungsrechtlichen Rechtsverhältnisses einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Folgenbeseitigung, der in diesen Fällen die Wiederholung der Prüfung (Neuprüfung) umfasst (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 500).
Ist der Prüfungsverlauf unter Verletzung von Verfahrensvorschriften gestört worden, ist weiter zu fragen, ob der Fehler für die abschließende Entscheidung überhaupt erheblich ist. Ein Verfahrensfehler bei der Abnahme einer Prüfung hat nämlich grundsätzlich nur dann die Aufhebung der Prüfungsentscheidung zur Folge, wenn sein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann. Dieser seit langem in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz kommt durch § 46 VwVfG und die entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder zum Ausdruck (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 488). Die Unerheblichkeit zeigt sich beispielsweise in Fällen, in denen eine Prüfungsentscheidung zwar auf einem Verfahrensfehler beruht, jedoch feststeht, dass das Ergebnis der Prüfung auch ohne diesen Fehler nicht anders ausfallen würde. Dies ist zum Beispiel anzunehmen, wenn der Fehler sich in seinen Auswirkungen auf einen Teil der Prüfung beschränkt und ein Prüfungserfolg schon wegen der schlechten Leistungen in den anderen Prüfungsteilen ausgeschlossen ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 490).
So liegt der Fall hier, denn es steht bereits fest, dass das Gesamtergebnis der fachlichen Abschlussprüfung („nicht bestanden“) auch ohne diesen Fehler nicht anders ausfallen würde. Würde man den etwaigen Verfahrensfehler hinwegdenken und ginge man davon aus, dass der Antragsteller ohne den Verfahrensfehler die Prüfung „Ton“ mit der vollen Punktzahl von 20 Punkten bestehen würde, würde dies zu einer Gesamtpunktzahl von 50 Punkten und somit zur Prüfungsnote „ausreichend“ im Fach „Praxis Gestaltung“ führen. Der Verfahrensfehler im Fach „Ton“ würde sich in seinen Auswirkungen jedoch lediglich auf den Prüfungsteil „Praxis Gestaltung“ der fachlichen Abschlussprüfung beschränken. Er ließe den Prüfungsteil „Theorie Ernährung“ – der ebenfalls mit „mangelhaft“ bewertet wurde – unberührt, sodass ein Bestehen der fachlichen Abschlussprüfung schon wegen der schlechten Leistungen im Fach „Theorie Ernährung“ ausgeschlossen wäre und sich der etwaige Fehler im Fach „Ton“ auf das Gesamtergebnis der fachlichen Abschlussprüfung nicht auswirken würde. Eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung „nicht bestanden“ hätte der Fehler also nicht zur Folge, sodass im Ergebnis die Note „mangelhaft“ im Prüfungsfach „Praxis Gestaltung“ selbst bei Annahme eines Verfahrensfehlers bestehen bliebe.
d) Da der Antragsteller in zwei Prüfungsfächern eine schlechtere Gesamtnote als „ausreichend“ erzielt hat, war hiermit die fachliche Abschlussprüfung gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 1 FISO als nicht bestanden zu bewerten. Dies führt nach § 12 Abs. 4 FISO dazu, dass der Antragsteller vom Vorrücken in das nächste Ausbildungsjahr (pädagogisch-didaktische Ausbildung) ausgeschlossen ist.
e) Nach alledem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 18.3 Streitwertkatalog.


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