Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Zulassung zum Studium der Zahnmedizin wegen Ausschöpfung der Aufnahmekapazität

Aktenzeichen  7 CE 16.10280

Datum:
21.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 53

 

Leitsatz

Eine Universität ist nicht verpflichtet, zur Ausbildung ungeeignete und tatsächlich auch nicht zur Verfügung stehende Behandlungseinheiten in ihrer Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen und auf diese Weise ihre Ausbildungskapazität zulasten einer ordnungsgemäßen Ausbildung der Studierenden rechnerisch zu erhöhen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 E 16.20026 2016-06-09 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Universität) nach Maßgabe der Rechtsverhältnisse des Sommersemesters 2016. Er macht geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Mit Beschluss vom 9. Juni 2016 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag abgelehnt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er begehrt in Bezug auf das Sommersemester 2016 Aufklärung zur tatsächlichen Immatrikulation oder nachfolgenden Exmatrikulation von Studienanfängern im ersten Fachsemester und etwaige anrechenbare Vorleistungen, die eine Zulassung in einem höheren Fachsemester rechtfertigen könnten. Außerdem sei die Rechtsprechung in Bezug auf die Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität (hinsichtlich der an der Universität vorhandenen klinischen Behandlungseinheiten sowie bezüglich der in der Abteilung für Parodontologie vorhandenen Behandlungseinheiten) zu überprüfen. Ferner sei die Schwundberechnung nicht nachvollziehbar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 11. Juli 2016 und 12. August 2016 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität Würzburg ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
a) Die Universität hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren mitgeteilt, dass im Sommersemester 2016 im ersten Fachsemester des streitgegenständlichen Studiengangs zum Stichtag 9. Mai 2016 und damit vier Wochen nach Vorlesungsbeginn 55 Studierende eingeschrieben sind, von denen niemand beurlaubt war. Einer weitergehenden Aufklärung der Immatrikulationen bedurfte es nicht. Auf die Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt Exmatrikulationen stattgefunden haben, kommt es kapazitätsrechtlich nicht an. Ebenso ist für die gerichtliche Entscheidung unerheblich, ob und in welchem Umfang Studienanfänger aufgrund etwaiger anrechenbarer Vorleistungen auch die Zulassung in einem höheren Fachsemester beanspruchen könnten, solange diese Zulassung nicht tatsächlich erfolgt ist.
b) Die Einwände des Antragstellers gegen die Rechtsprechung zur Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität greifen nicht durch.
aa) Die Universität geht in ihrer Kapazitätsberechnung zutreffend von den ihr für die Ausbildung der Studierenden im Studiengang Zahnmedizin zur Verfügung stehenden 57 klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde aus (§ 56 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]). Bei den Behandlungseinheiten (= Behandlungsstühlen) handelt es sich um solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und auch nach der Organisation der Universität diesen Zwecken dienen. Die Universität hat die drei klinischen Behandlungseinheiten in den Räumen der Abteilung für Parodontologie in die Kapazitätsberechnung zu Recht nicht einbezogen, weil diese Behandlungseinheiten nur für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet werden. Die studentische Ausbildung in Bezug auf parodontologische Behandlungen, die nach der Approbationsordnung für Zahnärzte ebenfalls Prüfungsgegenstand ist, findet demgegenüber an anderen klinischen Behandlungseinheiten statt, welche in die Kapazitätsberechnung einbezogen sind (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 19.11.2013 – 7 CE 13.10250 – juris Rn. 8 ff). Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Universität nicht verpflichtet, zur Ausbildung ungeeignete und tatsächlich auch nicht zur Verfügung stehende Behandlungseinheiten in ihrer Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen und auf diese Weise ihre Ausbildungskapazität zulasten einer ordnungsgemäßen Ausbildung der Studierenden rechnerisch zu erhöhen.
bb) Die Universität setzt – wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat – auch zu Recht als Grenzwert für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierender oder Studierenden an (§ 56 Abs. 1 Satz 2 HZV).
Der Grenzwert beruht, ebenso wie die Beschränkung der in Betracht zu ziehenden Behandlungseinheiten auf solche der Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde, auf der sachverständigen Grundlage des im Jahr 1976 im Auftrag des damaligen Bundesministers für Bildung und Wissenschaft von der Projektgruppe Zahnmedizin an der Philipps-Universität Marburg erstellten sogenannten „Mangel-Gutachtens“ („Marburger Analyse“), das sich grundlegend mit der „Analyse und Bewertung von Daten und Methoden zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Zahnmedizin“ befasst (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 11.7.2011 – 7 CE 11.10126 u. a. – juris Rn. 10). Der Senat hat bereits in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 27. September 1982 – 7 B 81 B.1792 u. a. – ausgeführt, dass sich der Verordnungsgeber das Untersuchungsergebnis der Marburger Analyse in einer wertenden Entscheidung zu eigen gemacht und zur verbindlichen Norm erhoben hat. Die Normierung des Grenzwerts stellt daher einen Vorgang wertender Rechtsetzung dar, für den dem Normgeber auch im Bereich des Numerus clausus ein Gestaltungsspielraum offen steht. Hierbei kommt es entscheidend auf das Ergebnis an, nämlich die Tauglichkeit der Norm zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Kapazitäten. Der Senat hat ferner darauf hingewiesen, dass der Umfang der praktischen Ausbildung der Zahnmediziner am Patienten – bedingt durch die begrenzte Ausstattung mit klinischen Behandlungseinheiten – so knapp bemessen ist, dass er keinesfalls weiter unterschritten werden darf.
Diese frühe Einschätzung des Senats hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Dezember 1984 – 7 C 85/82 – (BVerwGE 70, 346) bestätigt. Danach dürfen Einzelerwägungen der Marburger Analyse nicht isoliert betrachtet werden, weil das den Grenzwert erklärende „Ableitungsmodell“ der Marburger Analyse von den konkreten Ausstattungsverhältnissen der Einzelkliniken abstrahierende Modellannahmen zugrunde legt, die in ihrem Gesamtzusammenhang die teilweise widerstreitenden Interessen des klinischen Personals, der auszubildenden Studenten und der Studienbewerber zum Ausgleich bringen. Dem Normgeber obliegt es zwar, die Grenzwertregelung unter Beobachtung zu halten und zu überprüfen, ob der Ausbildungsbetrieb, ohne Schaden zu nehmen, eine zulassungsgünstigere Ausgestaltung des Kapazitätsrechts gestattet. Er muss jedoch nicht darlegen, warum er bei gleichbleibenden Verhältnissen eine einmal getroffene Regelung nicht zulassungsgünstiger ändert. Entgegen der Ansicht des Antragstellers genügt es daher nicht, den derzeit geltenden Grenzwert oder Einzelerwägungen der Marburger Analyse in Zweifel zu ziehen, solange nicht dargetan wird, dass die Ausbildung der Zahnmediziner, ohne Schaden zu nehmen, auch bei Annahme eines zulassungsgünstigeren Grenzwerts möglich wäre. Hierfür gibt es jedoch heute ebenso wie in der Vergangenheit keine Anhaltspunkte.
c) Die Zweifel des Antragstellers an der Berechnung der Schwundquote nach § 53 HZV (bei der Überprüfung des Berechnungsergebnisses anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin) sind im Ergebnis nicht begründet. Wie das Verwaltungsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, weicht die Universität insoweit ohnehin zugunsten der Studienbewerber von der in einer früheren Entscheidung des Senats genannten Berechnungsmethode ab (vgl. BayVGH, B. v. 10.8.2006 – 7 CE 06.10016 u. a. – juris Rn. 14 ff.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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