Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag eines Asylbewerbers aus Mali

Aktenzeichen  M 21 S 17.41641

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus und keine Abschiebungsverbote zuzuerkennen sind, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz der Verschlechterung der politischen und der Sicherheitslage zum Zeitpunkt September 2017 wegen Wiederaufnahme der Kämpfe und steigender politischer Unruhen muss sich der Antragsteller auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend um Bamako, verweisen lassen. (Rn. 20 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R. K., B. A., wird für das Eilverfahren abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten, eigenen Angaben ein lediger, in Mopti geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Fulla.
Er stellte am 5. August 2016 bei der Außenstelle des Bundesamts für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 6. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sich bis zur Ausreise im Dorf Segue, Mopti, aufgehalten zu haben. Sein Heimatland habe er am 5. März 2013 verlassen und sei am 28. Dezember 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter lebe noch in ihrem Dorf. Er habe noch drei Brüder, eine Halbschwester und eine Großfamilie im Heimatland. Er habe in der Landwirtschaft und der Viehzucht gearbeitet. Nachdem der Antragsteller erklärte, akuten Läusebefall zu haben, wurde die Anhörung abgebrochen.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 1. Dezember 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, nicht genau zu wissen, was ein Asylantrag bedeute. Er wisse nicht, ob er in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Aufgrund von Ausbeutung habe er sein Land verlassen. Sie seien vom Eigentümer der Hütte, in der sie gewohnt hätten, zur Arbeit gezwungen worden. Sie seien von der Familie dieses Eigentümers geschlagen und ausgebeutet worden. Als der Antragsteller nicht mehr gekonnt habe, sei er geflohen. In Gao habe er einen Mann getroffen, der ihm das Geld für die Flucht gegeben habe. Er erinnere sich nicht mehr an den Tag, an dem er sein Dorf verlassen habe. Es sei im Februar 2013 gewesen. Wegen der Angelegenheit sei er nicht zur Polizei gegangen. In Gao und auch in anderen Teilen Malis hätten ihn die Leute gefunden. In Libyen habe er auf Baustellen gearbeitet. Die Frage, ob er an einer schweren oder chronischen Krankheit leide, verneinte der Antragsteller. In Mali habe er nie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden gehabt.
Mit an das Bundesamt gerichtetem Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 ließ der Antragsteller seine Angaben ergänzen und ärztliche Stellungnahmen zu seinem Gesundheitszustand vorlegen.
Auf die dem Schriftsatz als Anlage beigefügten ärztliche Atteste des Herrn Dr. St., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 12. Dezember 2016 (Bl. 96 der Bundesamtsakte) und des Herrn Dr. S., Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, vom 13. Dezember 2016 (Bl. 97 der Bundesamtsakte) wird ebenso Bezug genommen wie auf den Arztbrief des Neurozentrums Prien vom 9. November 2016 (Bl. 98 f. der Bundesamtsakte), demzufolge beim Antragsteller aus neurologischer Sicht aktuell kein weiterer Handlungsbedarf bestehe.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen sei nicht asylrelevant. Dem Antragsteller stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zur Verfügung. Eine Rückkehr etwa nach Bamako sei zumutbar. Zudem sei davon auszugehen, dass er als alleinstehender, junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen könne. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis hinsichtlich einer etwaigen Narbenwucherung scheide schon deshalb aus, weil es sich hierbei nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handle. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 23. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 12. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, hilfsweise, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf weniger als 30 Monate zu bemessen.
Über die Klage (M 21 K 17.41640) ist noch nicht entschieden.
Am 23. Mai 2017 ließ der Antragsteller zugleich beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 23. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben des Antragstellers begründeten eine konkrete Gefahr. Für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bestehe keine Veranlassung. Der Antragsteller habe zahlreiche Freunde in Deutschland gewonnen und sei gut integriert. Die Entscheidung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot lasse eine individuelle Ermessensausübung nicht erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der (bestandskräftigen) Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Abgesehen von der nicht entscheidungserheblichen Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
2. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R. K. war nach den vorstehenden Ausführungen für den Eilantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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