Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Ablehnung eines auf die Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkten Asylfolgeantrages

Aktenzeichen  Au 4 E 18.30596

Datum:
16.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7122
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AsylG § 71 Abs. 5 S. 2
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Ein chronische Hepatitis B ist in Sierra Leone behandelbar. Die notwendigen Medikamente sind eher preisgünstig. (Rn. 14 und 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz, nachdem sein weiterer, auf die Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkter Asylfolgeantrag abgelehnt wurde.
Nach eigenen Angaben ist der Antragsteller Staatsangehöriger Sierra-Leones. Sein Asylerstantrag vom 11. November 2010 blieb ebenso wie sein auf Abschiebungsverbote beschränkter Asylfolgeantrag vom 27. August 2013 ohne Erfolg. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vorgeschichte wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. März 2018 sowie auf die Bescheide vom 27. Juli 2011 und vom 12. Januar 2016 betreffend die vorangegangenen Anträge des Antragstellers Bezug genommen; ferner wird Bezug genommen auf die diesbezüglich ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (VG Augsburg, U.v. 15.6.2012 – Au 7 K 12.30023; BayVGH, B.v. 12.9.2012 – 9 ZB 12.30293; VG Augsburg, U.v. 13.5.2016 – Au 4 K 16.30198).
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 6. Juli 2017 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Wiederaufgreifensantrag bezüglich § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Zur Begründung wurde auf ein Attest des Klinikums … verwiesen, wonach im Falle der Unterbrechung der Behandlung der chronischen Hepatitis mit dem Medikament Baraclude mit einer Reaktivierung der Virusreplikation sowie einem Fortschreiten der Leberzellschädigung zu rechnen sei. Ferner wurde ein Attest des Bezirkskrankenhauses … vom 24. Juni 2017 vorgelegt. Ein weiteres Attest des Bezirkskrankenhauses … vom 13. November 2017 wurde im Laufe des Verfahrens vorgelegt.
Mit Bescheid vom 19. März 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 27. Juli 2011 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab. Im Wesentlichen wurde ausgeführt: Die Erkrankungen seien bereits in den (auch verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren) vorgetragen worden und somit präkludiert. Eine andere Sachlage ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn gem. §§ 48, 49 VwVfG lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Sierra Leone führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege.
Der Antragsteller ließ am 26. März 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben (Au 4 K 18.30594). Ferner beantragte er gem. § 123 VwGO (einstweilige Anordnung),
die Beklagte zu verpflichten, eine bereits erfolgte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde vorläufig zu widerrufen bzw. falls eine solche Mitteilung noch nicht erfolgt ist, es vorläufig zu unterlassen, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Mitteilung gem. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorzunehmen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 29. März 2018 vorgetragen: Nach einem Bescheid des Bundesamts vom 6. Mai 2013 sei eine chronische Hepatitis B in Sierra Leone nicht behandelbar. Zudem gebe es keine freie Gesundheitsfürsorge. Wenn das Bundesamt nunmehr in dem streitgegenständlichen Bescheid von einer Behandelbarkeit ausgehe, sei dies widersprüchlich. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie die Botschaft in Accra in Ghana die medizinische Lage im mehr als 1.800 km entfernten Sierra Leone beurteilen könne. Das Klinikum … führe in seinem vorgelegten Attest aus, dass mit einem Fortschreiten der Leberzellschädigung zu rechnen sei. Diese könne sich in einer Leberfibrose, Leberzirrhose oder eines Leberzellkarzinoms manifestieren. Auch wäre der Antragsteller nicht in der Lage, für eine Behandlung der Hepatitiserkrankung, insbesondere die erforderliche Kontrolle der Blutwerte und die Bestimmung der Viruslast, aufzukommen. Sein in der BRD lebender Vater könne ihn dabei nicht unterstützen, weil auch dieser die erforderlichen finanziellen Mittel nicht besitze.
Die Antragsgegnerin übermittelte am 3. April 2018 ihre Akten; in der Sache äußerte sie sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der vorangegangenen Verfahren Au 7 K 12.30023; Au 4 K 16.30198) sowie die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Antragsteller hat in Bezug auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller hat voraussichtlich keinen Anspruch darauf, dass ihm im Wege eines weiteren Asylfolgeantrags Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG zuerkannt werden; der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 19. März 2018 wird sich wohl als rechtmäßig erweisen und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und nimmt hierauf Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ferner ist auszuführen: In Bezug auf die beim Antragsteller diagnostizierte chronische Hepatitis B ist in dem von ihm vorgelegten ärztlichen Brief vom 8. Juni 2017 keine Änderung der Sachlage und auch kein neues Beweismittel gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 51 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwVfG zu erblicken. Eine derartige Erkrankung ist beim Antragsteller bereits vor Ergehen des Bescheids im Asylerstverfahren (Bescheid vom 27.7.2011) diagnostiziert worden (Attest vom 21.1.2011, vorgelegt im Verfahren Au 7 K 11.30322). Auch im Verwaltungsstreitverfahren betreffend das Asylerstverfahren ist diese Erkrankung vom Antragsteller angeführt worden (vgl. u.a. ärztliches Attest vom 22.11.2011, vorgelegt im Verfahren Au 7 K 11.30322 mit Schriftsatz vom 24.11.2011). Allerdings ist dort mit ärztlichem Attest vom 11. Mai 2012 antragstellerseits selbst geltend gemacht worden, dass eine Therapienotwendigkeit nicht bestehe (vgl. dazu VG Augsburg, U.v. 15.6.2012 – Au 7 K 12.30023 – Rn. 34). Ebenso ist die chronische Hepatitis B Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend den ersten Folgeantrag des Antragstellers gewesen (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.5.2016 – Au 4 K 16.30198 – Rn. 60 ff.), wobei hier ebenfalls bereits ein Schreiben des Klinikums … (vom 4.4.2016; Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 15.4.2016) vorgelegt wurde und von einer medikamentösen Behandlung ausgegangen wurde. Demzufolge hat sich das Verwaltungsgericht in dem genannten Urteil mit den entsprechenden Aussagen des Klinikums … auseinandergesetzt und ausgeführt, dass sich hieraus nicht ergibt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erfüllt sind. Welche geänderten bzw. neuen Erkenntnisse sich aus dem im jetzigen Folgeverfahren vorgelegten Schreiben des Klinikums … ergeben sollen, ist weder näher dargetan noch ersichtlich.
Zwar enthält das Schreiben vom 8. Juni 2017 einen Satz dazu, in welcher Form sich das Fortschreiben der Lebererkrankung manifestieren könne (Leberfibrose, Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom). Diese Aussage dürfte jedoch insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass das Verwaltungsgericht Augsburg entsprechende Aussagen in dem im ersten Folgeverfahren vorgelegten Attest vermisst hat; wieso jedoch diese Angaben – sollten sie für ein gesundheitsbezogenens Abschiebungsverbot von wesentlicher Bedeutung sein – nicht bereits in den ärztlichen Attesten des ersten Folgeverfahrens enthalten waren, erschließt sich nicht (vgl. auch § 51 Abs. 2 VwVfG). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Annahme, dass sich aus dem vorgelegten Schreiben des Klinikums … kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG ergibt, auch auf weitere Gründe gestützt; inwieweit insofern neue oder geänderte Tatsachen vorliegen, erschließt sich ebenfalls nicht.
Vielmehr gilt folgendes: Der Antragsteller selbst hat im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens über seinen Asylerstantrag ein Attest (vom 11.5.2012) vorgelegt, in dem – nach seiner Vorstellung bei einem „Leberspezialisten“ – bezüglich der chronischen Hepatitis B eine Therapienotwendigkeit nicht gesehen und ausgeführt wurde, die Hepatitis sei „nicht das Hauptproblem“. Ferner ist in dem im gerichtlichen Verfahren betreffend den ersten Folgeantrag vorgelegten Schreiben des Klinikums … vom 4. April 2016 davon die Rede, dass – wie sich auch aus den gerichtlichen Akten des Asylerstverfahrens ergibt – die chronische Hepatitis B seit 2011 (nach dem bereits genannten Attest vom 21.1.2011 bereits seit Januar 2011) bekannt sei. Eine Therapie sei bislang nicht erfolgt. Erst im April 2016, d.h. über fünf Jahre nach Diagnosestellung, ist demzufolge eine medikamentöse Behandlung begonnen worden. Selbst in seinem ersten Asylfolgeverfahren hat sich der Kläger zunächst nicht (erneut) auf die Hepatitis B-Erkrankung berufen, sondern erst im gerichtlichen Verfahren, über zweieinhalb Jahre nach Stellung des entsprechenden Antrags. Inwieweit eine solche Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lebensbedrohlich oder schwerwiegend sein kann und sich durch bzw. in Folge einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, erschließt sich dem Gericht nicht.
Im Übrigen ist in dem streitgegenständlichen Bescheid nachvollziehbar ausgeführt, dass nach aktueller Auskunftslage (Auskunft Botschaft Accra vom 26.9.2017, Bl. 16 f. Bundessamtsakte) eine Hepatitis B in Sierra Leone behandelbar ist Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass dies nach einem Bescheid des Bundesamts vom 6. Mai 2013 nicht der Fall sei, besteht kein Widerspruch, sondern liegt entgegen § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 51 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwVfG zu Lasten des Asylantrags eine Änderung der Sachlage bzw. ein neues Beweismittel vor, nachdem der vom Antragsteller vorgelegte Bescheid offenbar auf einer Auskunft vom 8. Juni 2011 beruht. Nachdem zwischen beiden Auskünften über sechs Jahre liegen, erscheint eine derartige Änderung bzw. Verbesserung auch insoweit nachvollziehbar. Das Gericht vermag auch dem Einwand der Antragstellerseite nicht zu folgen, die Botschaft Accra (Ghana) könne die Lage in Sierra Leone nicht zuverlässig beurteilen. Dem Gericht ist aus anderen Auskunftsersuchen bekannt, dass die Botschaft Accra, soweit erforderlich, einen Regionalarzt einschaltet, der gegebenenfalls für mehrere Länder zuständig ist und Ermittlungen anstellt. Sollte die Botschaft gleichwohl eine Frage nicht oder nicht zuverlässig beantworten können, ist anzunehmen, dass dies in der Beantwortung des Auskunftsersuchens entsprechend festgehalten wird, wie dies auch immer wieder festzustellen ist. Dies ist jedoch in der genannten Auskunft nicht geschehen; vielmehr ist die Auskunftserteilung substantiiert und zu etlichen Aspekten auch detailreich erfolgt.
Ferner ist davon auszugehen, dass der Antragsteller eine Behandlung seiner Krankheit in Sierra Leone finanzieren könnte. Nach der genannten Auskunft sind die nötigen Medikamente eher preisgünstig; ihr Erwerb stellt keine außergewöhnliche Belastung dar. Der Antragsteller ist jung, gesund und erwerbsfähig. Ausweislich des Bescheids aus dem Asylerstverfahren verfügt er noch über Familie in Sierra Leone (Mutter; fünf Geschwister). In der mündlichen Verhandlung betreffend den Asylerstantrag hat der Kläger ausdrücklich bestätigt, dass seine Mutter noch lebe. Ferner hat er dort angegebenen, dass ihn Freunde und die Nachbarschaft unterstützt und ihm Essen gegeben hätten. Ob der Antragsteller von seinem Vater unterstützt werden könnte, ist daher unerheblich; zu hinterfragen ist allerdings die pauschale Angabe des Antragstellers, sein Vater verfüge nicht über die nötigen finanziellen Mittel für eine Unterstützung deshalb, weil sein Vater nach antragstellerischen Angaben im Asylerstverfahren bereits seit ca. 1993 in Deutschland lebt und es diesem im Jahre 2004 möglich war, den Antragsteller in Wellington zu besuchen.
Soweit der Kläger geltend macht, bei ihm sei es mit einer Einnahme der Medikamente nicht getan, vermag dies die genannte Beurteilung nicht in Zweifel zu ziehen. Nach dem vom Kläger vorgelegten Kurzbrief des Klinikums … vom 6. April 2017 besteht die Therapie in einer Medikation. Für eine Erforderlichkeit darüber hinausgehender Maßnahmen ist dem Schreiben nichts zu entnehmen. Eine Gleichwertigkeit der medizinischen Versorgung in Sierra Leone mit der hiesigen Versorgung ist nicht erforderlich (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Soweit der Kläger zur Begründung seines Asylfolgeantrags Atteste hinsichtlich psychischer Erkrankungen (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung) vorgelegt hat, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht sich mit den entsprechenden Fragestellungen in seinen vorangegangenen Urteilen vom 15. Juni 2012 (Au 7 K 12.30023) sowie vom 13. Mai 2016 (Au 4 K 16.30198) ausführlich befasst hat; worin eine Änderung der Sachlage oder neue Beweismittel liegen könnten, ist gleichfalls nicht ersichtlich.
Der Antrag war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Soweit sich der gestellte Prozesskostenhilfeantrag auf das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezieht, war er mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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