Verwaltungsrecht

Erfolgloser Folgeantrag eines irakischen Staatsangehörigen aus der Region Kurdistan-Irak

Aktenzeichen  M 4 K 20.30522

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40183
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Will der Kläger mit dem Folgeantrag lediglich seine ursprünglichen Gründe nochmals geltend machen, liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Insgesamt ist unter Berücksichtigung aller Umstände nicht davon auszugehen, dass in der Region Kurdistan-Irak eine allgemeine Situation der Gewalt vorliegt, die so extrem ist, dass für den Kläger die reale Gefahr bestünde, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. (Rn. 21 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Alleinstehende junge Männer, die nicht gesundheitlich oder anderweitig beeinträchtigt sind, stellen die Personengruppe dar, denen grundsätzlich zugemutet werden kann, sich in der Region Kurdistan-Irak niederzulassen. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn sie über kein unterstützendes Netzwerk im Irak verfügen. (Rn. 36 – 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört, § 84 Abs. 1 VwGO. Der Kläger muss die Anhörung gemäß §§ 76 Abs. 3 Satz 4, 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG gegen sich gelten lassen, auch wenn sie ihm ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 23. November 2021 nicht zugestellt werden konnte, weil der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Der Kläger wurde vom Bundesamt auf die möglichen Rechtsfolgen hingewiesen.
I. Die Klage ist abzuweisen, weil sie unbegründet ist. Der Bescheid des Bundesamts vom 5. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Bundesamt hat den Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt und ebenfalls zu Recht den Antrag auf Abänderung des Bescheids bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids vom 5. Februar 2020, § 77 Abs. 2 AsylG. Auch im maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ergibt sich keine andere Beurteilung, auch nicht unter Berücksichtigung der Begründung der Klage.
1. Die Beklagte hat den weiteren Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG abgelehnt.
1.1. Der Kläger hat ein erneutes Asylbegehren geäußert, indem er geltend macht, dass er seine ursprünglichen Gründe nochmals geltend machen möchte. Es handelt sich somit nicht um einen sog. isolierten Folgeschutzantrag, § 71 AsylG ist anwendbar.
1.2. Ein weiteres Asylverfahren ist nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen.
Eine Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist nicht gegeben. Aus dem Vortrag des Klägers ist nicht ersichtlich, dass sich an dem der gerichtlichen Entscheidung im Asylerstverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt nachträglich etwas geändert hätte, das nunmehr eine Schutzgewährung für den Kläger möglich erscheinen ließe. Der Umstand, dass seine leibliche Mutter sich nunmehr ebenfalls im Bundesgebiet aufhält, ist im Hinblick auf eine Bedrohungssituation im Heimatland ersichtlich ohne Relevanz. Auch die Rechtslage hat sich nicht nachträglich zu Gunsten des Klägers geändert. Neue Beweismittel liegen ebenso wenig vor wie Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid wird Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 10. April 2017 abzuändern und das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak festzustellen.
Unabhängig davon, dass bereits die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in Bezug auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nicht vorliegen, liegen auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat sich in seinem Urteil vom 22. Mai 2019 ausführlich mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers und der abschiebungsrelevanten Lage im Irak und dort insbesondere in der Heimatprovinz des Klägers … auseinandergesetzt. Weder der Umstand, dass seine leibliche Mutter nunmehr nicht mehr im Irak lebt, noch die maßgebliche aktuelle Lage in der Provinz … in der Region Kurdistan-Irak rechtfertigen derzeit die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots für den Kläger.
2.1. Es ergibt sich für den Kläger kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, weil ihm im Irak keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben würden, sind in Bezug auf den Kläger indes nicht feststellbar. Insbesondere droht dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Irak keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
2.1.1. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die Unzulässigkeit einer Abschiebung wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründet, geht dessen sachlicher Regelungsbereich nicht über denjenigen von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hinaus. Daher scheidet bei der Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris). Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wurde im Erstverfahren bereits bestandskräftig abgelehnt, und Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG hat der Kläger nicht geltend gemacht (s.o.).
2.1.2. Dem Kläger droht auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch den IS oder auf Grund der allgemeinen Sicherheitslage. Eine Situation extremer allgemeiner Gewalt liegt nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen in der Region Kurdistan-Irak, zu der die Herkunftsprovinz des Klägers … gehört, nicht vor.
Die allgemeine Sicherheitslage in der Region Kurdistan-Irak ist zwar – wie im gesamten Irak – volatil, sie stellt sich aber im Vergleich zu den Gebieten des Zentralirak als besser und relativ stabil dar. Gleichwohl kommt es auch in der Region Kurdistan-Irak immer wieder zu sicherheitsrelevanten Vorfällen, vor allem militärischen Zusammenstößen, von denen auch Zivilpersonen betroffen sein können. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen sind Ziele terroristischer Attacken. Die meisten bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region Kurdistan-Irak ereigneten sich in letzter Zeit im Grenzgebiet zur Türkei. Dort kommt es zu türkischen Militäroperationen, vor allem zu Luftangriffen gegen die PKK. Außerdem gibt es Berichte darüber, dass militante iranisch-kurdische Gruppierungen aus der Region Kurdistan-Irak heraus Angriffe gegen den Iran durchführen und der Iran wiederum diese Gruppen angreift (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen, Länderinformationsblatte der Staatendokumentation – Irak, 17.3.2020, S. 24 f.; EASO, Iraq – Security Situation, Country of Origin Information Report, Oktober 2020, S. 30; UNHCR, UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019, S. 26).
Auch in der Region Kurdistan-Irak besteht das Risiko von IS-Angriffen, sie sind dort aber vergleichsweise selten. Dem Gericht liegen zudem keine Erkenntnisse darüber vor, dass der IS in der Region Kurdistan-Irak gezielt und in großem Umfang Angriffe gerade gegen Yeziden durchführt. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts ist allgemein davon auszugehen, dass in der Region Kurdistan-Irak Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt sind. Viele Angehörige von Minderheiten haben dort Zuflucht gefunden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 22.1.2021, S. 11).
Dieser Umstand ist jedenfalls auch ein Indiz dafür, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der Region Kurdistan-Irak besser darstellt als in anderen Landesteilen (so auch NdsOVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 136).
Ohne zu verkennen, dass es in der Region Kurdistan-Irak zu zivilen Opfern vor allem im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen kommt, ist deren Anzahl aber generell – abgesehen von den unmittelbaren Grenzgebieten zur Türkei und zum Iran – vergleichsweise niedrig (vgl. hierzu EASO, Iraq – Common analysis and guidance note, Januar 2021, S. 35, 137 f., 141 f. und 151 ff.).
Insgesamt ist unter Berücksichtigung all dieser Umstände daher nicht davon auszugehen, dass in der Region Kurdistan-Irak eine allgemeine Situation der Gewalt vorliegt, die so extrem ist, dass für den Kläger die reale Gefahr bestünde, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
2.1.3. Allerdings können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung, die nicht auf einen verantwortlichen Akteur im Sinne von § 3c AsylG zurückzuführen sind, in ganz außergewöhnlichen Fällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
Dies ist dann der Fall, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür ein Mindestmaß an Schwere aufweisen. Das insoweit für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere kann erreicht sein, wenn der Ausländer im Falle seiner Rückkehr seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Der Ausländer muss sich in einer Situation extremer materieller Not befinden, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.2.2021 – 1 C 4.20 – juris unter Hinweis auf EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 und C-163/17 juris; OVG Münster, U.v. 10.5.2021 – 9 A 570/20.A – juris).
Diese hohen Anforderungen sieht das Gericht im Fall des Klägers nicht als erfüllt an.
Es bedarf für die mit Blick auf die humanitären Bedingungen zu treffende Gefahrenprognose im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und persönlichen Merkmale des betreffenden Ausländers. Bei der erforderlichen, im Einzelfall zu treffenden Gefahrenprognose sind – neben der Bewertung der aktuellen Lage in der Region Kurdistan-Irak – die die Lebensbedingungen erschwerenden sowie begünstigenden Faktoren in den Blick zu nehmen und abzuwägen. Zu den zu würdigenden individuellen Faktoren gehören dabei etwa das Alter und das Geschlecht des Rückkehrers, die familiäre Anbindung, der Bildungsstand, der Gesundheitszustand und mögliche bzw. zu erwartende Unterstützungsleistungen (vgl. OVG Münster, U.v. 12.10.2021 – 9 A 549/18.A – juris Rn. 176 m.w.N.). Bei der gebotenen individuellen Betrachtung ist für den Kläger davon auszugehen, dass er im Falle einer Abschiebung seine elementarsten Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft wird befriedigen können.
Auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen wird Bezug genommen. An der dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachlage hat sich nichts geändert, was zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung führen würde.
Nach den der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnissen kann der irakische Staat die Grundversorgung der Bevölkerung zwar nicht durchgehend und auch nicht in allen Landesteilen gewährleisten. Die Lebensbedingungen und die humanitären Verhältnisse in der Region Kurdistan-Irak sind zwar allgemein schwierig. Sie begründen derzeit aber nicht generell für jeden dorthin zurückkehrenden Yeziden einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Der Kläger gehört als junger alleinstehender Mann nicht zu einer Personengruppe, die aufgrund der insgesamt schlechten Versorgungslage besonders gefährdet ist. Alleinstehende junge Männer, die nicht gesundheitlich oder anderweitig beeinträchtigt sind, sind vielmehr gerade die Personengruppe, denen grundsätzlich zugemutet werden kann, sich in der Region Kurdistan-Irak niederzulassen. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn sie über kein unterstützendes Netzwerk im Irak verfügen (vgl. EASO, Country Guidance Iraq, Januar 2021, S. 175). Abgesehen davon, dass der Kläger über ein unterstützendes Netzwerk im Irak verfügt, ist auch maßgeblich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Binnenflüchtling handelt, dem eine Rückkehr in seinen Heimatort nicht oder nur unter erheblichen Erschwernissen möglich wäre. Der Familie des damals noch minderjährigen Klägers war es trotz der allgemein schwierigen Lebensumstände im Irak möglich, bis zu seiner Ausreise in ihrem ersichtlich verschont gebliebenen Heimatdorf zu leben und den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern. Darüber hinaus war die Familie offenbar auch in der Lage, zahlreichen Familienmitgliedern die Ausreise nach Deutschland zu finanzieren.
Dass sich der Kläger bei einer heutigen Rückkehr in einer existenzbedrohenden Situation wiederfinden würden, ist nicht anzunehmen. Der Kläger hat zehn Jahre lang die Schule besucht und ist ein arbeitsfähiger junger Mann. Außerdem verfügt er über familiäre Beziehungen im Irak. Soweit er angegeben hat, zu seinem Vater nur noch wenig Kontakt zu haben, ist es ihm zuzumuten, diesen Kontakt wiederaufzunehmen bzw. zu intensivieren. Abgesehen davon befinden sich auch Onkel und Tanten im Irak und können den Kläger ggf. unterstützen. Zudem leben die Mutter und Stiefmutter und zahlreiche, auch volljährige Geschwister bzw. Halbgeschwister des Klägers, z.T. mit Aufenthaltstitel im Bundesgebiet, die den Kläger ebenfalls ggf. finanziell unterstützen können. Darüber hinaus kann der Kläger für die Übergangszeit im Falle einer freiwilligen Rückkehr in den Irak bei Vorliegen der Voraussetzungen die Rückkehrhilfen des REAG/GARP-Programms sowie des Starthilfe-Plus-Programms in Anspruch nehmen, die ihm eine Rückkehr erheblich vereinfachen dürften (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, v. 22.1.2021).
Dass es dem Kläger bei diesen Gegebenheiten nicht gelingen sollte, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen und zumindest sein Existenzminimum zu sichern, steht daher nicht zu erwarten.
2.1.2. Ein Abschiebungsverbot folgt auch nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine solche allgemeine Gefahrenlage, der der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ebenso wie die Bevölkerung ihres Heimatlandes insgesamt oder zumindest einzelne Bevölkerungsteile ausgesetzt wären, kann nur dann ein zwingendes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, wenn es dem Kläger mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbaren Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten wäre, in den Irak abgeschoben zu werden. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger im Irak aufgrund der dortigen Existenzbedingungen einer Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er bei einer Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris, U.v. 8.9.2012 – 10 C 14.10 – juris).
Dass dem Kläger für den Fall seiner Abschiebung in den Irak aufgrund der dortigen Sicherheits- oder Versorgungslage keine derart extreme Gefährdungslage droht, ergibt sich indes bereits aus den obigen Darlegungen. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im Bescheid Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
II. Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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