Verwaltungsrecht

Erfolgloser PKH-Antrag für Klage gegen Ausweisung wegen Straftaten

Aktenzeichen  M 25 K 16.754

Datum:
31.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27214
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
AufenthG § 25 Abs. 3, § 53 Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 7
AsylG § 73c

 

Leitsatz

1 Im Rahmen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG gleichzusetzen, wenn die Aufenthaltserlaubnis wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung versagt wurde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dass eine Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde unter die Bedingung gestellt wird, dass ein vom Bundesamt erlassener Widerruf der Feststellung eines Abschiebungsverbotes bestandskräftig wird, ist rechtlich unbedenklich. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung und die festgesetzte sieben- bzw. neunjährige Wiedereinreisesperre.
Der spätestens im Januar 1994 und nicht ausschließbar vor dem 20. August 1992 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 18. Januar 2010 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 18. Februar 2010 Asyl. Mit Bescheid vom 31. März 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. nicht vorliegen. Hiergegen erhob der Kläger Klage (M 22 K 10.30267). Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 wurde das Bundesamt verpflichtet festzustellen, dass das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG vorliegt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung bestehe für den Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Gefahr für Leib oder Leben. Das Bundesamt hat das Abschiebungsverbot mit Bescheid vom 8. April 2014 festgestellt.
Am 18. Februar 2010 stellte die Beklagte dem Kläger erstmals eine Aufenthaltsgestattung aus, die mehrfach befristet verlängert wurde, zuletzt bis zum 13. September 2013.
Der Kläger befand sich von 11. August 2011 bis 22. August 2011 und vom 31. Oktober 2012 bis 15. November 2012 wegen einer Anpassungsstörung stationär im Isar-Amper-Klinikum zur Behandlung.
Strafrechtlich ist der Kläger im Bundesgebiet wie folgt in Erscheinung getreten:
– Urteil des Amtsgerichts München vom 20. Juni 2013 (Az. …13) wegen Erschleichens von Leistungen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Erteilung von richterlichen Weisungen;
– Urteil des Landgerichts München I vom 13. August 2014 (Az. …13; vorausgehend Urteil des AG München vom 6.2.2014) wegen versuchter Vergewaltigung, Verurteilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Dem Urteil des Landgerichts München I vom 13. August 2014 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: am 20. August 2013 verfolgte der Kläger im Ostpark in München die dort joggende Geschädigte M. Als diese auf den Kläger aufmerksam wurde, forderte sie ihn auf, sie in Ruhe zu lassen und beschleunigte ihre Schritte. Als der Kläger die Geschädigte eingeholt hatte, stieß er sie mit den Worten „Ich will dich ficken“ von hinten zu Boden und versuchte sich auf sie zu legen. Durch Dritte gelang es der Geschädigten den Kläger abzuwehren und wegzulaufen. Die Geschädigte rief dabei mehrfach laut um Hilfe. Der Kläger verfolgte sie weiter und äußerte mehrfach erneut, dass er die Geschädigte „ficken wolle“. Der Kläger wurde von Passanten festgehalten. Kurze Zeit später riss er sich los und er ging erneut auf die Geschädigte los mit den Worten „Ich will dich ficken“ und versuchte sie am Fuß packen.
Der Kläger wurde am 20. August 2013 vorläufig festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft. Der Kläger wurde im Mai 2016 aus der Haft entlassen.
Nach Anhörung des Klägers wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 2. Februar 2016 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1) und befristete unter der Bedingung, dass Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen wird, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sieben Jahre sowie für den Fall der Nichterfüllung der Bedingung auf neun Jahre ab Ausreise (Ziff. 2). Sofern das mit Bescheid des Bundesamts vom 8. April 2014 festgestellte Abschiebungsverbot rechtskräftig widerrufen wird, wurde die Abschiebung des Klägers nach erfülltem Strafanspruch des Staates und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aus der Haft nach Afghanistan angedroht. Sollte der Kläger aus der Haft entlassen werden, bevor die Abschiebung durchgeführt werden kann, verpflichtete die Beklagte den Kläger, das Bundesgebiet bis spätestens vier Wochen nach Haftentlassung zu verlassen und drohte für die nicht fristgerechte Ausreise die Abschiebung nach Afghanistan an (Ziff. 3). Von einer Darstellung der Bescheidsgründe wird abgesehen und vollumfänglich auf diese verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, den Bescheid vom 2. Februar 2016 aufzuheben. Zugleich beantragte er,
dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt … beizuordnen.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass beim Kläger ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1, 2 AufenthG bestehe. Unstrittig sei der Kläger als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seit mindestens fünf Jahren hier auf. Der Kläger sei zwar nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisung gewesen, allerdings sei er so zu stellen, wie wenn er im Besitz eines Aufenthaltstitels wäre. Zu berücksichtigen sei, dass das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 30. Januar 2014 die Bundesrepublik verpflichtet habe, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und hieraus ein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis resultiere. Spätestens seit Erlass des Bescheides des Bundesamtes vom 8. April 2014 sei die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 2. Alt. AufenthG zu erteilen. Somit stehe einem besonderen Ausweisungsinteresse ein besonderes Bleibeinteresse gegenüber. Der Schwere der Tat stehe der mittlerweile fünfjährige Aufenthalt gegenüber sowie die Tatsache, dass der Kläger als Minderjähriger fliehen musste. Ungeachtet einer bestehenden aktuellen psychiatrischen Erkrankung sei festzustellen, dass der Kläger zweimal einer stationären Behandlung in der Psychiatrie bedurfte und danach auch psychiatrisch betreut werden musste. Zudem habe der Kläger bei Begehung der Straftat nach seiner Entwicklung einem Jugendlichen gleich gestanden und es sei mit einer Stabilisierung und Nachreifung zu rechnen. Die Mutter, die Schwester und der Bruder seien mittlerweile als Asylsuchende in Deutschland, ebenso der Onkel. Es könne nicht von einer negativen Prognose ausgegangen werden, da der Kläger mittlerweile mit der Tataufarbeitung begonnen habe. In einem Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 7. März 2016 habe er geschildert, dass er mit seiner Familie bereit sei, eine Therapie in Angriff zu nehmen, um seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Klägerbevollmächtigte verweist diesbezüglich auf den Führungsbericht der JVA … Der Bescheid sei in der Abwägung fehlerhaft, da er vom Nichtvorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger ausgehe. Zu bedenken sei auch, dass ein Abschiebungsverbot vorliege. Sofern dies widerrufen würde, werde dagegen Klage erhoben. Dies sei unausweichlich, da hinreichend geklärt sein müsse, ob der Kläger unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Im Übrigen sei jedenfalls die Befristung der Wiedereinreisesperre zu lang. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass der Kläger bei Tatbegehung minderjährig gewesen sei. Gegen die Verknüpfung einer Reduzierung der Sperrfrist an die Straffreiheit bestehen zudem systematische Bedenken, da der Kläger Ersttäter sei. Daher sei die Auflage des Nachweises der Straffreiheit schon unverhältnismäßig. Dies gelte auch für die Drogenfreiheit, da eine solche Bedingung bei einem Gelegenheitskonsum ohne Abhängigkeitssymptome rechtswidrig sei. Auch bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Diese stünde unter der Bedingung des Widerrufs des festgestellten Abschiebungsverbots. Ob diese Bedingung eintrete, sei ungewiss. Der Abschiebungsandrohung stehe auch § 73c Abs. 2 AsylG entgegen.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2016 widerrief das Bundesamt das mit Bescheid vom 8. April 2014 festgestellte Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und stellte zudem fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegen. Der Widerruf wurde darauf gestützt, dass das Landgericht München I im Urteil vom 13. August 2014 festgestellt hat, dass es keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Klägers gebe und eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege. Gegen den Widerrufsbescheid hat der Kläger Klage erhoben (M 15 K 16.32128), über die noch nicht entschieden ist. Mit Beschluss vom 14. März 2017 wurde festgestellt, dass Beweis darüber zu erheben ist, ob der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und diese sich bei einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens.
Mit Schreiben vom 15. September 2016 legte der Klägerbevollmächtigte eine Stellungnahme von Condrobs vom 18. August 2016 vor, aus der hervorgehe, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Haft alle an ihn gerichteten Anforderungen erfülle und sich gut integriere.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten wird mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichend sind die Erfolgsaussichten in der Klage jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, B. v. 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 – juris) oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rn. 26). Dabei sollen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes nicht überspannt werden, um zu vermeiden, dass der unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten der grundrechtlich garantierte Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert wird (vgl. BVerfG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war. Die Ausweisungsentscheidung ist nach derzeitigem Verfahrensstand rechtmäßig, da der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG).
Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut erheblich straffällig wird (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris). Der Kläger ist schon kurze Zeit nach seiner Einreise in das Bundesgebiet zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten, zuletzt mit Verurteilung durch das Landgericht München I vom 13. August 2014 wegen versuchter Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Hierbei handelt es sich um eine schwerwiegende Straftat, die einen massiven Eingriff in das hohe Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung darstellt. Die Wiederholungsgefahr wird auch durch den Umstand verstärkt, dass der Kläger weiterhin keine Einsicht in das Unrecht seiner Tat zeigt und auch bisher keine Aufarbeitung bzw. Therapie begonnen hat (vgl. Beschluss des AG München vom 25.7.2016 auf die Beschwerde des Klägers gegen den Führungsaufsichtsbeschluss vom AG Bamberg vom 4.5.2016), obwohl er seit seiner Inhaftierung im August 2013 sowie auch nach seiner Haftentlassung im Mai 2016 ausreichend Zeit gehabt hätte, eine solche zu beginnen. Mithin hat der Kläger während seiner Haftzeit die Tat geleugnet und keine Reue gezeigt, was eine Aufarbeitung der Tat unmöglich macht. Auch hat der Kläger in Haft keine sozialtherapeutischen Maßnahmen für Sexualstraftäter angestrebt bzw. daran teilgenommen (vgl. Führungsbericht der JVA … vom 26.1.2016). Auch der im Klageverfahren erstmalige Vortrag des Klägers, er werde mit der Unterstützung seiner Familie eine Therapie beginnen, ist als reine Schutzbehauptung zur Abwendung der Ausweisung zu werten. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte Einschätzung von Condrobs vom 18. August 2016 trifft hierzu gerade keine Aussage. So lange eine erfolgreiche Therapie und anschließende Bewährung nicht stattgefunden hat, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht. Auch das ausweislich des Berichts von Condrobs vom 18. August 2016 auch unter dem Druck einer möglichen Ausweisung bisher beanstandungsfreie Verhalten des Klägers nach Haftentlassung mindert die Wiederholungsgefahr nicht.
Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist, § 53 Abs. 1 AufenthG. Allein aufgrund der Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung erfüllt der Kläger die Voraussetzungen eines besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nrn. 1 und 1a AufenthG. Zum einen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, da er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von über zwei Jahren verurteilt wurde. Zum anderen gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG: der Kläger hat eine vorsätzliche Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach § 177 StGB begangen, die nach dem gesetzgeberischen Willen besonders schwer wiegt und schon bei einer Verurteilung zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründet.
Ein schwer wiegendes Bleibeinteresse oder besonders schwer wiegendes Bleibeinteresses des Klägers (§ 55 AufenthG) ist nicht zu erkennen. Ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegt nicht vor. Der Kläger befindet sich erst seit Anfang 2010 im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens; zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung im Februar 2016 war der Kläger weder im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG – diese war bis September 2013 befristet und zudem war zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung das Asylverfahren bereits bestandskräftig abgeschlossen – noch einer Aufenthaltserlaubnis. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten ist der Kläger auch nicht so zu stellen, als wenn dem Kläger mit Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit Bescheid vom 8. April 2014 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilt worden wäre. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht keine Aufenthaltserlaubnis erteilt, da der Kläger im August 2013 eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung und damit eine Tat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stand somit § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AufenthG entgegen. Unabhängig davon, ob der Kläger zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet Anfang 2010 minderjährig war, ist jedenfalls die Voraussetzung des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt und hier auch nicht entsprechend anzuwenden. Der Kläger hat – auch wenn bisher der Widerrufsbescheid vom 21. Juli 2016 nicht bestandskräftig ist – gerade keinen gesicherten Aufenthaltsstatus.
Besondere, insbesondere familiäre, Bindungen sind weder vorgetragen noch erkennbar. Der Aufenthaltsstatus der nach eigenen Angaben des Klägers seit April 2016 in Deutschland als Asylsuchende lebenden Familie des Klägers (Mutter, Schwester, Bruder) ist ebenfalls nicht hinreichend gesichert. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese im Bundesgebiet dauerhaft verbleiben, ggf. kann der Kläger mit diesen in sein Heimatland ausreisen.
Der Umstand, dass sich der Kläger mehrmals wegen einer Anpassungsstörung in psychiatrischer Behandlung befand, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung.
Dass das Widerrufsverfahren zum Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung im Februar 2016 noch nicht bestandskräftig abgeschlossen war – und weiterhin auch noch nicht ist -, hatte die Beklagte in Ziff. 3 des Bescheides zutreffend berücksichtigt (vgl. die entsprechende Regelung des § 53 Abs. 4 AufenthG für den Fall des laufenden Asylverfahrens). Für das Gericht bestehen auch gegen die Abschiebungsandrohung unter der auflösenden Bedingung des bestandskräftigen Widerrufs des Bescheids des Bundesamts vom 8. April 2014, mit dem ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde, keine rechtlichen Bedenken. Eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung des Klägers, deren Vorliegen im Klageverfahren zum Widerrufsbescheid des Bundesamtes geklärt wird, würde lediglich dazu führen, dass weiterhin die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Diesen Umstand hat die Beklagte im Rahmen ihrer Abschiebungsandrohung hinreichend berücksichtigt.
Die Beklagte hat die Wiedereinreisesperre nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ermessensfehlerfrei und unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen sowie der Vorgaben aus Art. 8 EMRK für den Fall der Straf- und Drogenfreiheit auf sieben Jahre und im Übrigen auf neun Jahre befristet (§ 11 Abs. 2, Abs. 3 AufenthG). Insbesondere bestehen gegen die Befristung unter der Bedingung des Nachweises der Straf- und Drogenfreiheit nach § 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG keine rechtlichen Bedenken, da der Kläger ungeachtet dessen, dass er Erstverbüßer war, unter Drogeneinfluss eine so erhebliche Straftat begangen hat, dass eine solche Bedingung gerechtfertigt ist.
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.


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