Verwaltungsrecht

Erfolgloser PKH-Antrag in asylrechtlicher Angelegenheit

Aktenzeichen  M 32 K 16.35462

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5799
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4, § 30 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren weisen keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge pakistanischer Staatsangehöriger, punjabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 16. November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12. Juli 2016 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung gem. § 25 AsylG vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 24. Oktober 2016 führte der Kläger im Wesentlichen aus, er sei gelernter Maler. Diesen Beruf habe er acht Jahre in Pakistan ausgeübt. Sein Einkommen habe zwar zum Essen und Trinken gereicht, nicht aber für andere Kosten wie die Schulbildung seiner Geschwister oder die Hochzeiten seiner vier Schwestern. Bei einer Rückkehr nach Pakistan könne er zwar für seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt seiner Eltern sorgen, nicht aber für sonstige Ausgaben wie z.B. die Hochzeiten seiner Schwestern.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensicht6lich unbegründet ab, stellte fest, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Nr. 4), forderte den Kläger zur Ausreise auf, drohte ihm die Abschiebung nach Pakistan oder einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat an (Nr. 5) an und befristete das im Fall einer Abschiebung eintretende gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling. Es liege kein Verfolgungsgrund nach § 3 AsylG vor. Er habe auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG, weil ihm in seinem Herkunftsland kein ernsthafter Schaden drohe. Erst recht könne er nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Sein Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, weil offensichtlich sei, dass er sich nur aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet aufhalte (§ 30 Abs. 2 AsylG).
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 9. Dezember 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§ 3 Abs. 4 AsylG), hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote vorliegen.
Mit Schreiben vom 6. März 2017 wurde vom Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und beantragt,
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung führt der Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen an, die Rückkehr des Klägers in seine Heimatregion sei mit erheblichen konkreten Gefahren für Leib und Leben des Klägers verbunden. Dies ergebe sich aus dem Bericht der „Armed Conflict Location & Event Data Project“ über die Sicherheitslage der Heimatregion des Klägers. Danach seien im 1. und 2. Quartal 2016 125 Vorfälle mit 111 Toten an verschiedenen Orten erfasst. Der Bescheid des Bundesamts sei daher rechtswidrig. Dem Kläger sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte legte die Behördenakte elektronisch vor; eine Antragstellung unterblieb.
Mit Beschluss vom 29. Januar 2019 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dabei bereits dann gegeben, wenn ein Obsiegen der Partei ebenso wahrscheinlich ist wie ihr Unterliegen. Die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens müssen im Zeitpunkt der Bewilligungsreife zumindest als offen zu beurteilen sein (BayVGH, B.v. 21.9.2016 – 10 C 16.1164 – juris Rn. 12).
Diese Voraussetzungen liegen hier nach Aktenlage nicht vor. Das angestrengte Klageverfahren verspricht keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Insoweit folgt das Gericht der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
Die auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage hat schon in Hinblick auf § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger offensichtlich keine ausreisebestimmende asyl- oder flüchtlingsrelevante Verfolgung in Anknüpfung an eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale geltend macht, sondern wirtschaftliche Gründe i.S.d. § 30 Abs. 2 AsylG.
Hinreichende Erfolgsaussichten fehlen der Klage auch in Bezug auf die Geltendmachung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es liegen weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor, noch besteht für den Kläger bei einer Abschiebung nach Pakistan eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende, landesweit drohende Gefährdungssituation, der sich der Kläger also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht kein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 AufenthG zu erkennen. Die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren (individuelle gefahrerhöhende Umstände wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich) weisen keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Nach der Statistik des Pak Institute for Peace Studies, Islamabad: Pakistan Security Report 2017, S. 17 ff. sind 2017 in Pakistan durch Terroranschläge landesweit 815 Menschen (davon in der Region Punjab 61 Menschen) getötet und 1736 Menschen (davon in der Region Punjab 194 Menschen) verletzt worden. Unter den in Pakistan landesweit getöteten Menschen waren 563 Menschen Zivilpersonen. Bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan und über 110 Millionen Bewohnern der Provinz Punjab (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Pakistan) ist damit das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, angesichts der genannten – rückläufigen – Zahl der zivilen Opfer, verschwindend gering. Daran ändert sich auch nichts bei Zugrundelegung der vom Klägerbevollmächtigten unter Verweis auf einen Bericht des „Armed Conflict Location & Event Data Project“ genannten „Vorfälle“ im 1. und 2. Quartal 2016. Selbst unter Zugrundelegung der darin behaupteten Todesopferzahlen aus 2016 ergibt sich keine Gefahrendichte, die eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Klägers im Sinne dieser Vorschriften begründen könnte. Wie bereits im vorangegangenen Eilverfahren (M 1 S 16. 35463) ausgeführt, ist die Gefahrendichte nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht im Stande sein könnte, sich eine zumindest existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Der Kläger ist ein junger, arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
Die Klage hat somit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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