Verwaltungsrecht

Erfolgloser Zulassungsantrag wg. grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache – Poro Society (Sierra Leone)

Aktenzeichen  9 ZB 21.30292

Datum:
11.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6132
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein (behaupteter) Verstoß gegen die umfassende Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts ist kein in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel und vermag somit die Zulassung der Berufung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.32742 2020-12-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich der Kläger auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruft, liegt bereits kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund vor (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 9 ZB 20.30794 – juris Rn. 3).
2. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2020 – 9 ZB 20.31477 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts in der Allgemeinheit zutreffend sei, wonach es in den größeren Städten sicheren Schutz vor der Poro Society gebe und, weitergehend, ob es dem Kläger zuzumuten sei, sich an Orte zu begeben, an denen er keine Bezugspersonen habe und auf sich alleingestellt sei, sind schon nicht entscheidungserheblich. Wie der Kläger mit dem Zulassungsantrag selbst darlegt, hat das Verwaltungsgericht es bereits nicht als glaubhaft angesehen, dass der Kläger Sierra Leone aus begründeter Furcht vor der Poro Society verlassen hat. Es hat dies mit den vagen, oberflächlichen und unsubstantiierten Angaben des Klägers hierzu sowie insbesondere mit zahlreichen darin enthaltenen Widersprüchen zu wesentlichen Punkten ausführlich begründet.
Darüber hinaus wäre selbst bei unterstellter Entscheidungserheblichkeit die über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der gestellten Fragen nicht dargelegt. Das Zulassungsvorbringen setzt sich weder damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht es nicht nachzuvollziehen vermochte, dass der Kläger trotz Fehlens eines ordnungsgemäßen Zivilregisters in Sierra Leone außerhalb seiner Heimatregion gefunden oder seine Rückkehr aus dem Ausland dorthin vom Mitgliedern der Poro Society in Makeni überhaupt bemerkt werden könnte, noch damit, dass das Verwaltungsgericht es für den jungen und gesunden, arbeitsfähigen Kläger für zumutbar hielt, dass dieser seine Existenz am Ort einer Fluchtalternative auch ohne familiäre Unterstützung durch Gelegenheitsarbeiten sicherstellt. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte eingeführte Erkenntnismittel, ist zudem erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 9 ZB 19.31227 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem genügt der Hinweis auf eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 27. Dezember 2007, die das Verwaltungsgerichts bereits zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht hat, nicht. Anhand des Zulassungsvorbringens ist auch nicht zu ersehen, dass die Fragen überhaupt verallgemeinernd, zumindest im Hinblick auf Umstände bzw. Merkmale, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden und nicht nur nach Würdigung der konkreten Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2020 – 9 ZB 20.31477 – juris Rn. 4 m.w.N.).
3. Die Berufung kann im Übrigen auch nicht wegen der nicht ausdrücklich geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden.
Soweit der Kläger rügt, dass Verwaltungsgericht habe nicht geklärt, ob es der Poro Society nicht möglich sei, den Kläger auch in Großstädten, wo sie ebenfalls tätig sei, zu finden, fehlt es wiederum an der Entscheidungserheblichkeit. Auf die Ausführungen unter 2. kann hierzu verwiesen werden. Außerdem statuiert das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht. Ein (behaupteter) Verstoß gegen die umfassende Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist kein in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel und vermag somit die Zulassung der Berufung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 9 ZB 19.31904 – juris Rn. 3). Der anwaltlich vertretene Kläger hat bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch keinen Beweisantrag gestellt und es ist von ihm nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2020 – 9 ZB 20.32008 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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