Verwaltungsrecht

Erfolgloses Eilverfahren gegen Zwangsgeldandrohung bzgl. einer Baueinstellungsverfügung

Aktenzeichen  M 11 S 19.4569

Datum:
18.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5
VwZVG Art. 18, Art. 19, Art. 21a, Art. 29, Art. 31, Art. 36, Art. 38
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
II. Der Streitwert wird auf 15.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Zwangsgeldandrohungen auf Grundlage einer noch nicht bestandskräftigen Baueinstellungsanordnung.
Mit Bescheid vom … September 2018 erteilte das Landratsamt St. (im Folgenden: Landratsamt) der Antragstellerin eine Tekturgenehmigung für den „Neubau eines Turmes“ zum Baugenehmigungsbescheid vom … Oktober 2017 betreffend den Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung …
Im Rahmen einer Baukontrolle am 26. Juni 2019 wurde festgestellt, dass die Antragstellerin planabweichend die Wandscheiben des Büroraumes (Turm) ausgeführt habe. Die Werkplanung zeige auf, dass über dem Büroraum (Turm) ein zum Raum offener Sichtdachstuhl in Form eines Zeltdachs ausgeführt werden solle. Auch der Grundriss des Büroraumes sei geringfügig geändert worden. Sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss wurden daraufhin mündlich eingestellt.
Mit Bescheid vom … Juni 2019 ordnete das Landratsamt an, dass sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss innen und außen sofort einzustellen seien. Die am 26. Juni 2019 mündliche verfügte Einstellung der Bauarbeiten wurde bestätigt (Ziff. 1). Zugleich wurde für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- EUR angedroht (Ziff. 2) und die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Ziff. 1 angeordnet (Ziff. 3). Die Verfahrenskosten und Gebühren wurden der Antragstellerin auferlegt (Ziff. 4 und 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Einzelnen näher bezeichnete Arbeiten ohne die erforderliche Baugenehmigung bzw. abweichend hiervon ausgeführt worden bzw. gemäß Werksplanung geplant seien. Die Arbeiten seien daher formell und materiell illegal. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides wurde näher begründet. Hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes wurde ausgeführt, dass sich diese auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG stütze. Danach könne das Landratsamt den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Verpflichtung anhalten. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 1. Juli 2019 zugestellt.
Im Rahmen einer Baukontrolle am 3. Juli 2019 wurde festgestellt, dass die tragende Zeltdachkonstruktion über dem Turm errichtet und der Dachstuhl mit einer Plane abgedeckt worden sei.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2019, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 15. Juli 2019 zugestellt, wurde das mit Bescheid vom … Juni 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- EUR fällig gestellt. Weiter wurde für den Fall der Nichtbefolgung von Ziff. 1 des Bescheids vom … Juni 2019 ein Zwangsgeld in Höhe von 40.000,- EUR angedroht. Zur Begründung der weiteren Zwangsgeldandrohung wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Höhe des Zwangsgeldes an der Bedeutung der entsprechenden Anordnung aus dem Bescheid vom … Juni 2019 orientiere, um baurechtswidrige Zustände zu verhindern und mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen abzuwehren. Das Zwangsgeld diene dazu, dass die Antragstellerin der Anordnung des Landratsamts vom … Juni 2019 nachkomme.
Im Rahmen einer Baukontrolle am 5. Juli 2019 wurde festgestellt, dass die Baueinstellung im Dachgeschoss im Bereich der Dachterrasse auf der Ostseite nicht eingehalten werde. Das Brüstungsmauerwerk und die Dachterrasse würden erstellt. In der Behördenakte (Bl. 39) findet sich hierzu ein handschriftlicher Vermerk, dem zu entnehmen ist, dass eine Konkretisierung der rein auf den Turm bezogenen Baueinstellung erfolgen solle.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2019, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 22. Juli 2019 per Fax übermittelt, konkretisierte das Landratsamt die mit Bescheid vom … Juni 2019 angeordnete Baueinstellung dahingehend, dass die Dachterrasse im Osten von der Baueinstellung nicht mehr betroffen sei, soweit sie entsprechend der genehmigten Eingabepläne (Az. 40-B-2018-58-15) errichtet werde.
Gegen den Bescheid vom … Juni 2019 hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 29. Juli 2019 Anfechtungsklage erhoben (M 11 K 19.3688).
Gegen den Bescheid vom … Juli 2019 wurde am 12. August 2019 Anfechtungsklage erhoben, verbunden mit einem Antrag auf Feststellung der Nichtfälligkeit des Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,- EUR (M 11 K 19.4110).
Mit Schreiben vom 23. August 2019 wurde die Antragstellerin angemahnt, insgesamt 20.313,50 EUR zu bezahlen.
Am 6. September 2019 – berichtigt durch Schreiben vom 30. Oktober 2019 – ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29. Juli 2019 gegen den Be scheid des Landratsamts St. vom … Juni 2019 bezüglich der Ziff. 2 anzuordnen.
2. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. August 2019 gegen den Bescheid des Landratsamts St. vom … Juli 2019 bezüglich der Ziff. 1 anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft sei, da der Antragstellerin bereits mit der Suspendierung der belastenden Verwaltungsakte (Zwangsgeldandrohungen und Gebührenfestsetzung) gedient sei. Weiter wurde vorgetragen, dass die Zwangsgeldandrohung des Bescheids vom … Juni 2019 bereits mangels Begründung gemäß Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG formell rechtswidrig sei. Die Behörde habe sich in dem streitgegenständlichen Bescheid in keiner Weise mit den Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG auseinandergesetzt. Insbesondere sei nicht ersichtlich, welche Erwägungen in die Entscheidung der Behörde eingeflossen seien, ein Zwangsgeld in der Höhe von 20.000,- EUR anzudrohen. Die Höhe der Zwangsgeldandrohung sei in keinster Weise argumentativ unterlegt und erscheine somit als willkürlich. Auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Zwangsgeldandrohung sei mangels fehlender Begründung durch die Behörde nicht möglich. Ein bloßer Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften der Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG genüge der Begründungspflicht nicht. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung sei auch die Gebührenentscheidung des Bescheids vom … Juli 2019 i.H.v. 100,- EUR rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 beantragt das Landratsamt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Sofortvollzug der Baueinstellung anzuordnen gewesen sei, da nur durch die Baueinstellung habe verhindert werden können, dass vollendete Tatsachen durch die Errichtung der formell und materiell illegal errichteten Dachkonstruktion geschaffen würden und ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehe, gesetzeswidrige Bauarbeiten zu unterbinden. Die Baueinstellung verfehle ihren Zweck, wenn mit ihrem Vollzug bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids gewartet werden müsse. Die Höhe des Zwangsgeldes orientiere sich im verfahrensgegenständlichen Fall am wirtschaftlichen Interesse, das die Antragstellerin an dem Unterlassen der Handlung habe. Aufgrund der Exklusivität des Bauvorhabens in direkter Seenähe, den hohen Investitionskosten und einer früheren Baueinstellung aufgrund planabweichender Bauausführung im Keller- und Erdgeschoss, wie auch den mehrfachen Versuchen der Antragstellerin, die Baugenehmigung für einen von der unteren Bauaufsichtsbehörde als nicht genehmigungsfähig eingestuften Turm zu erlangen, sehe der Antragsgegner das Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- EUR als angemessen an. Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten der unteren Bauaufsichtsbehörde gezeigt, dass ein niedrig angesetztes Zwangsgeld nicht zielführend sei, um baurechtswidrige Zustände zu verhindern. Im Übrigen wurde auf die streitgegenständlichen Bescheide vom … Juni 2019 und vom … Juli 2019 Bezug genommen.
Hierauf nahm der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 ergänzend Stellung. Zwar sei die Zwangsgeldandrohung mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 nunmehr begründet worden, die Zwangsgeldhöhe von 20.000,- EUR stelle sich aber als unangemessen hoch und daher ermessensfehlerhaft dar. Nachdem das Landratsamt mit Schreiben vom 11. Juli 2019 die Baueinstellung vom 27. Juni 2019 auf einen Raum beschränkt habe, hätte auch das Zwangsgeld automatisch reduziert werden müssen. Dies sei aber nicht geschehen, sondern das Zwangsgeld in seiner ursprünglichen Höhe beibehalten worden. Dies sei unangemessen und somit ermessensfehlerhaft. Gleiches gelte für die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Juli 2019. Auch insoweit habe das Zwangsgeld dahingehend angepasst werden müssen, dass es sich nun nur noch auf eine Baueinstellung bezüglich eines Raumes beziehe.
Mit Schreiben vom 14. November 2019 führte das Landratsamt ergänzend aus, dass der Begründung des Bescheids vom … Juni 2019 entnommen werden könne, dass sich die Baueinstellung durch die planabweichenden Baumaßnahmen im Dachgeschoss am sog. Turm begründe. Die am 11. Juli 2019 erfolgte Konkretisierung habe dies lediglich verdeutlichen sollen und der Antragstellerin die Möglichkeit gegeben, die Bauarbeiten an der Dachterrasse plankonform weiterzuführen. Primärer Zweck sei stets die Verhinderung baurechtswidriger Zustände durch die von der Antragstellerin beabsichtigte Errichtung des Turms gewesen. Eine Anpassung des Zwangsgelds sei daher nicht geboten gewesen.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2019 führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin näher aus, dass der Grundverwaltungsakt zunächst sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss innen und außen umfasst habe. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 14. November 2019 seien daher nicht glaubwürdig, sondern der (untaugliche) Versuch, das unverhältnismäßig hohe Zwangsgeld zu retten. Entweder sei das angedrohte Zwangsgeld unverhältnismäßig hoch oder die Grundverfügung inhaltlich zu unbestimmt und daher nicht vollstreckbar. Es reiche nicht aus, das Ziel der Verpflichtung zu bezeichnen, vielmehr müsse auch der konkrete Umfang der zu treffenden Maßnahme hinreichend deutlich werden. Eine Grundverfügung sei unbestimmt, wenn der Adressat nicht sicher erkennen könne, was er zur Vermeidung ihrer zwangsweisen Durchsetzung alles machen müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsund Behördenakten in diesem sowie in den zugehörigen Klageverfahren M 11 K 19.3688 und M 11 K 19. 4110 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens sind die mit Bescheid vom … Juni 2019 verfügte Zwangsgeldandrohung und die (weitere) Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom … Juli 2019. Insoweit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (vgl. Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Entsprechendes gilt, soweit sich der Antrag auch gegen die Kosten- bzw. Gebührenfestsetzung des Bescheids vom … Juli 2019 richtet (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellungsverfügung sowie hinsichtlich der Fälligstellung des Zwangsgelds aus dem Bescheid vom … Juni 2019 mit Schreiben vom 8. Juli 2019 wurde durch die anwaltlich vertretene Antragstellerin zwar Klage eingereicht, ausweislich der klar formulierten Anträge und der Antragsbegründung hingegen nicht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Rechtsbehelf wurde damit – entgegen der Regelvermutung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 1. HS VwZVG – ausdrücklich auf die Androhung des Zwangsmittels beschränkt (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 2. HS VwZVG) bzw. in Hinblick auf die Fälligstellung des Zwangsgeldes wurde nicht um einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ersucht.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.
2.1 Vorliegend erweisen sich die gegen die beiden Zwangsgeldandrohungen gerichteten Klagen als voraussichtlich erfolglos. Sowohl die erste Zwangsgeldandrohung vom … Juni 2019 als auch die weitere Zwangsgeldandrohung vom … Juli 2019 sind nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In der Folge sind auch die jeweiligen Kosten- und Gebührenentscheidungen nicht zu beanstanden.
2.1.1 Soweit von Antragstellerseite ursprünglich eine formelle Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung vom Juni 2019 wegen Fehlens einer den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG – insbesondere auch in Hinblick auf die Anforderungen der Begründung von Ermessensentscheidungen nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG – genügenden Begründung gerügt wurde, wurde dieser Mangel durch das Schreiben des Landratsamts vom 1. Oktober 2019 gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG geheilt, ohne dass es im Rahmen der förmlichen Begründungsanforderungen auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung ankäme. Eine solche Heilung ist bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich (Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG). Dementsprechend ging auch die Antragstellerseite zuletzt offenbar vom Vorliegen einer in formeller Hinsicht ausreichenden Begründung aus.
2.2.2 Die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Juni 2019 ist ferner dem Grunde nach rechtmäßig erfolgt (vgl. Art. 18, 19, 29, 31 und Art. 36 VwZVG).
Mit der für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellungsverfügung vom … Juni 2019 lag ein wirksamer Grundverwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt vor (vgl. Art. 18, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Soweit von Antragstellerseite gerügt wurde, dass die Baueinstellungsverfügung – unter Berücksichtigung der Konkretisierung mit Schreiben vom 11. Juli 2019 – unbestimmt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach Art. 37 BayVwVfG muss die Baueinstellungsanordnung inhaltlich hinreichend bestimmt sein und den Verstoß gegen öffentlichrechtliche Vorschriften genau bezeichnen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 75 Rn. 76). Vorliegend wird in der Begründung des Bescheids ausführlich dargelegt, welche Planabweichungen die Behörde zum Erlass des Einstellungsbescheides veranlasst haben, sodass den Anforderungen insoweit Rechnung getragen wurde. Nach Ziff. 1 des Bescheidstenors vom … Juni 2019 hatte die Antragstellerin auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung …, Gemeinde Tutzing „sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss innen und außen“ einzustellen. Damit war für die Antragstellerin klar erkennbar, dass sie jegliche Bauarbeiten im Dachgeschoss zu unterlassen hatte. Auch der Umstand, dass diese Baueinstellungsverfügung mit Schreiben vom 11. Juli 2019 zugunsten der Antragstellerin einschränkend „konkretisiert“ wurde, führt nicht zu einer Unbestimmtheit oder fehlenden Vollstreckungsfähigkeit des Grundverwaltungsakts. Denn auch unter Berücksichtigung des einschränkenden Zusatzes ist durch die Bezugnahme auf die in den Akten befindlichen und der Antragstellerin bekannten genehmigten Eingabepläne, hinreichend bestimmt und für die Antragstellerin unmissverständlich erkennbar, in welchem Umfang Arbeiten im Dachgeschoss künftig möglich sein sollen bzw. zu unterlassen sind.
Weitere Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der auf Grundlage des Art. 75 Abs. 1 BayBO verfügten und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs der Baueinstellungsverfügung ist zwar knapp, jedoch ausreichend, insbesondere stellt sie auf die typische Interessenlage bei der Baueinstellung ab. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Baueinstellungsverfügung wurde von Antragstellerseite auch nicht angegriffen (s.o. Punkt 1). Die Baueinstellung dürfte – insbesondere unter Berücksichtigung der erfolgten Beschränkung – voraussichtlich rechtmäßig ergangen sein. Ausweislich der in den Akten befindlichen genehmigten Tektur-Eingabepläne, Stand August 2018, ist die Antragstellerin insbesondere in Hinblick auf die Dachkonstruktion des mittleren Gebäudebereichs („Turm“) in erheblichem Maße von der erteilten Baugenehmigung abgewichen. Die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids zur planabweichenden Bauausführung wurden von Antragstellerseite auch nicht bestritten, vielmehr hat sich die Antragstellerseite hierzu bislang weder im Klage- noch im gegenständlichen Antragsverfahren geäußert. Auf die materielle Genehmigungsfähigkeit der abweichend ausgeführten Bauarbeiten kommt es im Rahmen der Baueinstellung nicht an.
Das Gericht hat auch keinen Zweifel daran, dass die Antragstellerin gegen die Baueinstellungsverfügung verstoßen hat. Dies ergibt sich bereits aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern der Baukontrollen vom 26. Juni 2019 und vom 3. Juli 2019. Auf den Bildern (vgl. Bl. 14 und 32 der Behördenakte) ist insbesondere klar zu erkennen, dass nachträglich eine Dachkonstruktion auf dem mittleren Gebäudeteil („Turm“) errichtet wurde.
2.2.3 Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite erweist sich die Zwangsgeldandrohung vom … Juni 2019 voraussichtlich auch nicht ihrer Höhe nach als ermessensfehlerhaft.
Nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,- EUR und höchstens 50.000,- EUR (Satz 1). Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse, dass der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Satz 2). Das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen (Satz 4). Das Verwaltungsgericht hat innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dazu ist festzustellen, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägung all das eingestellt hat, was nach Lage der Dinge einzustellen ist, ob sie dabei von einem richtig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und die sodann vorgenommene relative Gewichtung sachgerecht ist.
Der Antragstellerseite ist zuzugeben, dass die Erwägungen zur Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes zunächst keinen ausreichenden Niederschlag in der Begründung des Bescheids vom … Juni 2019 gefunden haben. Zwar lässt sich der Begründung der Zwangsgeldandrohung (noch) entnehmen, dass sich das Landratsamt des ihm zustehenden Ermessens bewusst war („[…] Danach kann das Landratsamt den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Verpflichtung anhalten.“), sodass nicht von einem vollständigen Ermessensausfall auszugehen ist. Bei einem Zwangsgeld, dessen Höhe – wie vorliegend – im mittleren Bereich des gesetzlichen Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG festgesetzt wird, wären jedoch weitere Ausführungen zur Höhe des festgesetzten Zwangsgelds erforderlich. Denn je höher der Betrag des Zwangsgeldes angesetzt wird, desto höher ist auch das Begründungserfordernis bei der Darlegung der Ermessenserwägungen. Allerdings hat das Landratsamt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2019 die getroffene Ermessensentscheidung in zulässiger Weise ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).
Die erfolgte Ergänzung der Ermessensentscheidung ist mit Blick auf den gerichtlichen Prüfungsmaßstab des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat insoweit ausgeführt, dass sich die Höhe des Zwangsgeldes an dem wirtschaftlichen Interesse orientiert, das die Antragstellerin an dem Unterlassen der Handlung hat. Eingehend auf die konkreten Umstände des Einzelfalles – Exklusivität des Vorhabens in direkter Seenähe, hohe Investitionskosten und Vorgeschichte des Vorhabens – hat das Landratsamt ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- EUR als angemessen angesehen. Hierbei hält insbesondere auch die Erwägung, wonach die Klägerin mehrfache Versuche unternommen habe, die Baugenehmigung für einen von der unteren Bauaufsichtsbehörde als nicht genehmigungsfähig eingestuften Turm zu erlangen, der beschränkten gerichtlichen Überprüfung stand. Denn das genannte Verhalten der Antragstellerin lässt gerade auf ein hohes wirtschaftliches Interesse an der von der Antragstellerin ursprünglich gewollten (planabweichenden) Bauausführung des „Turmes“ schließen und kann daher als objektiver Anhaltspunkt durchaus Berücksichtigung finden.
Diese nachgeschobenen Erwägungen wurden von Antragstellerseite auch nicht angegriffen, vielmehr wurde vorgetragen, dass die Beschränkung der Baueinstellungsverfügung mit Schreiben vom 11. Juli 2019 zwangsläufig auch zu einer Reduzierung der Zwangsgeldhöhe habe führen müssen. Dem ist nicht zu folgen. Ausweislich der Begründung des Bescheids vom … Juni 2019 waren Anlass der Baueinstellung die dort genannten planabweichend ausgeführten Arbeiten am Büroraum („Turm“), wobei neben der planabweichenden Ausführung der Wandscheiben und der geringfügigen Änderung des Grundrisses explizit auch die zum damaligen Zeitpunkt anhand der Werkplanung ersichtlich geplante Errichtung eines zum Raum offenen Sichtdachstuhls in Form eines Zeltdaches genannt wird. Auch wenn sich die Baueinstellungsverfügung gegen sämtliche Bauarbeiten im Dachgeschoss richtete, wurde die Höhe des Zwangsgeldes auf 20.000,- EUR gerade vor dem Hintergrund der in den Bescheidsgründen genannten Arbeiten und dem hieran bestehenden wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin festgesetzt, um die Antragstellerin von einer Fortführung der Arbeiten ohne erforderliche Baugenehmigung abzuhalten. Die mit Schreiben vom 11. Juli 2019 erfolgte Beschränkung betrifft demgegenüber den Bereich der Dachterrasse im Osten und auch nur solche Arbeiten, die entsprechend der genehmigten Eingabepläne ausgeführt werden. Insoweit ist die Behauptung des Bevollmächtigten der Antragstellerin, wonach die Baueinstellungsverfügung „auf einen Raum“ beschränkt worden sei, bereits dem Grunde nach unzutreffend. Zutreffend ist, dass das Landratsamt im Rahmen seiner fortlaufenden Überprüfung der Baueinstellung als Dauerverwaltungsakt aus den Feststellungen der Baukontrolle vom 5. Juli 2019 eine beschränkende Konkretisierung der Baueinstellungsverfügung vorgenommen hat, um der Antragstellerin eine Fortführung der (bereits erfolgenden) Arbeiten im Bereich der Dachterrasse im Osten (in dem genehmigten Umfang) zu ermöglichen. Hauptanliegen und damit maßgeblicher Grund für die gewählte Zwangsgeldhöhe waren aber von Anfang an die erfolgten bzw. geplanten Arbeiten im Büroraum („Turm“). Dies hat das Landratsamt sowohl in seinem Vermerk (Bl. 39 der Behördenakte) als auch im gerichtlichen Verfahren mit Schreiben vom 14. November 2019 deutlich gemacht. Das Gericht vermag insoweit nicht zu erkennen, dass die mit Schreiben vom 11. Juli 2019 erfolgte und der Bedeutung nach ganz offenkundig nachrangige „Konkretisierung“ zu einer Ermessensreduktion der Behörde oder einer Ermessensfehlerhaftigkeit der Entscheidung in Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes führt. Im Rahmen der beschränkten gerichtlichen Überprüfung der Ermessenserwägungen wäre vorliegend wohl ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- EUR auch dann noch angemessen, wenn sich die Baueinstellungsverfügung nicht auf das Dachgeschoss, sondern lediglich auf Arbeiten am oder im „Turm“ beziehen würde.
2.2.4 Nachdem sich die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Juni 2019 als voraussichtlich rechtmäßig erweist, bestehen auch gegen die weitere Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Juli 2019 keine rechtlichen Bedenken.
Der Antragsgegner durfte gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ein weiteres Zwangsgeld androhen. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG regelt, dass eine neue Androhung erst dann zulässig ist, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies ist der Fall, wenn der Pflichtige innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist der Anordnung nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Antragstellerin ausweislich der in der Akte befindlichen Lichtbilder (s.o.) der für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellungsverfügung zuwider gehandelt hat. Eine erfolglose Anwendung des Zwangsmittels (Beitreibung des ersten Zwangsgeldes) ist hingegen keine Voraussetzung für die neuerliche Androhung eines Zwangsgeldes. Art. 36 Abs. 3 Satz 2 VwZVG wurde beachtet, da in jedem Bescheid jeweils nur ein Zwangsgeld angedroht wurde. Das weitere Zwangsgeld ist auch der Höhe nach verhältnismäßig. Der Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG wird eingehalten. Zwar hat das Landratsamt das Zwangsgeld verdoppelt und den gesetzlichen Rahmen nunmehr nahezu ausgeschöpft. Die im Bescheid hierfür genannten Gründe sind indes sachgerecht. Das Landratsamt ist mit nachvollziehbarer Begründung vom wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) ausgegangen (s. bereits oben). Hiergegen hat die Antragstellerin nichts eingewandt.
2.2.5 Nachdem sich die Bescheide vom … Juni 2019 und vom … Juli 2019 als voraussichtlich rechtmäßig erweisen, sind die entsprechenden Kosten- und Gebührenentscheidungen dieser Bescheide nicht zu beanstanden. Weitergehende Einwendungen wurden insoweit auch von Antragstellerseite nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs. Zugrunde gelegt wurde jeweils ein Viertel der jeweils angedrohten Zwangsgelder. Die Fälligstellung des Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom … Juni 2019 blieb – da nicht Verfahrensgegenstand – bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt.


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