Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Konkurrentenklage – Auswahlentscheidung nur anhand aktueller Beurteilungen

Aktenzeichen  M 5 E 17.3441

Datum:
9.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG BeamtStG § 9
GG GG Art. 33 Abs. 2
LlbG LlbG Art. 16 Abs. 1 Satz 5
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Soll mit dem ausgewählten Bewerber ein Arbeitsvertrag geschlossen werden, kann diese Stellenbesetzung wegen der Vertragsbindung nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung des Konkurrenten besteht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Auswahlentscheidung kann nur anhand aktueller Beurteilungen bzw. Leistungsnachweise getroffen werden. Für Tarifbeschäftigte ist – bis spätestens zum Abschluss des Auswahlverfahrens – ein entsprechendes Zwischenzeugnis vorzulegen.  (Rn. 23 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren (Art. 16 Abs. 1 S. 4 LlbG) dürfen erst dann verwendet werden, wenn ein Leistungsvergleich auf Grundlage der Beurteilungen und Zeugnisse erfolgt ist und deren innere Ausschöpfung zu einem Gleichstand der Bewerber geführt hat (BayVGH BeckRS 2013, 51512). (Rn. 26 und 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Stelle des … Werkleiters/ Werkleiterin im …betrieb M. mit der Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als … (Besoldungsgruppe A 16) in den Diensten der Antragsgegnerin. In einem Leistungsbericht für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 10. Januar 2017 erhielt er das bestmögliche Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“.
Die Beigeladene ist in Entgeltgruppe 15 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) eingewertet. Sie ist seit Januar 2016 als Leiterin der Stabsstelle … beim … tätig. Zuvor war sie Abteilungsleiterin bei der Antragsgegnerin, zuletzt in der Entgeltgruppe E 15 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD), wo sie ein Arbeitszeugnis mit Datum … Januar 2016 erhielt. Nachdem die Antragsgegnerin um Vorlage einer aktuellen dienstlichen Beurteilung bat, teilte die Beigeladene mit, dass bislang keine dienstliche Beurteilung durch ihre neue Arbeitgeberin erfolgt sei und sie aus Diskretionsgründen kein Zwischenzeugnis anfordern wolle.
Am 1. Dezember 2016 schrieb die Antragsgegnerin intern und extern die Stelle des … Werkleiters/ Werkleiterin im …betrieb M. aus. Auf die Ausschreibung bewarben sich unter anderem der Antragsteller und die Beigeladene.
Mit Schreiben vom 3. März 2017 wurde der Ältestenrat über die Bewerberlage informiert und das weitere Vorgehen abgestimmt. Demnach sollten jeweils zwei interne und externe Bewerber eingeladen werden. Zugleich wurde festgestellt, dass die Beigeladene in der Entgeltgruppe 15 TV-L eingewertet sei, sodass ein einfacher Unterschied in der Besoldungs-/ Entgeltgruppe zum Antragsteller bestehe. Da sie weder eine dienstliche Beurteilung noch ein Zwischenzeugnis vorlegen konnte, sei ein detaillierter Leistungsvergleich nicht möglich gewesen.
Mit Auswahlvorschlag an den Ältestenrat vom 4. Mai 2017 hielt die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller aufgrund seines Status und seines Leistungsberichts das Bewerberfeld anführe. Erneut wurde festgehalten, dass wegen der Einwertung der Beigeladenen in der Entgeltgruppe 15 TV-L ein einfacher Unterschied in der Besol-dungs-/Entgeltgruppe zum Antragsteller bestehe, und dass mangels Vorlage von dienstlicher Beurteilung und Zwischenzeugnis kein detaillierter Leistungsvergleich möglich gewesen sei. Die Beigeladene erhalte im Vorstellungsgespräch Gelegenheit, nachzuweisen, ob sie trotz des Unterschieds nach Aktenlage das Anforderungsprofil der Stelle in einem höheren Maß erfülle als der nach Aktenlage bestgeeignete Bewerber. Auf Grundlage der Vorstellungsgespräche vom … bzw. … April 2017 seien für die ausgeschriebene Position vier Bewerber geeignet, wobei der Antragsteller und die Beigeladene jeweils „gut geeignet“ seien.
Am … Mai 2017 fanden Vorstellungsgespräche vor dem Werksausschuss statt, woraufhin sich die Fraktionen im Umlaufverfahren für die Besetzung der Stelle mit der Beigeladenen aussprachen. Auf Grundlage der Ergebnisse der Vorstellung im Stadt rat fertigte die Antragsgegnerin einen Einstellungsbeschluss ohne Datum, in dem die wesentlichen Auswahlerwägungen erneut zusammengefasst wurden. Demnach werde die Beigeladene aufgrund ihres beruflichen Werdegangs und ihrer Präsentation vom … Mai 2017 für die ausgeschriebene Stelle vorgeschlagen. Mit ihr solle ein Sonderdienstvertrag abgeschlossen werden. Am 28. Juni 2017 beschloss die Vollversammlung die Einstellung und Bestellung der Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller, dass beabsichtigt sei, die Beigeladene auf die ausgeschriebene Stelle einzustellen. Hiergegen legte der Antragsteller am … Juli 2017 Widerspruch ein.
Am 13. September 2017 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene telefonisch erneut zur Vorlage eines aktuellen Zwischenzeugnisses auf. Am … September 2017 legte die Beigeladene ein entsprechendes Zeugnis vor. Daraufhin ergänzte die Antragsgegnerin mit Datum vom 22. September 2017 den bisherigen Auswahlvermerk. Danach habe die Beigeladene ein aktuelles sehr gutes Zwischenzeugnis sowie ein Arbeitszeugnis der Landeshauptstadt M. vorgelegt, welche in der Gesamtaussage dem Spitzenprädikat der dienstlichen Beurteilung („übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“) entsprächen. Aufgrund ihrer nach Zeugnis- und Beurteilungslage uneingeschränkten Eignung in Bezug auf das Anforderungsprofil der Stelle erhalte die Beigeladene daher die Gelegenheit, im Vorstellungsgespräch nachzuweisen, ob sie trotz des Unterschieds im Status nach Aktenlage das Anforderungsprofil der Stelle in einem höheren Maße erfülle als der nach Aktenlage bestgeeignete Bewerber. Weiterhin blieb die Aussage aufrecht erhalten, dass zwischen Beigeladener und Antragsteller ein einfacher Unterschied in der Besoldungs-/ Entgeltgruppe bestehe.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2017, bei Gericht eingegangen am 26. Juli 2017, beantragte der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die ausgeschriebene Stelle des … Werkleiters/ Werkleiterin im …betrieb M. nicht zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden wurde.
Die Auswahlentscheidung sei unter anderem deshalb fehlerhaft, da für die Beigeladene im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung keinerlei dienstliche Beurteilung oder ein Zwischenzeugnis zugrunde gelegt werden konnte.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 16. August 2017 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Trotz grundsätzlicher Höhergewichtung der statushöheren Beurteilung könne ein Statusrückstand durch leistungsbezogene Kriterien kompensiert werden. Das Gesetz sehe als leistungsbezogenes Kriterium wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren, insbesondere Personalauswahlgespräche, vor. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 5 Leistungslaufbahngesetz bestimme der Dienstherr die Gewichtung, wenn er für die Auswahlentscheidung neben dienstliche Beurteilungen auch Vorstellungsgespräche nutze.
Mit Beschluss vom 7. September 2017 ist die ausgewählte Bewerberin zum Verfahren beigeladen worden. Sie hat sich mit Schriftsatz vom … September 2017 zum Verfahren geäußert. Sie sei als Angestellte beschäftigt und erhalte als solche keine dienstliche Beurteilung. Sie habe inzwischen ein Zwischenzeugnis erhalten. Ein Antrag wurde von ihr nicht gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Ein Anordnungsgrund ist vorliegend zu bejahen, da der vom Antragsteller angestrebte Dienstposten ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2017 mit der Beigeladenen besetzt werden und mit dieser ein Sonderdienstvertrag geschlossen werden soll. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U.v. 25.8.1988 – 2 C 1. 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B.v. 28.4.2014 – M 5 E 14.1466 – juris) ist mit der endgütigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Stellenbesetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, da der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit der Beigeladenen nicht mehr rückgängig machen kann. Dies ist hier der Fall, da mit der Beigeladenen ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden soll. Aufgrund der entstehenden Vertragsbindung kann die Stellenbesetzung nicht wieder rückgängig gemacht werden, weil diese zu einer der Beamtenernennung vergleichbaren Verfestigung der Dienstpostenübertragung führt (SächsOVG, B.v. 31.3.2015 – 2 B 135/15 -juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 3.11.2016 – 3 CE 16.1812 – juris Rn. 3).
3. Der Antragsteller hat daneben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der zwischen den beiden Bewerbern vorgenommene Leistungsvergleich genügt nicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG).
a) Einen Rechtsanspruch auf die Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller zwar nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und damit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (Be-amtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz -LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746/748, B.v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07 u.a. – NVwZ 2008, 69/70).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamten- bzw. Richterstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten bzw. Richters an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
b) Die für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sind regelmäßig auf aussagekräftige, also hinreichend differenzierte und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhende dienstliche Beurteilungen zu stützen (vgl. BVerfG, B.v. 11.5.2011 – 2 BvR 764/11; B.v. 5.9.2007 – 2 BvR 1855/07, NVwZ-RR 2008, 433; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 – 2 C 16/09, a.a.O.; BayVGH, B.v. 24.11.2006 – 3 CE 06.2680, DÖD 2007, 108). Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (vgl. BVerfG, B.v. 11.5.2011 – 2 BvR 764/11; BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09, a.a.O; BayVGH, B.v. 8.4.2015 – 3 CE 14.1782), denen für die Frage der Eignung und Befähigung eines Beamten besondere Bedeutung zukommt (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG). Bei einem etwaigen Gleichstand im Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilungen sind diese inhaltlich auszuschöpfen; sog. Binnendifferenzierung (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2469 – juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – juris Rn. 36; VG München, B.v. 14.4.2014 – M 5 E 14.442 – juris).
c) Das durchgeführte Auswahlverfahren entspricht schon insofern nicht den Erfordernissen der Rechtsprechung, wonach die Auswahlentscheidung anhand aktueller Beurteilungen bzw. Leistungsnachweise erfolgen muss. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für in Konkurrenz stehende Beamte, sondern auch in Bezug auf Tarifbeschäftigte, die naturgemäß keine dienstliche Beurteilung erhalten (BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 3 CE 16.290 – juris Rn. 22). Für den notwendigen Leistungsvergleich war von der Beigeladenen die Vorlage eines Zwischenzeugnisses zu verlangen. Dies ist im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens auch trotz möglicherweise entgegenstehender Interessen zumutbar. Die Beigeladene konnte sich nicht darauf berufen, dass sie ihren Vorgesetzten aus Diskretionsgründen nicht um die Erstellung eines Zwischenzeugnisses bitten wollte. Denn auf diese Weise entzieht sie sich in unzulässiger Weise dem – Auswahlgesprächen stets vorgeschalteten – Leistungsvergleich und verschafft sich einen Vorteil gegenüber dem Mitbewerbern.
Dass die Beigeladene am … September 2017 schließlich ein entsprechendes Zwischenzeugnis vorlegte und die Antragsgegnerin am 22. September 2017 den bisherigen Auswahlvermerk ergänzte, ändert hieran nichts. Denn die maßgeblichen Auswahlerwägungen müssen nach der Rechtsprechung vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens schriftlich niedergelegt werden (BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 -juris Rn. 20 ff.; BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 3 CE 17.815 – juris Rn. 26). Die Einholung des erforderlichen Zeugnisses im Nachhinein kann ein zuvor erfolgtes, fehlerhaftes Unterlassen nicht heilen.
d) Daneben war es auch unzulässig, die Auswahlentscheidung auf der Grundlage von Auswahlgesprächen zu treffen.
d) Zwar ermöglicht Art. 16 Abs. 1 Sätze 4 und Satz 5 LlbG, dass neben dienstlichen Beurteilungen auch wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren wie insbesondere systematisierte Personalauswahlgespräche, strukturierte Interviews oder Assessment-Center herangezogen werden können. Sofern für eine Auswahlentscheidung dienstliche Beurteilungen sowie weitere der genannten Auswahlmethoden verwandt werden, bestimmt der Dienstherr die Gewichtung. Zur Auswahlentscheidung selbst trifft jedoch Art. 16 Abs. 1 Satz 5 LlbG dahingehend eine Abstufung, dass dienstliche Beurteilungen stets verwendet werden müssen und weitere Auswahlmethoden zusätzlich gestattet sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2014 – 3 CE 14.771, Günther, RiA 2014, 101, 106; Kathke, RiA 2013, 193, 197; Zängl in Weiß/ Niedermaier/ Summer/ Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Mai 2016, Art. 16 LlbG Rn. 30; VG München, B.v. 28.10.2015 – M 5 E 15.3937 – juris Rn. 28 f.). Die Entscheidung über die Bewerberauswahl hat sich vorrangig an leistungsbezogenen Kriterien zu orientieren, mithin den aktuellsten dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, B.v. 20.02.2004 – 2 VR 3.03 – juris Rn. 7 ff.; U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 45 f.; U.v. 30.6.2011 – 2 C 19.10 – juris Rn. 16 f.; B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – juris Rn. 24; B.v. 25.10.2011 -2 VR 4.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – juris Rn. 39). Die Ergebnisse von Auswahlverfahren (Auswahlinterviews, strukturierte Auswahlgespräche oder gruppenbezogene Auswahlverfahren) können daneben lediglich ergänzend herangezogen werden, da sie im Vergleich mit diesen eine nur beschränkte Aussagekraft haben und die Beurteilungsgrundlagen nur erweitern, also das anderweitig gewonnene Bild über einen Bewerber nur abrunden können (VG Berlin, B.v. 30.7.2014 – 7 L 242/14 – juris Rn. 26). Der Grund hierfür liegt darin, dass solche Auswahlverfahren allenfalls eine Momentaufnahme darstellen und von der Tagesform des Bewerbers abhängig sind. Wer sich in einer Prüfungssituation bewährt, ist nicht zwangsläufig der leistungsstärkste und beste Bewerber. Dienstliche Beurteilungen beziehen sich demgegenüber regelmäßig auf einen längeren Zeitraum, in dem der Beamte den konkreten vielfältigen Anforderungen seines Amtes gerecht zu wer den hatte, und bieten nach ihrer Zweckbestimmung eine weitaus gesichertere Grundlage für die Feststellung der Eignung im Rahmen einer am Leistungsgrundsatz orientierten Personalentscheidung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 30.5.2007 – OVG 4 S 13/07 – juris Rn. 6 m.w.N.; VG Karlsruhe, B.v. 28.7.2016 – 7 K 2211/16 – juris Rn. 13). Daraus folgt, dass die wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahren nach Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG erst dann verwendet werden dürfen, wenn ein Leistungsvergleich auf Grundlage der Beurteilungen und Zeugnisse erfolgt ist und die innere Ausschöpfung derselben zu einen Gleichstand geführt hat (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – juris Rn. 40 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.8.2014, a.a.O.).
Diese Grundsätze sind vorliegend nicht eingehalten. Die Antragsgegnerin hat zwar in dem ergänzten Auswahlvermerk vom 22. September 2017 das Arbeitszeugnis der Beigeladenen mit dem aktuellen Leistungsbericht des Antragstellers verglichen. Dabei ist festgehalten worden, dass sich der Antragsteller in der Besoldungsgruppe A 16 befindet, während die Beigeladene in der Entgeltgruppe 15 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder eingewertet ist. Als Ergebnis wird im Auswahlvermerk sodann jedoch festgestellt, dass sich hieraus „ein einfacher Unterschied“ ergebe, der Antragsteller aufgrund seines Status und seines Leistungsberichts das Bewerberfeld anführe und nach Aktenlage der bestgeeignete Bewerber sei. Es wird somit ein Vorsprung des Antragstellers gesehen. Die Beigeladene erhalte jedoch Gelegenheit, diesen Vorsprung aufgrund der Vorstellungsgespräche wettzumachen. Eine Pattsituation, die den Rückgriff auf anderweitige, wissenschaftliche Auswahlverfahren ermöglicht, ist von der Antragsgegnerin hingegen gerade nicht angenommen worden. Da ein Leistungsgleichstand nicht durch umfassende, auch inhaltliche Ausschöpfung der vorhandenen Beurteilungen bzw. Arbeitszeugnisse festgestellt ist, ist die zusätzliche Durchführung von Auswahlgesprächen verwehrt. Sieht die Antragsgegnerin den Antragsteller nach Aktenlage, d.h. auf Grundlage der dienstlichen Beurteilungen bzw. Zeugnisse, als leistungsstärksten Bewerber an, ist ihm der Vorrang einzuräumen. Soweit sich die Antragsgegnerin für ihr Vorgehen auf Nr. D.2.1.1. der städtischen Ausschreibungsrichtlinien – Ausführungsbestimmungen stützt, sind diese Richtlinien mit Blick auf das auch verfassungsrechtlich verankerte Leistungsprinzip entsprechend den oben genannten Grundsätzen anzuwenden (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – a.a.O. Rn. 60).
4. Die Antragsgegnerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt hat, trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da es nicht gerechtfertigt ist, sie der unterliegenden Partei aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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